Geisterhäuser. Sanne Prag

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Geisterhäuser - Sanne Prag

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war ganz leicht… Ja natürlich! Dort genau! Wo gibt’s Frühstück? Er wusste wo! Die großartige Küche in seinem Holzschloss - Haus 1.

       War das zu riskant? War vielleicht doch jemand drin?

       Der Platz zwischen den Häusern lag inzwischen im strahlenden Sonnenschein. Seine Türe hatte sich verschlossen. Er hatte fast damit gerechnet. Da war doch jemand. Oder hatte sein Mordopfer zugesperrt? Er war aber jetzt Jäger, nicht mehr Gejagter. Der Nagel, die Halle, nahm ihn in Empfang. War sie noch da? Ezra zwang sich die Treppe hinaufzusteigen und sagte dazu halblaut in Abständen „bitteschön…“ dann wieder lauter „Bitteschön!“. Das war der Anfang eines Satzes, der Gott sei Dank nicht notwendig wurde. Beim Stehlen in den Supermärkten hatte er gelernt, was Sicherheit war. Unschuldige blaue Augen, sanfte Stimme und eine erstklassige Ausrede – das sollte auch hier helfen. „…aber liebe gnädige Frau, ich habe nach Ihnen gesucht, laut gerufen, während ich die Treppe hochstieg, was hätte ich denn sonst noch machen können, ein Glas Milch, oder vielleicht nur Wasser – der Brunnen läuft nicht…“ Er erreichte die erste Etage, das Geländer fühlte sich staubig an. Staub sammelte sich an seinen Fingerkuppen. Ein kleiner Platz wölbte sich vom Treppenabsatz in den Bauch des Hauses. Am Boden der rote Kelim, der ein bisschen rutschte, und etwa drei Meter weiter die weiße Kontur – nur die Kontur.

       Man hatte die Leiche weggebracht und das Haus zugesperrt – schon vor längerer Zeit.

       Konnte man behaupten, dass er zurückgekehrt war an den Ort eines Verbrechens? Gab es eine wirklich gute Ausrede dafür, den glaubwürdigen Beweis, dass er den Mord nicht begangen hatte? Er wusste eines, dieses Geländer hatte länger keiner angegriffen. Der Mord war vielleicht schon verjährt. Er kehrte um und ging in Richtung Küche. Er musste in Ruhe denken. Das war die Aufgabe, aber zuerst kam sein verzehrender Hunger.

       Sie, die Üppige, die Fürsorgliche, empfing ihn in all ihrer Schönheit, wie ein rundes, braunes Weib mit großen Brüsten. Er konnte verworfen, gierig, rücksichtslos sein, sie war mächtig und bereit. Was für eine Art von Mord konnte das oben an der Treppe gewesen sein? Erschossen? Erwürgt? Mit Sicherheit kein Messer, denn sonst hätte einer doch wohl dieses Messer genommen, das da auf dem Brett lag, zum Mordinstrument geschaffen.

       Heute kein Pardon für diese Küche, er war der Mann, der dieses Weib entweihte. Die Erotik eines duftenden Schinkens nahm ihn gefangen. Das Damaszenermesser schnitt tief in den mürben Speck, und dazu Zwieback – mönchisch! Nicht nur pure Gier, die intellektuelle Verworfenheit dazu, die unter dem Deckmantel der Teufelsaustreibung den Phallus in die fetten Frauen senkt und Askese predigt. Bei jedem Bissen in den Zwieback fühlte er sich als Gottes Liebling, obwohl er ein Dieb war. Wieso oben an der Treppe? Hatte der Mörder die Ermordete verfolgt? Er fand Suppe in einer Dose. Die Salzlacke von seinen gestrigen Kartoffeln bildete eine feine weiße, ungestörte Wolke auf dem roten Boden.

       Er fasste sich ein Kupfergeschirr mit Stiel. Der Herd produzierte keine rote Lampe – es war also nicht damit zu rechnen, dass er Suppe wärmte – Suppe kalt - nicht besonders erotisch besetzt. Denn die Lust und die Hölle fand man in Hitze, Sex und Fleisch. War das im ersten Stock eine männliche oder eine weibliche Kontur? Es war eine menschliche Kontur, mit Sicherheit, ob männlich oder weiblich war nicht so wichtig. Einem Menschen war Schreckliches zugestoßen, und er wollte herausfinden, was passiert war. Er könnte einfach ins nächste Wirtshaus gehen und fragen. Dort würde er die ganze Gerüchtesammlung bekommen.

       Er wollte im nächsten Dorf fragen, aber nur mit Wissen in der Tasche. Der Mord war sicher schon vor einiger Zeit passiert. Er schlürfte die kalte Suppe aus einer zarten chinesischen Schüssel - durchscheinend weißes Porzellan.

