Das Dunkle Bild. Tristan Fiedler

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Das Dunkle Bild - Tristan Fiedler

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brauche noch eine Woche Urlaub“, sagte ich. „Ich muss einfach wissen, wer dieses Bild gemalt hat und warum es bei uns im Keller war.“

      Ben sah mich fragend an. Eine sinnvolle Antwort konnte ich ihm leider nicht geben. „Wahrscheinlich wünsche ich mir einfach, dass es für alles eine ganz simple Erklärung gibt“, versuchte ich es. „Hauptsache, ich bekomme eine Erklärung. Und wenn mein Vater in Byscovice aufgewachsen ist, dann gibt es da bestimmt noch Leute, die ihn kannten. Vielleicht können die mir ja irgendwas über das Gemälde sagen.“

      Bens Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Und erst jetzt verstand ich, was er wissen wollte. „Ich kann dich leider nicht mitnehmen“, sagte ich. „Die Reise ist zu anstrengend.“

      Am Telefon erklang jetzt das wiederholte Tuten des Wartezeichens. Ben sah mich unverwandt an. „Jetzt schau nicht so!“ fuhr ich ihn an. Die durchdringenden, grünen Augen schienen etwas Vorwurfsvolles zu haben. Schließlich gab ich nach. „Na gut, in Gottes Namen! Du kannst mitkommen.“

      Den Schwanz triumphierend aufgerichtet, trottete Ben davon. Wieder hat er mich um den Finger gewickelt, dachte ich ärgerlich, als die Sekretärin meines Chefs ans Telefon ging.

      Kapitel 4

      Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Ich merkte, wie die Schlammschicht unter meinen Schuhsohlen dabei immer dicker wurde. Die Regentropfen trommelten auf den schwarzen Schirm ein, den ich in der Hand hielt. Hinter dem dichten Wasserschleier um mich herum erkannte ich vier Menschen. Einer von ihnen war der Priester, der mit Leibeskräften gegen das laute Prasseln des Regens anschrie. Die zweite Person war ein Ministrant, der, den linken Arm eng um sich geschlungen, neben ihm stand und ihm den Schirm hielt. Ich sah, wie am Rocksaum seines Talars der Matsch hinaufkroch. Die beiden anderen Männer kannte ich nicht. Wahrscheinlich waren es ehemalige Kollegen meines Vaters, die die Anzeige in der Zeitung entdeckt hatten.

      Die Grabrede zog sich ins Unerträgliche. Ich betrachtete eine Weile die verkümmerten Lavendelblüten auf dem Grab meiner Mutter, das nun auch das meines Vaters werden sollte. Dann zog ich den Ausdruck aus meiner Jackentasche und faltete ihn unter meinem Schirm auf. Die Stimme des Priesters verschwamm mit den Buchstaben auf dem Papier. Von München mit dem Alpenexpress nach Prag. Fahrzeit: Fünf Stunden und neunundvierzig Minuten. Fahrradmitnahme begrenzt möglich. Anschluss nach einer Stunde und vier Minuten. Dann von Prag mit dem Regionalzug nach Turnov. Fahrzeit: Eine Stunde und sechsundvierzig Minuten. Fahrradmitnahme reservierungspflichtig. Anschluss nach sechsundfünfzig Minuten. Dann von Turnov mit dem Bus...

      Ich sah auf. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Der Priester war wohl fertig. Ich faltete den Ausdruck schnell zusammen, steckte ihn zurück in die Tasche und folgte der obligatorischen Prozedur: Ich trat ans Grab, nahm eine Schaufel von dem Schlamm, in den sich der Erdhügel neben dem offenen Grab inzwischen verwandelt hatte, und warf ihn hinunter in die Öffnung. Mit einem Platsch landete er auf dem dunklen Sarg.

      Ich betrachtete kurz die Inschrift auf dem Grabstein: Erich und Martha Mühlenweg. Erst jetzt fiel mir auf: Der Schriftzug Erich und war nicht exakt im selben Schriftstil gehalten wie der Name meiner Mutter. Doch jetzt war es zu spät, noch etwas zu bemängeln. Ich nahm den Koffer, den ich bei mir hatte, den kleinen Käfig, in dem Ben saß, und trat neben die Grube.

