Sophies Erwachen. Anna Bloom
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„Die Uniform soll die Gleichheit unter den Schülern fördern. Sie sollen ganz unabhängig von der Herkunft der Eltern Freunde werden und zusammen lernen“, erklärte mir Barbara mit etwas Pathos den Grund für die Uniform.
Die Preise für die Uniformen waren gepfeffert. Welche ärmeren Familien konnten sich diese Kleidung, ohne mit der Wimper zu zucken leisten, fragte ich mich. Die Gleichheit ihrer Kinder bezahlten sie, indem sie auf andere Dinge verzichteten.
Stephanie glaubte meine Meinung über Uniformen richtig gedeutet zu haben und klärte mich verständnisvoll auf: „Du kannst die hässlichen Klamotten aufmotzen, Sophie. Mit schönem Schmuck und Schuhen siehst Du wieder human aus.“
„Das ist ja das Problem. Deswegen gibt es ja keine Gleichheit. Ich meine, jeder, der es sich leisten kann, findet einen Weg, sich ungleich zu machen. Die Reichen sehen dann reich aus und die Armen arm. Oder?“, gab ich zu bedenken.
„Du hast teilweise Recht, Sophie. Aber bei uns in Blenheim haben wir das Glück, dass die Unterschiede nicht so groß sind. Die Menschen leben ganz gut von den Plantagen und die Schule ist sehr gut ausgestattet“, erwiderte Barbara.
„Wieso dann überhaupt eine Uniform?“, fragte ich.
„Das frage ich mich auch, Mutter! Sophie hat Recht“, fügte Stephanie hinzu.
„Ich freue mich, dass Ihr kritisch urteilen könnt. Aber es ist die alte Tradition aus England und Vorschriften sind nun mal Vorschriften“, wiegelte Barbara ab.
„Ist ja egal. Ich bin schon sehr gespannt auf die Schule“, sagte ich versöhnlich und ließ mir die Uniform, die ich anprobiert hatte, einpacken. Barbara fragte mich, ob ich genügend Sportsachen für den Sportkurs dabei hatte. Ich hatte mich während der Autofahrt, nach einer Diskussion mit Stephanie für den Kurs „Outdoor-Activities“ entschieden. Ein ähnliches Fach hatten wir in Deutschland nicht. Beim Klettern, Radfahren und Wandern würde ich draußen in der Natur sein und könnte die Gegend rund um Blenheim erkunden. Aber die vielfältige Ausrüstung, die man für Outdoor Activities brauchte, hatte ich in meinen zwei Koffern nicht dabei. Stephanie machte eine lange Liste von Dingen, die ich brauchen würde und wir stürzten uns in einen Outdoor-Laden, während Barbara einige geschäftliche Dinge regelte und im Supermarkt einkaufen ging. Wir verabredeten uns zur gemeinsamen Heimfahrt.
Bei der Anprobe fühlte ich mich in den Sportklamotten wohl, obwohl ich die Befürchtung hatte, als untrainierte Deutsche mit einer Vorliebe für elektronische Musik bei den Outdoor-Junkies in Blenheim etwas aufzufallen und bei den Wanderungen notorisch als Letzte in der Gruppe anzukommen. Schlimmer noch: Nach einem Berganstieg vom Lehrer Mund-zu-Mund beatmet zu werden und dann zur Lachnummer der gesamten Schule zu mutieren. Ich schaute mich im Laden um. Die Menschen hier sahen locker und sportlich aus, so als ob sie die Bewegung an der frischen Luft im Mutterleib aufgesogen hätten. Ich wanderte nur selten mit meiner Familie, mit meinen Freunden sowieso nicht und die Radwege in Frankfurt waren keine wirkliche Herausforderung. Definitiv hatten sie nicht im Geringsten etwas mit Mountainbiking zu tun. Ein Kanu hatte ich auch noch nie im Leben gesehen, geschweige denn ein Paddel in der Hand gehalten. Das wird noch lustig, dachte ich Großstädterin zynisch. Aber wenn man mich in meinen neuen Sportklamotten sah, sah man mir nicht an, dass ich keine langen Trainingsjahre auf dem Buckel hatte.
