Das Dunkle Bild. Tristan Fiedler

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Das Dunkle Bild - Tristan Fiedler

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„Er war unfähig, es Ihnen oder sonst einem Nahestehenden mitzuteilen.“

      Ich stieß heftig die Luft aus. Beinahe hätte ich bei dem Wort Nahestehenden aufgelacht. „Und Ihnen hat er es erzählt?“ fragte ich.

      Die Frau schüttelte langsam den Kopf. „Das musste er aber auch gar nicht. Ich wusste es. Ich hab geahnt, dass ich Sie heute hier sehen würde.“

      Während sie das sagte, griff die Frau in den Mantel, den sie über ihrem schwarzen Kleid trug. Dann streckte sie mir ihre Hand hin und öffnete die schlanken Finger. Auf ihrer Handfläche lag ein kleiner Zettel. Er sah aus wie die abgerissene Ecke einer Buchseite, auf die mit dunkler Tinte eine Zahl geschrieben war: eine Siebenundzwanzig.

      „Was ist das?“ fragte ich.

      „Nehmen Sie es. Es ist von Ihrem Vaters. Er hoffte, dass Sie diese Reise tun würden. Und er wollte, dass Sie in diesem Fall das hier mitnehmen.“

      Ich nahm den kleinen Zettel und betrachtete ihn. Es gab so vieles, was ich die Frau noch fragen wollte. Aber ich war schon zu spät dran. Ich musste mich beeilen, wenn ich den Alpenexpress noch erwischen wollte. Also steckte ich den Zettel ein, bedankte mich und lief eilig den matschigen Pfad zum Friedhofseingang hinab.

      Als ich ein Stück gelaufen war, drehte ich mich instinktiv noch einmal zu der Frau herum. Durch den Regenschleier erkannte ich noch schwach die steinerne Kapelle. Im Dunkel des Kapelleneingangs konnte ich die Gestalt der Frau nicht mehr ausmachen.

      Kapitel 5

      Es war schon später Nachmittag, als meine Reise endlich zu Ende ging. Ich verbrachte fast zwölf Stunden in einem kleinen Bus, der jedes Mal auseinander zu fallen schien, wenn er von einem Schlagloch in das nächste fuhr. Ich erreichte auf diese Weise einen kleinen Ort, von dem aus ich fast eine Stunde lang an einer staubigen Straße entlang wandern musste, um endlich diesen Ort namens Byscovice zu erreichen.

      Meine Kleidung klebte, und die Sonne brannte erbarmungslos auf meinen schweißnassen Körper herab, während ich meinen Koffer hinter mir herzog. Ben wimmerte erbärmlich in seinem Käfig. Es musste brütend heiß darin sein. Doch ich konnte ihn erst rauslassen, sobald wir angekommen waren.

      „Du wolltest ja unbedingt mit!“ warf ich Ben vor. Seine grünen Augen funkelten mich anklagend durch die Schlitze in der Käfigtür an. „Das hast du jetzt davon.“

      Der Ort selbst schien nur aus wenigen alten Häusern zu bestehen, die sich um die kleine Landstraße herum verstreuten. Ich suchte eine Weile, bis ich so etwas wie ein Gasthaus fand, in der ich etwas trinken und nach einem Zimmer fragen wollte.

      „I need a room“, sagte ich zu einer älteren Dame, die hinter dem Tresen stand. Sie war von geradezu monströsem Umfang. Im Arm hielt sie einen dieser winzigen Hunde, die über Generationen hinweg handlich gezüchtet werden. Dieser hier schien kaum lebensfähig zu sein. Er zitterte unentwegt am ganzen Körper und starrte entsetzt auf Ben, den ich auf dem Tresen abgestellt hatte. Ben hingegen hatte sich umgedreht und zeigte dem Scheusal nur sein Hinterteil.

      Die fette Dame antwortete nicht. Stattdessen sah sie mich aus weit aufgerissenen Augen an. Anscheinend war es eine Seltenheit, dass ein Fremder hier auftauchte und um ein Zimmer bat.

      „For one night“, sagte ich. „At first.“

      Mein Englisch war nie gut gewesen. In Ländern wie Frankreich, wo die Menschen noch schlechter Englisch sprechen, hatte es immer ausgereicht. Doch hier, in diesem Kaff irgendwo im Nirgendwo, war ich anscheinend an der falschen Adresse damit. Die fette Dame starrte mich nur weiter an. Dann ging sie langsam ein paar Schritte rückwärts – und verschwand einfach durch eine Tür hinter dem Tresen.

