Geisterhäuser. Sanne Prag

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Geisterhäuser - Sanne Prag

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      MITTAG

       Langsam ging er zurück. Fast erwartete er, die Türe wieder geschlossen zu finden, aber sie war weit offen und niemand da. Das Buch lag aufgeschlagen auf dem Tisch. Habe schon wieder abgenommen – stand da – Ich frag mich, wo das alles hinrutscht. Jetzt habe ich nur mehr 58 kg. Dabei soll Alkohol angeblich nuuuur Kalorien haben – ich sollte fett und rot davon werden. Esse gut, bin praktisch nie nüchtern und meine Haut hängt um mich rum wie ein leerer Sack.

       Tollkirschen essen ist komisch, man sieht schlecht drauf.

       Dann folgte ein sehr langes Rezept über Wildpastete in Blätterteig. Vom Großteil der Kräuter hatte Ezra noch nie gehört. Es klang für ihn wie ein Geheimrezept zum Einbalsamieren von Mumien. Er nahm den Wein in kleinen Schlucken, er schmeckte schwer und ölig, sündig verlockend. Die zweite Person hatte wieder Einzug in seinen Körper gehalten. Sie liebte roten Wein, wahrscheinlich schmeckte er deswegen. Seine Muskeln fühlten sich warm und träge an, seine Fantasie projizierte auf den Alkoholnebel bunte Bilder.

       Jetzt kann ich es nicht mehr lange aufschieben- mir geht es immer schlechter stand da. Was konnte sie nicht aufschieben? Aber das stand nicht da.

       Ein Rezept für Truthahn gefüllt mit Preiselbeeren, Semmel, Wein und Wild. Und dann stand da:

       Ich sehe, dass Hela in einer schwierigen Situation steckt – kann ihr sowieso nicht helfen, jeder muss seinen Kram alleine ausbaden. Die Gesellschaft macht sich’s Leben echt schwer. Fritz will von nichts was wissen, und Wolfram spinnt. Die drei Mädchen machen Stress.

       Da gab es drei Mädchen und einen Fritz und einen Wolfram, die alle wahrscheinlich in einem der Häuser lebten.

       Er las weiter.

       Alma hat mir einen Feldstecher geschenkt.

       Raffael hat mir extra Wildenten vom Staubecken gebracht. Schwört, dass er fett drauf wird. Raffa ist großartig, aber kurzsichtig, frag mich ob er Hela oder Hela ihn ruinieren wird? Vielleicht erschießt die Ziege alle beide.

       Heute 57,8 kg

       Da gab es noch einen großartigen, versponnenen Raffael, der auch hier wohnte. Hela? Alma? Raffael? Ezra blätterte ganz ruhig in dem Buch. Welche Ziege schießt? Der Rotwein war schwer. „Also gut meine Liebe“, meinte Ezra in den Raum, „ich soll kein Wasser in den Wein tun. Wenn Sie es so wünschen, wird es geschehen.“ Er hob sein Glas. Ezra hatte Rotwein nie besonders geschätzt – jetzt brach eine neue Zeit an. Wasser geben nur schwitzende Banausen in der Mittagszeit hinein – ein Sakrileg. Er war allein und doch nicht allein. Da war etwas. Nicht körperlich wie er – es war anders. Es stand nicht neben ihm, sondern es stand in ihm. Es besetzte seine Brust, seine Seele, seine Gedanken, und manchmal war es draußen. Bewegte sich nicht der Vorhang?

       Ezra hatte eine Waage gesehen im ersten Stock. Er war entschlossen, zu schauen, was er heute wog. Die Treppe war nicht einfach, aber mit einiger Konzentration zu schaffen. Er ging sorgfältig um die Menschenkontur herum, keinesfalls würde er sie mit dem Fuß berühren, und steuerte die offene Badezimmertüre an. Dort war die Waage. Er hatte 57,8 kg, wie zu vermuten war.

       Die Ziege hat sich wieder ein neues Pferd zugelegt, damit sie was zwischen die Schenkel kriegt, stand im Tagebuch.