„Du siehst fantastisch aus, Outdoor-Schneewittchen“, kommentierte Stephanie mein Outfit und spielte dabei auf meine langen schwarzen Haare und der nicht so häufig mit Luft und Sonnenschein in Berührung gekommenen hellen Haut an. „Rot steht Dir übrigens sehr gut. Nimm das zweite Outdoorshirt mit und das Langärmlige auch. Es kann ja auch mal regnen, dann brauchst Du was Wärmeres und was zum Wechseln, wenn Du nass geworden bist.“
„Gut, dann nehme ich noch die Hose, die Wanderstiefel, die Wandersocken, die Trinkflasche, den Regenschutz für meinen Rucksack und die Radlerhose.“ Das letzte Wort betonte ich etwas abfällig.
„Sieht spitze an Dir aus. Die Jungs werden eine Runde länger gucken als sie es sowieso tun werden, wenn Du Dich auf Dein Rad schwingst.“
„Nur, um über mich zu lachen, meinst Du. Übrigens: Es gibt garantiert keine Fotos von mir in Radlerhosen, Stephanie, sonst ist mein Ruf in Deutschland ruiniert“, warnte ich sie vor.
„Das kann ich Dir nicht garantieren, meine Liebe. Wenn nicht ich Dich erwische, dann Miss Hays, die Outdoor-Lehrerin. Sie fotografiert wie wild im Kurs und stellt die Fotos online. In der Schulzeitung gab es auch ein Gruppenfoto vom Outdoor-Kurs. Insofern musst Du Dich damit abfinden, dass Dein Arsch in Radlerhosen bei einer breiten Öffentlichkeit beliebt wird.“
„Wir werden schon sehen, wer den Kampf um die Fotos gewinnt“, sagte ich. Dann fiel mir das Wesentliche auf. „Ich habe doch gar kein Fahrrad“, rief ich.
„Keine Sorge. Es gibt einen Fahrradladen hier um die Ecke. Da habe ich meins auch gekauft.“
„Dann gehe ich an die Kasse. Ich glaube, ich habe alles.“ Die Preise auf den Etiketten klangen überirdisch hoch, aber das musste an der anderen Währung liegen. Ich hatte von meinem Vater eine Kreditkarte bekommen, mit der ich alle meine Ausgaben in Neuseeland bezahlen konnte. In Deutschland hatte ich keine Karte, sondern bekam das Taschengeld jede Woche bar auf die Kralle.
Die rothaarige Kassiererin war wie ein wandelndes Werbemaskottchen von Kopf bis Fuß in Outdoor-Klamotten gehüllt. Ich erkannte sie nur an ihrem kleinen Namensschild als Mitarbeiterin des Ladens. Ihr freundliches Gesicht war mit Sommersprossen übersät und sie hatte eine gemütliche neuseeländische Art, die sich auch in ihrer Sprache niederschlug. Leider konnte ich die lang gedehnten Vokale und am Ende eines jeden Wortes willkürlich veränderten Klänge nur mit Mühe in meinem Schema von Englisch wiedererkennen. Sie sah mich verdutzt an, als ich hilflos dastand und entschuldigend den für sie entscheidenden Satz hervorpresste. „Sorry, I’m from Germany. I didn’t understand you.“ Ich kam mir wie ein Vollidiot vor und wollte, dass die Erde sich öffnete und mich in ihrer Tiefe unter viel Schutt begrub. Meiner Meinung nach sprach ich gut Englisch und verstand noch viel mehr. Immerhin sah ich sämtliche DVDs in der Originalversion, ohne Untertitel. Aber dieser Dialekt war mir noch nicht untergekommen. Die Kassiererin lächelte mich entwaffnend an und versuchte ihr bestes British English heraus zu kramen, um sich verständlich zu machen. In meinem Hirn ratterte es wie wild, bis ich endlich glaubte das Gesagte interpretieren zu können. Es war der Preis der Ware und die Frage, ob ich Bar oder mit Kreditkarte bezahlen wollte. Ach Du Schande. So einfach war es und ich hatte gleich am Anfang total versagt. Mir wurde schwindelig bei dem Gedanken, den ganzen Tag über Shakespeare, Kolonialgeschichte und Gemeinschaftskunde in diesem Dialekt sprechen zu müssen. Geschweige denn, wie ich ohne etwas von dem zu verstehen, was die Jugendlichen in ihrem ganz eigenen Slang von sich gaben, Freunde finden sollte.