       Der Hof zwischen den Häusern lag still in der Sonne. Nichts regte sich, der See war ruhig. Er beschloss, das Haus gründlich zu durchsuchen, nicht wie die Polizei. Die staatliche Macht hatte nach Blut, Fingerabdrücken, Briefen, eventuellen Rechnungen gesucht, um einen Mord aufzudecken. Er wollte wissen, was für Gefühle hier gelebt hatten. Gefühle, die vielleicht geblieben waren, nach den Menschen.

       Er dachte an die schöne glänzende Holzplatte des Birnenholztisches, das Geräusch des Sessels, wenn man ihn über den Boden zog, und wie in Trance griff er unter die breite Tischpatte. Er wäre nie darauf gekommen, dass da eine Lade war. Man sah keine. Da war kein Griff, kein Knopf, kein Zeichen einer Lade, aber die Tischkante ließ sich ziehen. Im Gedanken an Brot zog er, in der Öffnung lagen einige Krümel, aber kein Brot, doch aber ein Stift und ein dickes, festes Heft – ein Kochbuch?

       Er öffnete den Deckel. Die Seiten waren mit einer eckigen Schrift bedeckt. Manche Buchstaben waren zerknittert. Obenan stand: Zwiebeln kann man auch in dieser Höhe ziehen. Dann folgte: Getrocknete Perlpilze zeigen ein wunderschönes Altrosa, wie die Wäsche meiner Großmutter. ---- Hab probiert, ob Fliegenpilz nun giftig ist oder nicht – habe aber nicht viel davon gegessen, mir wurde mulmig, weiß aber nicht, ob ich‘s mir nur eingebildet habe. ----

       In guten Schwarzbrotteig muss man Kartoffeln geben – wird saftiger….

       Hier war der Geist, den er treffen wollte. Er hatte Tagebuch geschrieben.

      VORMITTAG

       Ezra wollte noch Kompott, wollte aber auch das Tage-Kochbuch nicht verlassen. Im Aufstehen warf er dem Buch noch ein unsicheres Lächeln zu – der Geist einer energischen, etwas verschlossenen Mittfünfzigerin lächelte zurück. Dieses Buch lief nicht weg – hier lief gar nichts weg. Alles blieb, wo es war, sogar der leere Umriss einer Leiche. Er ging in die Speisekammer und als er ein Glas Birnen in der Hand hatte, schaute er es voll Abscheu an. Er wollte natürlich nichts Süßes, wie konnte er nur auf Kompott kommen. Man war ja schließlich kein Vieh, schoss ihm durch den Kopf, irgendwas musste einem doch verdammt nochmal beweisen, dass man höheren Geistes war! Ezra stellte die Birnen kleinlaut wieder zurück. Der Beginn einer Persönlichkeitsspaltung? Er hatte Birnenkompott bisher immer gemocht. Aber da war eine zweite Person, die mochte es nicht. Er hatte das Gefühl, dass fremde Gedanken aus der Küche in seine drängten, nie hatte er eine so abfällige Beziehung zu Birnenkompott gehabt. „Höheren Geistes“ war ein Begriff, den er nie verwendete, es war als hätte ein Anderer aus ihm gesprochen – ein Zweiter. Gleichzeitig nahm der feine Geschmackssinn eine völlig neue Bedeutung an. Unverständlich schien ihm, dass er das bisher nicht so wahrgenommen hatte, er war doch ein Kulturwesen. Essen war ein kleines tägliches Glück, und er war so engstirnig, diese Freudenquelle nicht auszubeuten. Man hatte Körper, man hatte Magen und man hatte ihn in dieser Welt, wer weiß schon, was die nächste brachte.

       Plötzlich drängte es ihn in Richtung Keller. Im selben Moment wusste er, wo der Keller war. Er durchquerte die Halle. Vorsicht! Die Stufen begannen gleich hinter der Türe! Er sah die enge Treppe hinab und streckte in blinder Selbstverständlichkeit die Hand nach dem Lichtschalter aus, der unsichtbar am Türrahmen angebracht war. Das Licht zeigte ihm ein gewaltiges Gewölbe. Jeder Winkel, jede Wand war mit Regalen vollgestellt. Manche waren leer, manche enthielten nur einige Flaschen. Zwei waren ganz voll. In dem war Champagner. Er wusste, dass er Champagner nicht mochte. Das war das, was man zu Anlässen trank, obwohl man zu viel Magensäure bekam. Ezra hatte bisher wenig über die Weisheit des Weines gelernt, zu Champagner hatte er bisher eine eher neutrale Beziehung gehabt.

       Er griff zielsicher in eines der fast leeren Regale. Am Boden ringelten sich

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