Blutige Fäden. Fabian Holting

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Blutige Fäden - Fabian Holting

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Durch einen Blick in den Schnellhefter vergewisserte ich mich, mir die richtige Nummer der Wohngemeinschaft gemerkt zu haben. Es war die Acht in der zweiten Etage. Die Tür war nur angelehnt. Ich drückte sie langsam auf und ging hinein. Es roch nach einer Mischung aus gebratenem Speck, reifen Bananen und ungelüfteten Schlafzimmern. Aus einer der Türen des Wohnungsflurs trottete eine junge Frau mit Schlabber-T-Shirt, Hotpants, glattrasierten, leicht gebräunten Beinen und Badelatschen. Ihre Fußnägel waren zart rosa lackiert. Sie sah zu mir auf. Ihr Gesicht war verdammt hübsch und sie konnte noch keine zwanzig sein.

      »Wer bist du denn?«, fragte sie in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass es sie nicht wirklich interessierte. Ohne meine Antwort abzuwarten, schlappte sie weiter durch den Flur. Ungefähr auf halber Strecke stieß sie eine Tür auf.

      »Ich heiße Sven«, rief ich ihr nach, kurz bevor ihr wunderschöner Körper ganz im Türrahmen verschwunden war. Sie blieb stehen und entgegnete gelangweilt.

      »Hallo Sven.«

      Ich ging ihr nach. Die Tür hatte sie offen stehen lassen. Wie ich mich ganz dunkel erinnerte, war es nicht eines der Studentenzimmer, sondern die Gemeinschaftsküche. Ich hatte recht und trat ein. Die Küche war aufgeräumter, als ich angenommen hatte. Lediglich einige Gläser standen in der Spüle und ein paar leere Bierflaschen neben dem Kühlschrank. Es roch etwas nach Mülleimer. Sie öffnete den Kühlschrank und holte einen Trinkjoghurt heraus. Ein penetranter Geruch nach Lauchzwiebeln verbreitete sich in der Küche. Sie drehte sich zu mir um. »Suchst du jemanden?«, fragte sie und setzte das PE-Fläschchen an ihren Mund.

      »Ich bin ein Bekannter von Sascha«, log ich und sah auf ihre Beine, als sie den Kopf zum Trinken in den Nacken legte. Leider viel zu früh setzte sie das Fläschchen wieder ab und schluckte den Trinkjoghurt in ihrem Mund herunter. »Der ist nicht da«, sagte sie und setzte sich auf einen Stuhl. Unter ihrem weiten T-Shirt zeichneten sich ihre Brüste verlockend ab. Sie winkelte ihre Beine an und zog sie zu sich heran. Ihre Füße schwebten kurz über dem gefliesten Boden und landeten schließlich auf der Sitzfläche, wo sie so gerade eben Platz fanden. Ich stand etwas seitlich und bemerkte, dass ihre Hotpants jetzt noch weniger in der Lage waren, ihren Po zu verdecken. Ich strengte mich an, nicht allzu auffällig hinzuschauen. »Wo könnte er denn sein?« Sie umklammerte mit einem Arm ihre Unterschenkel und nahm einen weiteren Schluck vom Trinkjoghurt. Ihre rosa lackierten Zehen wippten dabei lustig auf und ab.

      »Das weiß keiner. Der hat sich hier seit zwei oder drei Wochen nicht mehr blicken lassen. Heute Morgen war sogar seine Mutter hier und hat nach ihm gefragt.«

      »Ist es das erste Mal, dass er mehrere Wochen lang nicht auftaucht?«

      Ihre Füße schwebten wieder zurück zum Boden. Sie erhob sich und unter ihrem T-Shirt wackelten ihre festen Brüste. Zum Kühlschrank gewandt antwortete sie mir auf meine Frage. »Ich glaube nicht, aber ich wohne hier erst seit einem halben Jahr. Übrigens hätte dein Bekannter heute Putzdienst gehabt. Dieses Mal habe ich es für ihn erledigt.« Während sie den Kühlschrank öffnete, betrachtete ich ihre Pobacken. Sie drehte sich wieder zu mir um und fuhr sich durch ihre stufig geschnittenen, strohblonden Haare. Erst jetzt schien sie den Schnellhefter in meiner Hand zu bemerken.

      »Studierst du auch in Hamburg?«, fragte sie mich.

      »Ich habe mein Jurastudium vor einiger Zeit abgebrochen«, gab ich ehrlich zur Antwort.