      Verdattert sah ich mich um. Die Einrichtung war rustikal. Es gab einen steinernen Kamin, neben dem eine alte Standuhr tickte. Davor lag ein verfilzter Teppich, der ein paar Holztische und Stühle trug. Hinter mir gab es eine weitere Tür, die anscheinend zur Treppe führte.

      Als ich eine Weile so dagestanden hatte, kam ein junges Mädchen durch die Tür hinter dem Tresen. Sie hielt ein großes Buch in der Hand und sah überrascht auf, als sie mich bemerkte. Ich hatte keine Lust darauf, mich heiser zu reden. Also hob ich einfach nur meinen Koffer und sah sie auffordernd an. Das half.

      Zwei Minuten später öffnete ich den Koffer in der Kühle eines, für diese Umstände, ganz ansehnlichen Gästezimmers. Ich wollte mich erstmal von den Strapazen der Reise erholen, meine Kleidung wechseln und eine Dusche nehmen.

      Als erstes ließ ich Ben etwas Wasser aus meiner Thermoskanne schlecken. Dann kramte ich einige Fotos meines Vaters hervor, die ich mitgebracht hatte, und die zu den ältesten zählten, die ich von ihm hatte. Sie waren allesamt in Deutschland geschossen worden, kurz nach meiner Geburt. Aber wenn ihn hier jemand kannte, dann musste er ihn sicher wiedererkennen. Doch zuallererst musste ich etwas essen.

      Ich klappte den Koffer wieder zu. Meine Kleider ließ ich darin. Sie bedeckten das Gemälde, das ich weiterhin in das weiße Leintuch eingehüllt ließ, das ich seit meinem Besuch in der Pinakothek in München nicht mehr abgenommen hatte.

      Die fette Dame, die ich bei meiner Ankunft in dem Gasthaus gesehen hatte, war immer noch weg, als ich mein Zimmer verließ. Dafür stand das junge Mädchen am Tresen, das anscheinend kein Deutsch verstand und mir nicht weiterhelfen konnte – weder, als ich sie um etwas zu essen bat, noch als ich sie nach der älteren Dame fragte. Sie schüttelte nur immer wieder bedauernd den Kopf. Die fette Dame musste zwar etwas jünger gewesen sein als mein Vater, es bestand aber die Chance, dass sie ihn gekannt hatte. Ich zeigte dem jungen Mädchen das Foto, ohne jedoch wirklich zu hoffen, dass sie ihn erkannte.

      Ich trat hinaus in die Sommerhitze und sah mich etwas in dem kleinen Ort um. Es schien hier tatsächlich alles zu geben, was man auch in größeren Ortschaften findet. Ich entdeckte eine Werkstatt, einen kleinen Lebensmittelladen und einen winzigen Ramschladen. Es gab sogar ein rustikales Internetcafé. Wenigstens glaube ich, dass es eines war. Ich sah nicht mehr als drei Stühle vor drei Monitoren, aber ich hatte auch nicht die Geduld, die Gebäude genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich war am Verhungern. Trotzdem staunte ich nicht schlecht über die souveräne Unabhängigkeit, die sich dieser winzige Ort gegenüber den umliegenden Ortschaften erkämpft zu haben schien.

      Als ich in das Gasthaus zurückkehrte und mich an einen der Tische setzte, war ich allein. Tschechische Musik schepperte aus einem kleinen Radio, das hinter der Theke auf einem Regal stand. Als das junge Mädchen kam, versuchte ich ihr noch einmal klarzumachen, dass ich etwas essen wollte. Sogar mein Magen stimmte in meine Bemühungen mit ein und gab ein ergreifendes Knurren von sich. Aber das Mädchen schüttelte nur immer wieder dümmlich den Kopf. Erst als ich mich einiger plumper Hand- und Mundbewegungen bediente, klärte sich ihr Blick und sie verschwand durch die Tür hinter der Theke. Wenn es um die grundlegenden Dinge des menschlichen Überlebens geht, dann kann man sich eben doch archaischer Hilfsmittel bedienen.

      Eine Weile saß ich nur so da, bis hinter mir jemand herein kam. Ich drehte mich nicht um, sondern blieb einfach sitzen, während die Person in der Tür stehen blieb und mich anscheinend von dort beobachtete.

      Schließlich schloss sich die Tür, und die Person schritt langsam um mich herum. Es handelte sich um einen Bär von einem Mann. Er musterte mich aus scharfen Augen, die von dichten, grauen Augenbrauen überwuchert wurden. Es war schwierig, etwas aus seinem Gesicht zu lesen, da es zu einem großen Teil hinter Schmutz und Barthaaren verborgen lag. Ich versuchte, meine Verunsicherung zu verbergen. Als er eine Weile um mich herum gestiefelt war, setzte er sich mir gegenüber.

      In

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