Das Dunkle Bild. Tristan Fiedler

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Das Dunkle Bild - Tristan Fiedler

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weiter ansah, ohne etwas zu sagen. Langsam wurde ich nervös – und ich bin mir sicher, dass der Mann das spürte, während ich unbeirrt den Gulasch in mich hineinschaufelte. Ich entschied mich, die Flucht nach vorne anzutreten.

      „Dass in so einem kleinen Ort nicht viel passiert, hab ich mir ja schon gedacht“, sagte ich, ohne zu dem Mann aufzusehen. „Aber dass ein Deutscher, der Gulasch isst, so eine große Attraktion ist -“

      „Ich wusste, dass einer von euch wiederkommen würde“, unterbrach mich der Bär.

      Ich stockte mitten in der Bewegung und sah ihn an. Er hatte perfektes Deutsch gesprochen. In seiner Stimme lag eine Mischung aus Vorwurf und Einsicht.

      „Einer von wem...?“ fragte ich. Ich machte den Ansatz, noch etwas hinzuzufügen. Ich wusste aber selbst nicht genau, was daraus werden sollte. Nach kurzem Gestammel entschied ich mich, abzubrechen. Irgendetwas an dem Riesen machte mich unsicher.

      „Du weißt, wen ich meine...“, fuhr der Bär fort. „Deine Familie. Deswegen bist du doch hier.“

      Ich sah ihn einen Moment lang verwirrt an. Auf einmal änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkte, als wäre er sich selbst nicht mehr ganz sicher, ob er mit dem Richtigen sprach.

      „Mein Vater ist vor ein paar Tagen gestorben“, sagte ich schließlich.

      „Aha.“ Der Gesichtsausdruck des Mannes nahm wieder die alte Härte an, kaum dass ich meinen Satz beendet hatte. „Ich dachte es mir schon... Und jetzt suchst du danach.“

      „Wonach?“

      „Wonach?“ der Mann sah mich an, als hätte ihm ein kleines Kind gerade eine dumme Frage gestellt. „Sag mal, Junge, warum bist du denn hier?“

      Ich überlegte kurz, dann entschied ich mich dafür, die ehrlichste Antwort zu geben: „Ich weiß es nicht so genau.“

      Der Mann lachte laut los. Es klang wie ein Lachen, das kleine Kinder zum Weinen bringt. „Du weißt es gar nicht? Du kommst aus deinem schönen, sauberen Nest in Deutschland hierher in diesen Haufen Dreck, und du weißt gar nicht, warum?! Na ja, ihr ward schon immer so. Man wusste nie, ob ihr einen besonderen Spürsinn habt – oder einfach nur dumm seid...“

      „Kannten Sie meinen Vater denn?“

      Auf einen Schlag wurde der Mann wieder ernst und sah mich erneut scharf an. Er schien kurz zu überlegen, was er antworten sollte, dann lehnte er sich langsam zurück. „Jeder hier kennt deinen Vater... Ich kann dir aber nicht weiterhelfen.“

      Er kramte in seiner Hosentasche herum. Dann zog er etwas hervor. „Ich hab aber versprochen, das hier aufzuheben. Hier.“ Er warf mir einen Gegenstand zu, der hart auf der Tischplatte aufschlug und neben meinen Teller polterte.

      Der Bär stand auf und verließ das Gästehaus, während ich den Gegenstand vor mir ansah. So wenig ich mir auf dieses Gespräch auch zusammenreimen konnte, ich ahnte, wofür das kleine Metallobjekt war, das meinen Blick fesselte. Es handelte sich um einen alten Messingschlüssel.

      Der Appetit war mir auf einmal vergangen. Die fette Dame schleppte sich wieder in das Gasthaus. Ich war mir sicher, dass sie genau wusste, was gerade geschehen war. Auch sie sah mich auf eine mitleidvolle Weise an. Ich nahm den Schlüssel und wog ihn prüfend in der Hand. Er war kühl und schwer. Dann sah ich zu der Dame hinüber.

      „Wofür ist der Schlüssel?“ fragte ich.