      Sie betrachtete mich einen Augenblick und entdeckte meine Narbe über dem Auge. »Wo bist du denn gegengelaufen?«

      »Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung«, antwortete ich eher beiläufig. »Was studierst du eigentlich?«, fragte ich sie gleich darauf.

      »Im zweiten Semester Biologie und Deutsch auf Lehramt.« Sie warf einen Blick auf die Küchenuhr an der Wand. Die gleiche Uhr hatte ich in meinem Büro hängen.

      »Ich muss gleich noch los. Also, wie gesagt, Sascha ist nicht hier.« Sie sah an mir vorbei. »Hallo Thomas.«

      Ich drehte mich um und blickte in ein misstrauisches Gesicht.

      »Ein Freund von dir?«, fragte Thomas.

      »Nein, von Sascha«, antwortete sie.

      »Ach, schau an, dann weißt du vielleicht, wo er steckt?«

      Ich verzog die Mundwinkel und zuckte mit den Achseln. Thomas war anscheinend ein richtiger Kotzbrocken. Er musste einige Semester mehr auf dem Buckel haben, als seine Mitbewohnerin, sofern er überhaupt hier wohnte. Sein Blick war seltsam. Vielleicht hatte er gekifft. Mit seinen kurzen, an der Seite gescheitelten Haaren, die von Gel oder Haarwasser feucht glänzten, sah er aus, wie ein typischer BWL-Student. Er blickte mich böse an. Miss Hotpants versuchte zu schlichten. »Er möchte selbst gerne wissen, wo Sascha ist.«

      »Schuldet er dir auch Geld?« Seine Stimme klang aggressiv.

      »Nein«, antwortete ich. Vielleicht hatte Thomas auch gekokst. Eine Alkoholfahne hätte ich sicher bemerkt, trotz des Geruchs nach Mülleimer und Lauchzwiebeln, der nach wie vor in der Küche hing.

      »Ich muss los«, sagte Miss Hotpants.

      »Wie heißt du überhaupt«, fragte ich.

      »Melanie«, antwortete sie mit einem Lächeln und wirkte geschmeichelt.

      »Vielleicht hast du Lust, mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen?«

      »Warum nicht, aber jetzt muss ich los.«

      Thomas starrte mich an, als hätte ich Melanie gefragt, ob sie mit mir gelegentlich mal ins Bett gehen wolle. Vielleicht hatte er ein Auge auf sie geworfen. Ich fischte den Zimmerschlüssel aus meiner Hosentasche. Dabei hielt ich den Schnellhefter so, dass Melanie das Foto von Sascha sehen konnte.

      »Hey, du hast ja ein Foto von Sascha dabei. Bist du von der Polizei?«, fragte mich Melanie entgeistert. Thomas wartete meine Antwort nicht mehr ab und verschwand klammheimlich durch die Küchentür.

      »Warte doch mal«, rief ich ihm nach, doch da hörte ich schon die Tür zum Treppenhaus klappen und weg war er. Natürlich hätte ich ihn gerne gefragt, warum Sascha sich bei ihm Geld geliehen hatte. Aber das musste jetzt warten. Ich sah wieder Melanie an, die mit den Achseln zuckte und noch immer auf eine Antwort von mir wartete.

      »Nein, ich bin kein Bulle, aber Saschas Mutter hat mich darum gebeten, herauszufinden, wo ihr Sohn abgeblieben ist. Sie macht sich große Sorgen um ihn.«

      »Hey, dann bist du also ein Privatdetektiv.« Sie warf noch einmal einen Blick auf die Küchenuhr an der Wand.

      »Tschüss«, zwitscherte sie und huschte an mir vorbei. Im Türrahmen blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu mir um. »Aber komm‘ doch morgen vorbei, sagen wir so gegen vier Uhr, dann können wir einen Kaffee trinken gehen.«

      Ich widersprach nicht. Sie verließ die Küche und zwei Sekunden später folgte ich ihr in den Flur. Ich sah gerade noch, wie sie in ihrem Zimmer verschwand. Jetzt musste ich mir Saschas Bude vornehmen. Ich betrachtete den Schlüssel in meiner Hand und dann die ganzen anderen geschlossenen Türen, das heißt, die Badezimmertür war nur angelehnt. Wo war denn nur Saschas Zimmer? Ich klopfte bei Melanie an. Sie öffnete mir umgehend. In der Hand hielt sie ein frisches Unterhemd. Sonst war sie nackt. Nicht einmal einen Slip hatte sie am Leib.

      »Was denn jetzt noch?«, sagte sie, ohne sich die geringste Mühe zu geben, etwas von ihrem attraktiven Körper zu verbergen.

      »Wo

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