Geisterhäuser. Sanne Prag

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Geisterhäuser - Sanne Prag

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Aber er war sicher zu sehr mit seiner Ermordung beschäftigt, um sich mit Kartoffeln und Austern zu befassen.

       Deckung suchend lief Ezra zu dem nächsten Haus, dem „Jagdschloss“. Sein Ziel in völligem Dunkel. Ein Bau mit hohem Mittelteil und zwei lang gestreckten Seitenflügeln. Ein ganzes Heer von Schornsteinen erhob sich schlank, weiß und wohlgeformt im Mondlicht über dem Dach, nicht für Störche, nicht für Rauchfangkehrer, nur reine Romantik, verbunden mit der Illusion von rauchenden Öfen.

       Er war ganz sicher, dass dort den ganzen Abend lang kein Licht gebrannt hatte. Deutlich war sein Licht zu sehen, in der Küche. Dort hatte sich nichts verändert. „Der“ lauerte noch hinter der Treppe!

       Einlass ins Jagdschloss war gefragt. Das Schloss der großen Flügeltüre war eine schwierige Sache – auch Wolfgang hätte das nicht aufgekriegt. Er ging nach rückwärts in den Hof, am Kegel aus Pferdemist vorbei und zu der kleinen Türe, die er früher gesehen hatte. Der Nagel tat seinen Dienst und er war drin. Ein kleiner Gang - das Licht ging an – er hatte es nicht aufgedreht! Strahlende Helle umgab ihn. Sein Atem erstarrte. Sein Herz wurde zu Stein. Kein Fenster, nur rechts und links eine Türe. Die Panik verschnürte seine Brust, der einzige Fluchtweg war die Türe ins Freie. Dann sah er die Anlage – ein Bewegungsmelder mit Licht. Er veratmete den Adrenalinspiegel und schaute hinter die Türen.

       Rechts waren Stallungen. Da lag noch Stroh. Er schloss diese Türe wieder. Die andere führte in ein Zimmer. Oder sollte man es Salon nennen? Er konnte einen nicht sehr großen Raum im blassen Licht des Vorraums erkennen. Die Fenster gingen auf den Hof. Haus 1 war nicht zu sehen. Er schlüpfte zuerst vorsichtig in den Raum und sah aus der hohen Fenstertüre. Da war keiner. Licht an – eine Orgie in Rot und Gold. Möbel im nachgestrickten Renaissancestil, ein bisschen auch Barock, sahen ihm und seiner Furcht ungeduldig und leicht gereizt zu. Reich geschnitzt waren die Möbel, sie wirkten nervös. Es war an nichts gespart worden. Vor allem nicht an Mustern. Diese Pracht nahm ihm irgendwie die Luft zum Atmen. Ein viel zu großer Luster, wie aus einer Hotelhalle, mächtig, birnenförmig und sehr golden, hing dicht über dem geschnitzten Tisch, so dass nur wenig Platz über der Platte blieb, und die Tapete ließ keinen Zentimeter des Raumes ungemustert. Ein offener Kamin, umkränzt von einer steinernen Rosenranke, hatte kaum Platz. An der Decke waren Stuckornamente, und eigentlich war der Raum für dieses Massenaufgebot an Farbe, Form und Ornament viel zu klein. In der Vielfalt erstarrt, fühlte er sich von fremden Gedanken eingekreist, die hektisch auf ihn einredeten, aber er konnte nicht verstehen. Es war zu viel. Hörte er Schritte? Atmete jemand? Das Zimmer erzählte mühselige Geschichten. Ein gefesselter Besucher musste zuhören, durfte nicht aufstehen und gehen. Hier hatten Freiheit, Luft und auch der Raum jedes Recht gegen das Ornament verloren.

       Wer bitte machte so ein Zimmer? Ezra wollte dringend wieder raus. Als er die Türe in den Gang öffnete, ging das Licht wieder an und löste prompt eine neuerliche heiße Krise in seinem Bauchraum aus. Die Räume nach vorne hinaus waren ihm zu unsicher, man konnte ihn womöglich von Haus 1 sehen. So wanderte er in den anderen Seitenflügel - in die Stallungen.

       Dort war ein Wohnsalon für Pferde. Der Vollmond schien inzwischen hell durchs Fenster. Nicht überall war der Boden betoniert. Es gab Stellen mit nacktem Lehm, da konnte man Abdrücke von Hufeisen erahnen. Untertags kam Licht durch die hohen Fenstertüren. Futterkrippen aus Holz, geschnitzt mit runden Kanten und seidig glänzenden Flächen, durch den Gebrauch poliert. Glänzende Holzteile trennten eine Box von der nächsten. Ezra sah förmlich die samtweichen Nasen darüber streichen, die glänzenden Leiber an ihnen entlang reiben. Es war kein Tier da, aber der Raum atmete Pferd. Wo waren sie? Auf der Weide? So vornehme Pferde konnten doch nicht nachts im Freien bleiben. Er zählte sechs Plätze. Als er eine Krippe berührte, spürte er Staub – sie waren nirgendwo.

