Geisterhäuser. Sanne Prag

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Geisterhäuser - Sanne Prag страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Geisterhäuser - Sanne Prag

Скачать книгу

Entfernung einzustellen. Was er sah, hatte mit Kreuzweg zu tun, aber nicht im Sinne der Kirche. Zwei junge Frauen und einen Mann zeigte das Bild. Die Geschlechtsteile waren mit besonderer Sorgfalt gemalt, rötlich aufgeschwollen. Der Mann hatte die Hand zwischen den Schenkeln der einen und lag mit dem Kopf zwischen den Schenkeln der anderen. Das Bild hatte eine Weichheit, eine Unschärfe, aber es hatte kein Geheimnis. Ezra stand da, bewegungsunfähig, staunend und langsam baute sich Spannung unterhalb seines Gürtels auf. Gedemütigt erlebte er, wie sein Körper selbstständig wurde. „Flucht!“, schrie etwas in ihm. Da sah er dankbar ein kleines Mädchen am Ende des Kreuzganges. Sie stand im Licht, voll von der Sonne beschienen und schaute zu ihm. Es war ein sehr blasses kleines Mädchen von etwa sieben Jahren.

       Und Ezra ging erleichtert zu ihr.

       Jetzt würde er endlich erfahren, was hier abging. Jetzt würde er Klarheit finden. Sie stand ganz ruhig da und schaute ihn unverwandt an. Er sah die halblangen dünnen Haare und grüngraue Augen. Ihr Gesicht war ernst und völlig ruhig. Er musste das Eis alleine brechen, sie half ihm nicht.

       Ich bin Ezra“, versuchte er. Sie stand bewegungslos. „Ich bin hier zu Besuch“, experimentierte er weiter. Sie schaute ihn an und dann kam ganz langsam Bewegung in ihre Hände. Sie rieb ihre Handflächen am Rock. Ihr Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Ihm fiel nichts mehr ein, was er noch sagen konnte. Sie rieb weiter ihre Handflächen am Rock. „Ich suche Petersilie“, sagte er, hauptsächlich um der Stille nicht die Macht zu lassen. Immerhin entsprach das den Tatsachen – er suchte Petersilie. Um sie nicht dauernd anschauen zu müssen, ließ er seinen Blick über die Wiese schweifen. Seine Augen wanderten aus dem Kreuzgang hinaus. Ein großer, runder, grüner Fleck reichte über den Hang hinauf. Das Gras stand hoch, wahrscheinlich eine Quelle. Acht Obstbäume wuchsen schon seit Jahren hier. Einer war mit Flechte bewachsen und wirkte dünn und krumm. Bioäpfel, dachte Ezra, und erinnerte sich an die kleinen, wurmigen, verschrumpelten Äpfel, die Tante Rena als „gesundes Bioobst“ herumliegen hatte. Als Kind empfand er das als Beleidigung seiner wohlorganisierten Herrschaft. Es war die Aufgabe, den König zu füttern, und da bot man ihm so schäbige Verlockungen!

       Er spürte Bewegung an seinem linken Bein. Vorsichtig schaute er hinunter, da stand das Mädchen mit einem Strauß Petersilie in der Hand. „Sie versteht mich…“ – War ein gutes Gefühl. „Ich bin so froh, dass Du mir geholfen hast. Selbst hätt‘ ich das wahrscheinlich nie gefunden.“ Er setzte sein bestes Strahlelächeln auf. Alle Lehrer hatte er damit rumgekriegt. Sie blickte ihm ganz ernst in die Augen, drehte sich langsam um und ging Richtung Tal. Er stand da mit leeren Händen, obwohl er den Strauß Petersilie hielt. Sie verschwand nach dem nächsten Gebäude. Das war eine Scheune oder ein Stall. Weg war sie, und hinterließ keine Antwort, nur viele Fragen.

      NACHMITTAG

       Ezra war am Überlegen, wie er vorgehen wollte um das Geheimnis zu lüften. Wo überall konnte er Informationen sammeln? Mit Sicherheit im Tagebuch in Haus 1. Möglich wäre auch ein Fund im Haus der Pferde. Die Fabrik war karg und leer, er konnte sich nicht vorstellen, dass dort noch etwas war, außer dem einsamen Blatt Papier mit dem „Grauenhaften“. In den Räumen vom „Kloster“ war er noch nie, aber die Kreuzwegstationen hatten leise Panik in ihm hinterlassen. Diese Häuser wollte er nicht durchsuchen.

       Er ging mitten durch den Hof, im weiten Bogen um die Bilder. Sein Kopf funktionierte in der Sache sicherer als sein Körper. Sein Hirn gehorchte scheinbar, sein Bauch und was er darunter mit sich trug, nicht.

