Blutige Fäden. Fabian Holting

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Blutige Fäden - Fabian Holting

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ich an, dass er sich die Sachen für eine Reise in den Süden zugelegt hat.«

      »Aber sein Kleiderschrank ist noch fast voll«, hielt sie dagegen.

      »Das muss nicht unbedingt etwas bedeuten. Vielleicht wollte er nur einige Tage bleiben und hat es sich dann anders überlegt.« Ich hörte ein ungläubiges Mhm. »Übrigens war sein Zimmer nicht abgeschlossen. Kann es sein, dass Sie heute Morgen vergessen haben, es wieder abzuschließen?«

      »Ausgeschlossen«, sagte sie entschieden.

      Ich glaubte ihr und fragte weiter. »Hat Sascha ein Notebook?«

      »Soweit ich weiß, ja, aber heute Morgen habe ich keins gesehen.«

      »Ich auch nicht. Übrigens habe ich weder Führerschein, Personalausweis noch Reisepass gefunden. Das spricht ebenfalls dafür, das er weggefahren ist.«

      »Mag sein, aber trotzdem weiß ich nicht, wo er ist.«

      »Gut, das werde ich schon noch herausfinden. Hat Ihr Sohn ein Auto?«

      »Nein, in Hamburg bräuchte er kein Auto, hat er mir gesagt.« Es klang fast wie eine Entschuldigung, dass sie ihm kein Auto gekauft hatte.

      »Kennen Sie einen Mitbewohner von Sascha mit dem Namen Thomas?«

      »Nein, wieso?«

      »Weil der behauptet, Sascha würde ihm noch Geld schulden.«

      »Wenn er recht damit hat, dann geben Sie ihm bitte das Geld, das Sascha ihm noch schuldet. Viel kann es ja nicht sein.«

      »Selbstverständlich«, antwortete ich und um Frau Kessler nicht weiter zu beunruhigen, erzählte ich ihr nichts von meinem Verdacht, dass dieser Thomas vermutlich Drogen nahm. Es entstand eine kurze Pause, bis mir wieder einfiel, was ich Frau Kessler noch fragen wollte. »Haben Sie sein Zimmer so gut aufgeräumt, ich meine das Bett gemacht und so weiter.«

      »Nein, Sascha ist sehr ordentlich. Das hat er von seinem Vater. Mir geht dieser Ordnungsfimmel manchmal auf die Nerven.«

      Nachdem ich ihr von meinen Plänen erzählt hatte, mich am nächsten Tag in seinem Studiengang ein wenig umzuhören und auch zu versuchen, an die Passagierlisten des Hamburger Flughafens zu gelangen, verabschiedeten wir uns. Ich schien sie nur wenig, wenn überhaupt, beruhigt zu haben. Für den nächsten Tag um die gleiche Zeit kündigte ich meinen nächsten Rapport an.

      4

      Gegen neun Uhr fuhr ich mit dem Cinquecento ins Büro. Es war ausnahmsweise wolkenlos und der Himmel hatte diese kühlblaue Farbe, die man sonst nur in den Bergen zu Gesicht bekommt. Dafür war es empfindlich kalt. Deutlich unter zehn Grad und im Radio sprachen sie von der Schafskälte, die die nächsten Tage noch anhalten sollte. Zu meiner Überraschung fand ich einen Brief in meinem Briefkasten und es schien noch nicht einmal Werbung zu sein. Ich nahm ihn mit hinauf in mein Büro. Auch der Schnellhefter von Frau Kessler hatte mich wieder begleitet. Ich warf beides auf meinen Schreibtisch und setzte mir einen starken Kaffee auf. Während der Kaffee gluckernd durchlief, betrachtete ich Saschas Kladde. Vielleicht hatte er sich dort Notizen gemacht, die ausnahmsweise nichts mit der Uni zu tun hatten. Ich schmiss mein Ultrabook an. Wieder keine E-Mails, stellte ich enttäuscht fest. Schließlich nahm ich mir den Brief vor. Er war von einem Hamburger Speditionsunternehmen. Ich öffnete ihn und stellte zu meiner angenehmen Überraschung fest, dass es eine Angebotsanfrage für eine Mitarbeiter-Überwachung war. Ich sollte ihnen meinen Stundensatz und die anfallenden Nebenkosten mitteilen. Das wirtschaftlich beste Angebot würde den Zuschlag erhalten. Ich machte mich sofort an die Arbeit. Den Stundensatz setzte ich noch niedriger an, als bei Frau Kessler. Irgendwie musste ich mich ja von den anderen abheben. Ich sendete das Angebot vorab per E-Mail und tütete den unterschriebenen Ausdruck ein. Wenn ich zur Uni fuhr, wollte ich den Briefumschlag mitnehmen und ihn in den ersten Briefkasten, der mir über den Weg lief, einwerfen. Fürs Erste war ich mit mir zufrieden. Es tat sich mehr, als ich mir für die ersten Tage erhofft hatte. Die Kaffeemaschine hatte längst die letzten zischenden und puffenden Geräusche von sich gegeben, sodass ich in die kleine Küche eilte, um mir eine anständige Tasse Kaffee zu holen. Den Rest des Kaffees goss ich in die Thermoskanne. Meinen Kaffeebecher stellte ich auf meinen Schreibtisch direkt neben Saschas Kladde. Bevor ich sein Notizheft aufschlug, sah ich mich noch einmal in meinem kleinen Reich um. Wenn alles gut lief, würde ich später vielleicht sogar Angestellte haben, träumte ich.