      Die beiden anderen Männer folgten meinem Beispiel. Sie traten an die Öffnung, warfen den Schlamm hinunter auf den Sarg und kamen dann auf mich zu. Der vordere streckte mir die Rechte entgegen. Doch ich erhob abwehrend meine Hand und schüttelte den Kopf. In der Anzeige hatte ich ausdrücklich geschrieben: Von Beileidsbekundungen am Grab bitte ich höflichst abzusehen. Der Mann wirkte irritiert, wusste kurz nicht, wohin mit seiner Hand, und trat dann verlegen zur Seite.

      Eine Weile standen wir drei schweigend da, während sich ein gelber Bagger durch den Schlamm auf uns zu wälzte. Ich wollte wissen, ob es noch irgendwas zu tun gab. Doch der Priester nickte mir nur kurz zu und ging dann los. Der Ministrant machte einen Satz, um mit dem Priester Schritt zu halten. Dann verschwanden die beiden im Regenschleier. Ich war erlöst.

      „Gibt es noch etwas zu essen?“ rief der zweite der beiden Trauergäste laut, um das Prasseln des Regens und das Motorengeräusch des Baggers zu übertönen.

      „Tut mir leid“, erwiderte ich. Dann nahm ich meinen Koffer in die eine und Bens Käfig in die andere Hand. „Leichenschmaus gibt es nicht. Ich muss zum Zug.“

      Die Männer wirkten enttäuscht. Doch ich hatte keine weitere Zeit zu verlieren und ließ die beiden beim Bagger zurück, der nun damit begann, das Grab zuzuschaufeln.

      Ich wollte schon den kleinen Pfad zwischen den tropfenden Bäumen hindurch in Richtung Ausgang eilen, da hielt ich noch einmal inne. Etwas abseits bemerkte ich eine Person, die mir bis jetzt nicht aufgefallen war: Im Eingang zu einer steinernen Kapelle stand eine hagere Gestalt. Sie trug ein schwarzes Kleid und ihr Gesicht war von einem dunklen Schleier verhüllt. Die Frau schien mich direkt anzusehen, und obwohl ich schon spät dran war, zögerte ich, weiterzugehen. Aus welchem Grund auch immer diese Gestalt mich so in ihren Bann zog – ich konnte nicht anders, ich musste zu ihr hingehen.

      Als ich in den Eingang der kleinen Kapelle trat, kam es mir kurz so vor, als wollte die Frau vor mir zurückweichen. Doch sie tat es nicht. Beinahe schien es, als hätte sie dieses Treffen erwartet, auch wenn es ihr alles andere als angenehm war. Sie war etwas kleiner als ich und von hagerer, feingliedriger Gestalt. Ich versuchte durch den Schleier hindurch etwas von ihrem Gesicht zu erkennen. Doch vergeblich.

      „Kannten sie meinen Vater?“ fragte ich.

      Die Frau nickte.

      „Sind Sie eine Freundin?“

      Die Frau schien zu überlegen, ob diese Bezeichnung zutraf. Sie kam aber anscheinend zu keinem Ergebnis. Das wunderte mich nicht.

      „Woher kannten Sie ihn?“

      Sie zögerte. Dann antwortete sie ausweichend: „Ich kannte Ihren Vater und Ihre Mutter.“

      Sie sprach sehr leise und ich konnte ihre Stimme nur schwer gegen den lauten Regen ausmachen. Doch mir fiel sofort der leichte Akzent auf, der ihrer Aussprache anhaftete und den ich so gut von meinen Eltern kannte.

      „Kommen Sie auch aus Tschechien?“ fragte ich.

      Wieder nickte die Frau, ohne etwas zu sagen.

      „Kannten Sie die beiden gut?“

      „Sehr gut sogar.“

      Ich trat etwas näher an die Frau heran, um sie besser verstehen zu können. Erneut schien es mir so, als wollte sie vor mir zurückweichen. Im nächsten Moment wehte mir ein sanfter Duft entgegen, der mir irgendwoher bekannt vorkam. Der Geruch irritierte mich für einen Moment und ich versuchte zu begreifen, woher ich ihn kannte. Er war wie das Aufblitzen einer kurzen Erinnerung, die man zu fassen versucht, die einem jedoch sofort wieder entgleitet. Aber die gesamte Erscheinung der Frau irritierte mich. Wer war sie? Woher kannte sie meine Eltern? Und was an ihr zog mich so in ihren Bann?

      Die Frau sah hinab auf meinen Koffer. „Sie verreisen?“ fragte sie.

      Diesmal war ich derjenige, der nur nickte.

      „Ihr Vater ahnte, dass das eines Tages passieren würde.“

      Ich sah die Frau überrascht an. „Dass was passieren würde?“

      Sie

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