      NACHT

       In der Ecke war ein großer Strohhaufen aufgeschichtet. Er roch feucht und ein wenig nach Alkohol. Am Ende des Raumes an der Wand hingen Sättel und Zaumzeuge und Pferdedecken. Er nahm sich eine, breitete sie über das Stroh und kletterte zufrieden in seinen Schlafsack. Genau richtig. Falls ihn einer erwischte, demonstrierte er Bescheidenheit. Er schlief bei den Pferden, nicht anmaßend im Bett des Bewohners. „Wer hat in meinem Bettchen geschlafen? Niemand!“ Von seinem Schlafplatz konnte er das erste Haus sehen. „Sein“ Licht brannte noch, genauso wie er es verlassen hatte. Der mit der Schrottflinte konnte lange warten! Ein kurzes Gefecht zwischen Beunruhigung und Zufriedenheit, und Ezra schlief.

       Im Traum kam ein „Leintuchgeist“ auf ihn zu. Ezra war sich voll bewusst, dass es sich um einen Leintuchgeist handelte. Als Kind hatte er erkannt, dass Tiere in Gruppen und Ordnungen eingereiht wurden, und er fand es daher richtig, dass man das mit den vielen Geistern auch tat. Leintuchgeister schwebten unter einem Leintuch, hatten zwei schwarze Augenlöcher, und dieser Spezielle hatte auch Füße. Die steckten in langen schmalen Schuhen, etwa einen Meter lang und schwarz mit einer schwarzen Quaste an der Spitze. Es waren Schnürschuhe und über dem rechten Knöchel hatte er eine rote Wunde. Er hatte etwas wie einen breiten Zylinder auf dem Kopf und im Arm hielt er schwarze Babies mit runden Augenlöchern. Sie erinnerten an das schwarze Baby der Madonna. Es war sehr beunruhigend. Alkoholische Hitze stieg hoch. Angst wickelte ihn ein.

       Mit heiserer Stimme sagte der Leintuchgeist mit Schuhen: „Komm her zu mir“. Ezra wollte nichts wie weg. Aber seine Füße konnten sich nur ganz schwer und langsam bewegen, er kämpfte wie in zäher Masse steckend und konnte mit aller Kraft nur zentimeterweise seinen Fuß vorwärts bringen. Eine schwarze Knochenhand kroch unter dem Leintuch vor und bewegte sich auf ihn zu. Der Geist hatte drei Hände. Zwei hielten die Babies und eine langte nach ihm. Die Panik verteilte sich brennend im ganzen Körper. Da beschloss er, aufzuwachen. Er drückte fest die Augen zu und wusste, davon wurde er aus diesem furchtbaren Land hinausgeschwemmt und meist in sein Bett. Manchmal auch in ein anderes Land. Alles war besser als der Geist, der nach ihm griff. Er wachte auf, den Geruch von Pferd und Alkohol in der Nase. Es war schon hell.

       Er rollte von seinem Strohhaufen und ging ans Fenster. Die Gipfel der Berge im Westen waren goldfarben. Sonst lag alles ruhig. Es war also ziemlich früh. Er sah zu dem geschnitzten Haus hinüber. Dort brannte „sein“ Licht unverändert. Das konnte doch wohl nicht sein! Er war vor einem knarrenden Balken geflüchtet.

      MORGEN

       Nun schien er hier der Boss zu sein, nicht der Gejagte. Er war allein, bis auf den Geist einer ermordeten Frau im ersten Stock von Haus 1.

       Er ging über den Hof zu der Häusergruppe in der saftig grünen Wiese. Diese Gebäude waren niedrig und breit, mit tief herabgezogenen Dächern. Dick und beschaulich schliefen sie unter ihren gewaltigen Hüten in einer kleinen Senke.

       Wie Gott wollte er seinen neuen Besitz benennen. Er gab der Häusergruppe den Namen „das Kloster“. Wo er geschlafen hatte, war das „Jagdschloss“. Das vierte Gebäude aus rotem Backstein nannte er „Fabrik“. Es glich aber auch einer missratenen Kirche. Auf einer Schmalseite erhob sich ein wuchtiger Turm, drei Stockwerke hoch, mit Kupferdach. Er konnte keine Türe sehen. Noch schlaftrunken machte er sich auf, in der Hoffnung auf einen Menschen, der ihm die Sache erklären konnte. Aber er plante gleichzeitig die Erforschung allein. Herr über vier prachtvolle Häuser auf Zeit. Er fühlte sich wie ein mächtiger König, der zwischen seinen Schlössern wählen konnte.

       Gerade da schrumpfte seine Welt auf einen Ort zwischen Brustbein und Nabel. Sein Zentrum war in dem Moment ein sehnsüchtiges schwarzes

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