      Wie nicht anders zu erwarten war, hatte Sascha in seiner Kladde während der Vorlesungen mitgeschrieben. Es ging los im ersten Semester. Obwohl dieses Semester bereits fast drei Jahre zurücklag, blätterte ich dennoch Seite für Seite um und überflog sämtliche Notizen. Die erste Vorlesung hatte den Titel Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Auf der nächsten Seite Grundlagen der Wirtschaftsinformatik und so ging es weiter. Da Sascha offenbar alles in diese eine Kladde geschrieben hatte, konnte ich mir einen schnellen Überblick über alle Vorlesungen machen, die er in diesem Semester besucht hatte. Gelegentlich hatte Sascha sich auch Verabredungstermine mit Kommilitonen notiert. Meist standen nur die Vornamen dort. Ich schrieb sie mir trotzdem alle auf. Dann folgten die Vorlesungen zu Saschas Schwerpunkt Marketing und Medien, wie es genau hieß. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte die erste Vorlesung den Titel Einführung ins Marketing. Es ging weiter mit der Veranstaltung Markenpolitik. Einige Seiten später folgte ein Seminar mit dem Titel Markstrat. Ich hatte selbstverständlich keine Ahnung, welche Inhalte sich dahinter verbergen mochten. Weil ich neugierig geworden war, fragte ich meinen Browser, der mir auf Anhieb die richtige Erklärung lieferte. Markstrat war ein Simulationsspiel, bei dem die Spieler Entscheidungen zu den Handlungsbereichen Marketing, Finanzen, Marktuntersuchungen und Produktentwicklung treffen mussten. Also so ähnlich wie der EA-Fußball Manager schloss ich daraus. Vielleicht hätte ich doch BWL studieren sollen. Ich blätterte weiter. Die Anzahl der Notizen wurde immer dürftiger. Auf den letzten Seiten hatte er sich häufig nur noch Klausurtermine und Hinweise der Professoren zu Prüfungsschwerpunkten und empfehlenswerter Vorbereitungs-Literatur notiert. Dennoch hatte ich einen interessanten Abriss von Saschas Studium vor mir liegen. Auch zu einem Rechnerpraktikum hatte er Aufzeichnungen gemacht. Dieses Praktikum konnte Frau Kessler aber wohl nicht gemeint haben, überlegte ich. Ich besuchte vorsichtshalber die Internetseiten des Fachbereichs. Es war eine EDV-Schulung. Endlich befand ich mich auf den allerletzten Seiten des Heftes. Etwas überrascht musste ich feststellen, dass die letzten Eintragungen von Ende März dieses Jahres waren, doch verschwunden war er erst Mitte Mai. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass Seiten herausgerissen worden waren. Wenn Sascha es selbst gemacht hatte, dann musste er sich sehr viel Mühe dabei gegeben haben, denn nur bei genauem Hinsehen, konnte man die Abtrennlinie erkennen. Die Seiten schienen mit einem Cutter herausgetrennt worden zu sein. Ich musste sofort an Saschas nicht abgeschlossene Zimmertür im Studentenwohnheim denken. Hatte Frau Kessler wirklich wieder abgeschlossen? Wenn ja, dann musste sich jemand Zugang verschafft haben. In meinem Büro konnte ich darauf keine Antwort finden und so nahm ich noch einen großen Schluck Kaffee und sprang auf, um endlich der Universität einen Besuch abzustatten. Ich hatte die Türklinke schon in der Hand, als mir einfiel, dass es mir helfen könnte, wenn ich einige ausgedruckte Seiten aus dem Vorlesungsverzeichnis dabei hätte. Schließlich wollte ich Saschas Kommilitonen aushorchen. Ganz einfach würde die Sache nicht werden, denn so ganz klein war der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften nicht. Aber es waren ja nicht alle Studenten in Saschas Semester. Beim Aufrufen der Vorlesungsverzeichnisse auf der Homepage der Universität Hamburg dachte ich auch an Miss Hotpants. Vielleicht konnte ich sie auf dem Campus irgendwo abpassen, dann brauchte ich nicht bis zu unserer Verabredung um vier Uhr zu warten. Ich druckte mir die entsprechenden Seiten aus und marschierte los.

      Die Sonne schien harmlos von einem noch immer wolkenlosen Himmel. Doch der Schein trog, es war empfindlich kalt draußen. Da ich meine Jacke im Büro gelassen hatte, war ich froh, dass auf der Rückbank noch

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