Das Dunkle Bild. Tristan Fiedler

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Das Dunkle Bild - Tristan Fiedler

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beschloss, das Gemälde mitzunehmen, um es zu Hause genauer zu untersuchen. Mein Vater musste immerhin einen bestimmten Grund gehabt haben, es im Keller aufzuheben. Wer weiß, vielleicht war es ja wertvoll? Das hätte erklärt, warum mein Vater es über all die Jahre versteckt gehalten hatte. Verwundert hätte es mich nicht, dass er in diesem Fall nicht mal uns, seiner eigenen Familie, vertraute.

      ~

      Der Tag war lang gewesen. Zu Hause wollte ich gleich schlafen gehen, nachdem ich alle Gegenstände, von denen ich mir noch Verwendung erhoffte, in meine Wohnung gebracht hatte. Ich stellte das Gemälde samt der Staffelei und dem Leintuch in den Flur vor der Eingangstür. Das Wohnzimmer war für mich ein heiliger Ort, den ich auf keinen Fall mit dem Schrott aus dem Haus meines Vaters entweihen wollte. Vielleicht wird jeder Ort der Zuflucht zu etwas Heiligem. Ich bin kein Gesellschaftsmensch. Das war ich noch nie. Die Nähe zu anderen macht mich nervös. Ich weiß nicht, weshalb das so ist, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Dazu gehört, dass ich einen Ort brauche, an den ich mich abends zurückziehen kann wie in einen Schildkrötenpanzer. Und das Gemälde, da bin ich mir sicher, hätte dieses Gefühl zerstört.

      Als ich das Wohnzimmer betrat, weckte ich Ben auf. Er hatte auf der Couch gesessen und geschlafen. Als er mich sah, war er sofort wach.

      Ich gebe ja zu: Vollkommen alleine zu sein, das würde auch mich auf Dauer mürbe machen. Das Bedürfnis nach Gesellschaft ist wahrscheinlich zu tief verwurzelt. Ein Relikt aus Zeiten, als man andere Menschen brauchte, um auf Mammutjagd zu gehen, vermute ich. All das ist jetzt überflüssig. Gott sei Dank. Aber auch ich kann mich der Angst vor der Einsamkeit nicht verschließen. Also habe ich eine Lösung gefunden.

      „Na, hast du mich vermisst?“ fragte ich und strich Ben mit der Hand über den Kopf.

      Während der Kater sich an meine Hand schmiegte, sah es aus, als nicke er. Er gab ein leises Schnurren von sich, dann räkelte er sich und gähnte herzhaft. Mit weit ausladenden Schritten tappte Ben zu seinem Napf.

      „Ich hab keine Ahnung, was ich mit diesem Bild anstellen soll“, sagte ich, während wir aßen. „Behalten will ich es auf jeden Fall nicht.“

      Ben hob den Kopf und sah mich überrascht an.

      Ich lehnte mich über die Kante des Esstischs. „Ja, was schaust du denn so? Was soll ich damit? Hübsch ist es nicht. Aber mein Geschmack ist so was ja sowieso nicht.“

      Ben senkte wieder den Kopf und aß weiter. Er musste eigentlich wissen, dass ich mir nicht viel aus Kunst mache. Es gibt keine Bilder an meinen Wänden. Ich habe keinen Gefallen an dem Artifiziellen. Ich bin der Meinung, dass der Mensch zu keiner beeindruckenden Leistung in der Lage ist, solange er sich dabei nur auf seine eigenen Fähigkeiten stützt. Ich habe einmal auf einer Weintour durch Frankreich einen Zwischenstopp in Paris gemacht und dort den Louvre besucht. Ich habe die Mona Lisa zwischen den Menschenmassen, die sich die Hälse verrenkten, hindurch gesehen. Und ich konnte nicht verstehen, was an ihr so besonders sein soll. Ein winziges Bild von einer nicht gerade ansehnlichen Frau. Mehr war es für mich nicht. Am beeindruckendsten war für mich das Gesamtbild, das sich mit ihr und den Besuchermassen ergab: Hunderte von Menschen, die sich vor dem Bild drängten, während diese kleine Frau mit gebieterischem, fast höhnischem Lächeln auf sie herabsah.

      Nein, das ist wirklich nicht meine Sache. Spannend wird menschliches Schaffen für mich erst dann, wenn es dazu dient, Vorgänge in der Natur zu ihrer höchsten Entfaltung zu bringen. Zum Beispiel Beeren bei ihrem Wachstum zu unterstützen, im exakt richtigen Moment zu lesen und dann unter den perfekten Bedingungen alkoholischen Saft herzustellen. Deshalb zieren auch Weinflaschen und die verschiedensten Teile alter Fässer und Pressen meine Wohnung.