       Ezra wusste nun, der Stall war weiblich, die Pferde Hengste, und die Besitzerin war eine Ziege. Meck, meck, meck…

       Hela ist ein süßes Ding, wie eine Elfe. Diese Leichtigkeit ihres Ganges, wie eine Feder. Sie scheint das Gras nicht zu biegen, wenn sie läuft. Man glaubt zuerst, sie ist nicht hübsch. Sie wirkt ein bisschen farblos, alles an ihr ist durchscheinend, zerbrechlich, wie aus Blumen im Nebel geboren. Ein Schattenwesen, das Licht in die Welt bringt. Sie spricht auch nicht viel. Da ist Weichheit, eine Anschmiegsamkeit ohne Worte. Gestern ist sie in meiner Tür gestanden, wie fünfzehn Jahre, dabei hat sie schon zwei Kinder. Sie wollte zwei Kristallgläser zum Feiern. Ich habe ihr eine Flasche Schampus dazugegeben. Raffa kam mit zwei Saiblingen dazu.

       Ich werde sie einfach braten, mit kleinen Kartoffeln. Dazu Thymian aus der Wiese beim Hof. Wolfram hat auch Petersilie angebaut, vielleicht ist der schon was. Ich hoffe auf den Duft von Petersiel, das Aroma grüner Wiese. Alma und Eris leiden. Leidet Fritz auch? Sie leiden in dieser grünen Wiese - unter sich selbst, unter Wolfram und wieder unter sich selbst. Eris kocht sich die Sorgen mit Köstlichkeiten aus dem Leib. Alma hat eine kurze Oberlippe vom Zusammenziehen in Abwehr. Wie das mit Raffa zusammenhängt, weiß ich nicht.

       Es gab also eine Alma, eine Eris und eine Hela sowie einen Raffael, einen Wolfram und einen Fritz, und dann gab es noch eine Ziege, die auf Pferden ritt. Das wäre wohl die Herrin des Jagdschlosses. Und zu wem gehörte sie?

       Ezra hatte inzwischen einen Brummkopf, und weil er nicht mehr richtig lesen konnte, ging er ins Freie. Er roch Petersilie, aber unter seinen Füßen war steiniger Grund. Die einzig wirklich grüne Wiese war beim „Kloster“ und oberhalb. Ein bisschen wacklig machte er sich auf den Weg, um Petersilie zu suchen.

       Er fühlte die Verbundenheit gerade sehr stark, mit dem Essen und mit der schleichenden Krankheit seiner Hausfrau. War sie der Geist? Warum musste sie jemand ermorden, wenn sie schon so krank war, dass ihr die Haut um den Körper hing? Einsam und mit sich selbst beschäftigt, zu viel Alkohol und gutes Essen, so konnte sie niemandem geschadet haben. Sie saß allein in ihrer Küche und machte seltsame Experimente, die Gefahr fordernd, Gottesurteile mit Tollkirschen und Fliegenpilz. Vielleicht waren das aber Vorversuche zum Mord? Experimente für den Tod eines Anderen. Vielleicht war der Mord im ersten Stock eine Folge der Experimente?

       Und da gab es andere Bewohner. Eine zarte, durchscheinende Hela. Eine Alma, die einen Feldstecher brachte, einen Fritz, der nichts wissen wollte, einen Raffa, der Enten und Fische brachte und scheinbar etwas mit der zarten Hela hatte. Die „Ziege“ hatte Pferde und etwas dagegen. Sie war wohl Raffas Frau. Das hieß, Raffa und die Ziege gehörten zum Jagdschloss. Und ein Wolfram baute Petersiel an, in einem anderen Haus. Da kam nur das Kloster in Frage. Denn in der Fabrik lebte die weiße Frau.

       Er lenkte seinen inzwischen deutlich unsicheren Schritt zum „Kloster“. Der Weiher blinzelte ihn sehr kalt an, und kurz kam ihm die Idee, dass er vielleicht wieder nüchtern würde, wenn er dort ein Bad… Wollte er denn überhaupt nüchtern werden?! Die Vorstellung, so kaltes Wasser an seine warme, zufriedene Haut zu lassen, konnte nur einem tiefen, geheimen Selbsthass entspringen, den er sofort abstellen musste.

       Die Wiese beim „Kloster“ war tatsächlich hoch und wild grün. Eine Oase im Stein. Die Wiesenzwiebel hatte er schon gefunden. Sie schmeckte scharf und saftig. Aber Petersilie sah er nicht, die war vielleicht in einem Beet hinterm Haus. Er wanderte den Kreuzgang entlang und sah wieder die Bilder, die ihm wie Kreuzwegstationen

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