       Der Dunghaufen im Hof des Pferdehauses war ihm freundlich gesinnt. Die Türe ließ ihn ins Haus. Er merkte, dass er den Türen inzwischen Persönlichkeit zuschrieb. Manche waren ihm zugetan, manche mobbten ihn. Auf seiner Forschungstourl wendete er sich links in den Wohnbereich hinein. Das Zimmer mit dem bedrückenden Lüster sah im Tageslicht nicht weniger eng und überladen aus. Die gemusterte Couch vor der Barocktapete wirkte wie ein Reptil, das sich in unruhigem Blattgewirr nicht erkannt fühlen wollte. Er legte die Petersilie auf den glänzenden Mahagonitisch und suchte nach einer Lade. Da war keine. Die Petersilie blieb liegen und er ging weiter. Der Raum gegenüber war sehr groß und voll Matten und Geräten. Ein Sportraum. Kein Glück der Körperlichkeit, eher ein Vorwurf an den Faulen, Stress für Dicke. Ein offener Kamin blickte leer und gelangweilt auf die Sportgeräte.

       Die nächste Türe führte in eine Küche. Mit Küchen hatte er inzwischen gute Erfahrungen gemacht, aber diese war ganz anders. Sie war klein und eng und ohne Fenster. Von Ernährung keine Spur, von Lust noch weniger. Eine absolut glatte, sterile Küche. Flächen zum Reinigen, Nirosta, perfekt gestylt. Er wusste sofort, dass hier nichts Interessantes gekocht wurde. Hier entstand Steriles. Diese Küche betrat kein Fremder, keiner auf der Suche. Hier gab’s kein Experiment und kein Papier. Ein seelisch unbenützter Raum. Er musste wieder in den Sportraum und dann in den gemusterten Salon, die einzige Verbindung dieser Küche war zum Sportraum. Wie wenig anregend!

       Die zweite Türe war seine nächste Aufgabe. Neugierig schaute er um die Ecke. Vergessen war, dass er Eindringling, Fremder und unberechtigt war. Er betrat einen schönen, großen Raum. Drei hohe Fenstertüren, an jeder Seite eine. Der Raum war das Ende eines Flügels. Eine der Türen führte zum kleinen See, eine blickte zu Haus 1 und eine in den Hof. Üppige Vorhänge, deren prachtvoller Überfluss sich auf dem Boden staute. Teppiche. Alles war reine, gediegene Pracht. Es gab viel Raum dazwischen. Eine Staffelei. Ein Schreibtisch, ein Kasten, ein niedriges langgestrecktes Möbel, ein Sekretär, ein leerer, dunkler Kamin ohne Rosengirlanden. Hier gab‘s Papier! Beschriebenes Papier, als Endlosschleife in die Seele und aus der Seele – es lag in Stößen. Der Schreibtisch war versperrt. Kein Problem! Ezra wurde rücksichtlos und besorgte sich einen von den kleinen alten Dosenöffnern in der Küche. Den klopfte er mit einem Fleischerhammer kürzer, bis er passte. Wild geworden in seiner Gier nach erklärenden Worten.

       Ein bisschen Fummeln am Schreibtisch und drin war er. Die oberste Lade enthielt Unterlagen in Bezug auf das Haus. Es war nur zwei Jahre alt. Das Grundstück war erworben von einer Hilde Wanda, abgekauft einem Holger Molc – wahrscheinlich ein Bauer in der Gegend, dem die Alm gehörte. Bauunterlagen, Pläne, Preise, Baumeister, Gemeinde usw. Dieses Haus war neu gebaut? Abgesehen davon, dass jedes Haus einmal neu gebaut werden muss, hätte er das nicht erwartet. Unter den Papieren lag ein Brief:

       Ich möchte an Deiner Schulter riechen, an Deiner linken. An den kleinen Salzkörnchen in Deiner Achsel die Nase reiben. Deine Haare kitzeln wieder auf meiner Haut und langsam wird es dunkel vor dem Fenster. Ich denke, dass uns jetzt nichts mehr hindert. Gib mir Deine weiche Seele, leg sie auf meine Brust und hilf mir zu atmen.

       Wer wollte die Nase an wessen Salzkörnchen reiben? Die Schrift war fetzig, mit ziemlichen Druckunterschieden. Der Brief hatte kein Datum und konnte von irgendwann und irgendwo in diese Lade geraten sein. Er wurde hier aufgehoben. Warum? Er konnte aber nichts belegen, nichts beweisen denn es stand kein Name darauf. Konnte er zur Rechenschaft gezogen werden? Er war Gefühl, Aufforderung, Sehnsucht, warum also lag er in dieser Lade? Er schien dort ein heimliches Dasein zu haben unter den Papieren für Rechtsanwälte und Notare. Man konnte ihn nicht wegwerfen und nicht herumliegen lassen. War das Eitelkeit oder Liebe, war hier die Frage.

       Plötzlich fiel ein Schatten auf die Papiere und Ezra erschrak heftig. Ein Brennen wie von einer Narkose zog seine Schläfen nach innen und sein Herz pumpte hart, nachdem es eine Runde ausgesetzt hatte. Er hob seinen panischen Blick. Durch das Sonnenfenster schaute eine Kuh.

       Er warf alles eilig in die Lade zurück und lief aus dem

Скачать книгу