Blutige Fäden. Fabian Holting
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Читать онлайн книгу Blutige Fäden - Fabian Holting страница 10
Melanie seufzte auf. »Woher soll ich denn das wissen, schließlich bin ich nicht in Hamburg, um meine Mitbewohner zu studieren, sondern Biologie und Deutsch.«
»Immerhin hat er dir von dem Mädchen erzählt, das er bei seiner Praktikumsstelle kennengelernt hat.«
»Ich glaube, er wollte damit angeben.« Melanie zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach. Dann sagte sie: »Als ich ins Wohnheim zog, hatte ich den Eindruck, dass Sascha was von mir wollte.«
»Du hattest aber kein Interesse«, kam ich ihr zuvor. Sie sah mich empört an und führte ihre Schale Café au Lait an den Mund. Noch bevor sie daran nippte, warf sie mir einen bösen Blick zu. »Sascha ist weiß Gott nicht mein Typ. Du hast doch ein Foto von ihm. Glaubst du, dass ich auf ....« Sie machte eine Pause. »Auch egal«, sagte sie schließlich und trank von ihrem Milchkaffee.
»Du meinst auf Muttersöhnchen stehst?«
Melanie lachte auf und stellte die Schale zurück auf den Tisch. »Vielleicht auch das«, bemerkte sie vielsagend. Ich trank meinen Espresso. Melanie begrüßte winkend zwei Bekannte, die gerade ins Café gekommen waren. Sie setzten sich ans andere Ende des Raums. Ich konnte Sascha, was Melanie betraf, jedenfalls gut verstehen.
»Wenn du es genau wissen willst. Auf mich machte Sascha den Eindruck, als hätte er noch nie eine Freundin gehabt, so verklemmt, wie er war, wenn wir allein miteinander waren.« Melanie trank wieder von ihrem Milchkaffee. Ich erinnerte mich an das Glas Wasser, das vor mir stand und nahm einen Schluck. »Habt ihr denn viel miteinander gesprochen?«
»Mehr, als mir manchmal lieb war. Da fällt mir ein, er hat mir sogar ein Foto von seiner Flamme gezeigt.«
»Und, wie sah sie aus?«
»Ungefähr mein Alter würde ich sagen, ganz hübsch sogar.« Melanie schenkte mir einen reizenden Augenaufschlag.
»Hat er denn gesagt, dass er mit ihr bereits zusammen sei?«
»Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube, er hat gesagt, so gut wie, was auch immer er damit gemeint haben mochte.«
Ich trank wieder einen Schluck von meinem Wasser und reimte mir zusammen, dass Sascha also mit seiner Eroberung in den Urlaub gefahren sein könnte. Bei einem Typ wie Sascha war die Vorstellung, er wäre zu so einer spontanen Entscheidung fähig, etwas gewöhnungsbedürftig. Aber irgendwann platzte bei jedem Mal der Knoten. Wahrscheinlich würde sich mein erster Fall in den nächsten Tagen von ganz allein lösen. Sascha würde mit seiner neuen Freundin braungebrannt nach Hamburg zurückkehren und alles wäre erledigt. Während ich so vor mich hin grübelte, riss Melanie mich mit einer seltsamen Frage aus meinen Gedanken. »Hat der andere auch etwas abbekommen?«
Erst wusste ich nicht, was sie meinte. Als mir gleich darauf klar wurde, dass sie auf meine Narbe über dem Auge anspielte, war ich mir unsicher, was ich Melanie genau darüber erzählt hatte. Frau Kessler gegenüber hatte ich von einer Sportverletzung gesprochen. Also antwortete ich flapsig: »Der lag mit gebrochenem Unterkiefer drei Wochen in Eppendorf.« Melanie zog die Stirn kraus. Sie schien mir nicht zu glauben.
»Nein, natürlich nicht. Ich bin ein friedliebender Mensch und habe mich diskret zurückgezogen.« Wie die letzten Tage auch, wenn ich an meine noch nicht ganz verheilte Narbe erinnert wurde, begann sie wieder leicht zu pochen. Ich tastete vorsichtig nach ihr und meinte, sie wäre wieder etwas angeschwollen.
»Tut sie weh?«, fragte mich Melanie.
»Nicht richtig«, antwortete ich.