      Mit einem Plopp zog ich den Korken aus einer Flasche Trollinger vom Vorjahr. Kein sehr guter Wein, aber ich hatte ihn geschenkt bekommen, da ich den Winzer sehr gut kannte.

      „Wenn ich Glück hab, ist das Bild wertvoll“, sagte ich. „Vielleicht deckt das wenigstens einen Teil der Kosten, die ich jetzt habe.“

      Ben sah mich an. Dann gähnte er breit.

      Mit meinem Weinglas in der Hand, ging ich in den Flur. Hier nahm ich das Tuch vom Gemälde, um es mir im helleren Licht noch einmal anzuschauen. Während mein Blick über das finstere Gebäude mit seinen hohlen Augen fiel, entdeckte ich etwas, das mir im Licht der Taschenlampe entgangen war: In einem der obersten Fenster schien so etwas wie eine menschliche Gestalt zu stehen. Sie war nur schwach erkennbar gegen das hintergründige Schwarz. Aber dieses eine Fenster war eindeutig nicht leer. Ein dunkler Schemen zeichnete sich darin ab, der eher als menschliche Gestalt zu erahnen als zu erkennen war. Der Blick dieser Gestalt schien jedoch direkt vom Fenster aus auf den Betrachter, in diesem Fall also mich, gerichtet zu sein.

      Aus irgendeinem Grund fröstelte ich bei diesem Gedanken, und einer unbestimmten Eingebung folgend, deckte ich das Gemälde wieder ab. So ließ ich die Staffelei im Flur zurück und ging ins Bett.

      Kapitel 2

      Den nächsten Tag nutzte ich, um die letzten Dinge zu erledigen. Während die Arbeiter die Kellerräume des kleinen Hauses meiner Eltern ausräumten, sah ich nochmal alles durch, was ich mitgenommen hatte. Mehr als die Hälfte davon war Schrott, den ich heute noch entsorgen wollte. Als ich wieder zu dem Bild kam, war mir klar, dass ich erstmal den Rat eines Experten einholen musste. Wenn es wertvoll war, dann würde ich es auf jeden Fall verkaufen.

      Als ich das Leintuch abnahm, um das Bild nochmal anzusehen, war es mir, als führe mir jemand mit klammer Hand über den Rücken. Mir fiel sofort auf, dass das Fenster, in dem ich noch am Vorabend eine Person gesehen hatte, leer war.

      Ich suchte die anderen Fenster des Hauses ab, in der Hoffnung, mich geirrt zu haben. Aber auch sie waren allesamt leer. Also nahm ich mir nochmal das Fenster vor, von dem ich mir sicher war, gestern Abend hier eine Gestalt gesehen zu haben. Doch ich konnte beim besten Willen nichts darin erkennen. Ich näherte mich mit dem Gesicht der Leinwand, betrachtete sie aus verschiedenen Winkeln und wendete sie im Licht der Deckenlampe. Doch das Fenster blieb einzig und allein von einem einheitlichen Schwarz erfüllt. Langsam kam mir der Gedanke, mich gestern Abend geirrt zu haben. Ich war immerhin todmüde gewesen von den Anstrengungen des Tages, als ich das Bild untersucht hatte.

      Aus einem mir unerklärlichen, dafür aber umso stärkeren Bedürfnis heraus, deckte ich das Bild wieder ab, um es sofort wieder zu enthüllen. Es änderte sich aber nichts. Ich ließ das Laken darüber fallen und machte mich daran, den überflüssigen Krempel aus dem Flur zu schaffen.

      ~

      Am frühen Nachmittag machte ich mich auf den Weg zu einem Antiquariat, das ganz in meiner Nähe lag. Eingehüllt in das weiße Leintuch, trug ich das Bild aus dem Haus. Ich widerstand der Versuchung, nochmal unter das Tuch zu sehen. Diesen Moment wollte ich mir für den Besuch beim Antiquar aufheben. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht wollte ich dabei nicht allein sein.

      Wenig später trat ich mit dem eingehüllten Bild in einen engen Raum, der vollgestopft war mit Möbeln, Bildern, Vasen, Statuen und allerlei Kitsch. Ein enger Weg schlängelte sich zwischen dem Ramsch hindurch zu einem hölzernen Tisch, auf dem eine grüne Schirmlampe neben einer altmodischen Kassenmaschine stand. Ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Aber obwohl ich von ziemlich hagerer Figur bin, war zu wenig Platz. Rumpelnd viel ein hässlicher nackter Engel mit Pausbacken um. Er wälzte sich auf den Rücken und sah mich mit dämlichem Blick aus wässrig-blauen Augen an.

      „Sagen Sie mal!“

      Der Antiquar kam angerollt. Der Mann war von raumgreifendem

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