      „Das Haus.“ Sie lächelte freundlich. „Wissen Sie, wo es ist?“

      ~

      Die Wegbeschreibung der fetten Dame war nicht allzu genau. Doch ich fand schnell, was ich suchte. Ich musste nur immer in die Richtung gehen, in welcher der größte Berg der Sudeten lag: die Schneekoppe. Die Sonne ging bereits unter, als ich endlich den kleinen Hügel nahe des Ortes erklommen hatte, und mein Blick auf mein Ziel fiel. Kurz schien alles um mich herum von mir fort zu rücken, als befände ich mich in einer Umgebung, die nicht real war und dies auch niemals gewesen war.

      Was da vor mir lag, auf der Spitze dieser kleinen Anhöhe, war nichts anderes als das Haus, das auf dem Gemälde abgebildet war, das noch immer in meinem Koffer lag. Es sah genauso aus wie auf dem Bild. Es schien, als wäre das Gemälde erst gestern entstanden, als blickte ich in diesem Augenblick auf das Gemälde selbst, das zu übergroßen Proportionen angeschwollen war.

      Es dauerte keine zehn Minuten, bis ich wieder zurück in dem kleinen Ort war. Ich schnappte nach Luft und rang mit meinen Gedanken. Was ich gesehen hatte, war genau das gewesen, wonach ich gesucht hatte. Aber der Anblick des Hauses hatte mich zutiefst erschreckt. Was hatte ich erwartet, hier zu finden? Doch nichts anderes als eine Antwort auf diesen makabren Scherz in meinem Koffer. Und hier war sie. Doch ich war zu feige gewesen, länger als wenige Sekunden vor diesem tatsächlich existierenden Gebäude zu stehen, das sich aus irgendeinem unverschämten Grund nach all den Jahren um kein Haar von seinem Abbild auf dem Gemälde unterschied.

      Zurück im Gasthaus sah mich die fette Dame fragend an. Ich überlegte, ob ich sie auf das Gebäude ansprechen sollte. Ich entschied mich aber dagegen. Stattdessen kehrte ich auf mein Zimmer zurück. Hier öffnete ich meinen Koffer, um das Bild noch einmal zu betrachten. Es sah noch genauso aus wie direkt vor meiner Abreise, als ich es das letzte Mal angesehen hatte. Das Fenster im obersten Stock war leer.

      Ich hüllte das Gemälde gerade wieder ein, als es an der Tür klopfte. Noch bevor ich mich erhob, zwängte sich die fette Dame durch den Türrahmen. Ich habe keine Ahnung, wie sie es so schnell die Treppe herauf geschafft hatte.

      „Ja?“ fragte ich verärgert.

      „Haben Sie es gesehen?“

      „Was gesehen?“

      „Na, Ihr Haus...“ Sie grinste mich schief an.

      „Wieso mein Haus? Was hab ich damit zu tun?“

      „Sie sagten doch, Ihr Vater sei gestorben. Ihm gehörte das Haus. Also gehört es jetzt Ihnen...“

      Ich wusste nicht genau, wie ich darauf antworten sollte. Sie taxierte mich einen Moment, ihr Blick blieb dann an meinem Gesicht hängen. Ein Ton der Vertrautheit schwang in Ihrer Stimme mit, als sie sagte: „Sie sehen ihm so ähnlich...“

      Ich schloss den Koffer und stellte mich direkt vor sie, die Hände in die Hüften gestemmt. „Was ist denn mit diesem Haus?“

      „Was soll damit sein?“

      Ich zögerte einen Moment, dann entschloss ich mich, anders vorzugehen. „Seit wann gehörte das Haus meinem Vater?“

      „Schon immer. Er und sein Bruder wurden darin geboren...“

      Ich stockte. Dass mein Vater einen Bruder gehabt hätte, wäre mir jetzt neu gewesen. „Das kann nicht sein“, sagte ich. „Ich hab keinen Onkel. Und mein Vater hat auch nie von einem erzählt.“

      „Doch“, erwiderte die fette Dame bestimmt. „Er hatte einen Bruder. Nachdem ihre Eltern gestorben waren, lebten die zwei noch eine Weile in dem Haus. Sie waren sehr reich. Ihre Eltern waren sehr reich.“

      „Warum... hat er mir nie von seinem Bruder erzählt?“

      Die Frage war eher an mich selbst gerichtet, doch die fette Dame beantwortete

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