»Aber sie ist leicht gerötet«, sagte Melanie und sah auf ihre Uhr. »Viel Zeit habe ich nicht mehr.«
»Schade«, entgegnete ich und dabei kam mir der Gedanke, dass ich sie noch zu Thomas befragen wollte, auch wenn für mich der Fall eigentlich klar war und ihr Mitbewohner mit dem offensichtlichen Hang zum Drogenkonsum wohl keine Rolle spielte. An einigen Tischen um uns herum stellte sich Aufbruchsstimmung ein. Bücher, Notizblöcke und Notebooks wurden wieder in Taschen verstaut. Portemonnaies wurden gezückt und Geldscheine entnommen. In Kürze sollten die nächsten Vorlesungen und Seminare beginnen.
»Was hat Sascha eigentlich mit Thomas zu schaffen?«
»Wieso, weil er ihm Geld schuldet, meinst du?«
»Zum Beispiel.«
»Thomas hat sich Sascha am Anfang angenommen, habe ich mal gehört. Das heißt, er hat ihn zu der einen oder anderen Party mitgenommen. Thomas Eltern sollen ziemlich reich sein und Sascha wird von seiner Mutter wohl recht kurz gehalten.«
»Wer sagt so etwas?«
»Thomas und auch Sascha selbst.«
»Aber jetzt ist Thomas auf Sascha nicht mehr so gut zu sprechen und will sein Geld zurückhaben.«
»Thomas spinnt. Das liegt an dem Zeug, das er ständig nimmt.«
»Was für Zeug denn?«
»Irgend so ein synthetischer Scheiß eben. Ich interessiere mich nicht für so einen Dreck. So, es wird Zeit für mich. Vielen Dank für den Kaffee.«
»Nichts zu danken«, sagte ich und fragte sie: »Sehen wir uns mal wieder?«
»Wenn du willst.«
»Sehr gerne. Und welche Veranstaltung liegt jetzt bei dir an?«
»Blüten- und Fruchtbiologie«, antwortete sie mit einem Augenzwinkern. Zum Abschied berührte sie meine Schulter. In dieses Fach hätte ich sie gerne allein eingeführt, dachte ich schamlos. Nachdenklich blieb ich noch eine Weile sitzen und trank von meinem Wasser. Meine kurze und schmutzige Affäre mit der Frau meines Chefs versetzte mir wieder einen Stich. Eigentlich sehnte ich mich nach einer Beziehung mit Aussicht auf Beständigkeit, ehrlicher Liebe und Zuneigung. Andererseits verspürte ich auch den Drang nach Abenteuern, aus denen keine Verpflichtungen erwuchsen und die so schnell, wie sie begannen, auch wieder endeten. Mit dieser inneren Zerrissenheit fühlte ich mich alles andere als gut. Melanie gefiel mir übrigens wirklich. Bei unserer ersten Begegnung war es nur ihr Sex-Appeal, der mir Eindruck gemacht hatte. Doch jetzt, wo ich mit ihr einen Kaffee getrunken hatte, fand ich sie, auch ohne die Vorstellung an ihren attraktiven Körper, sympathisch und anziehend. Vielleicht hatte mir ihre offene Art und die resolute Einstellung zum Drogenkonsum ihres Mitbewohners Thomas imponiert.
Als ich den Motor anließ, wurde ich an den fast leeren Tank erinnert. Ich lenkte den Cinquecento zur nächsten Zapfsäule. Beim Tanken fiel mir mein Angebotsschreiben auf, das auf der Rückbank neben meinem Pullover lag. Am nächsten Briefkasten hielt ich erneut an und warf den Brief ein. Weil in Sichtweite ein Imbiss war, ließ ich mich dazu hinreißen, hineinzugehen und gegen meine Gewohnheiten eine Currywurst mit Pommes zu bestellen. Der Imbiss wirkte etwas schmierig, doch der Inhaber bediente mich nett und freundlich. Abgerundet wurde meine Mahlzeit durch ein Krisengespräch über den HSV und die guten alten Seeler-Zeiten. Ich fuhr noch einmal zum Wohnheim. Vielleicht hatte ich Glück und traf Thomas dort an. Frau Kessler hatte mir schließlich auch den Auftrag erteilt, Saschas Schulden bei ihm zu begleichen. Außerdem interessierte mich der Knabe, denn irgendetwas gefiel mir nicht an seinem Auftritt vom Vortag, auch wenn ich mittlerweile wusste, dass er Drogen nahm. Ich zweifelte zwar nach wie vor nicht daran, dass Sascha mit seiner Praktikumsbekanntschaft in die Sonne geflogen war, aber schaden konnte es nicht, auch noch einmal Thomas Meinung dazu einzuholen.