Geisterhäuser. Sanne Prag

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Geisterhäuser - Sanne Prag

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sah ein Schiff in der Ferne.

       Langsam ging er zu den Kühen und dem Boten aus der Zivilisation. Der Bote war eine sehr große, junge Frau in Hosen, Wollstrümpfen darüber und derben Schuhen. Sie kam ihm riesig vor, überragte ihn um einen Kopf. Sie lächelte ruhig. Ihr schönes Lächeln schwamm in einer Woge von Ratlosigkeit zu ihm. Ratlosigkeit traf Ratlosigkeit. Wie bitte sollte er die erste Frage stellen. Man begrüßte sich selbstverständlich, ruhig. Jeder schaute nachher in die Weite, als ob da kein Anliegen wäre. Schließlich warf er eine Frage in den Ring: „Wem gehören die Kühe?“

       Na allen. Ich mach nur die Senn.“ Ihre Stimme war ein wenig rauchig, wie von einer Bardame.

       Wie heißt der Ort?“

       Sie schaute ihn groß an. “Und wer bist du?“

       Langsam hatte er wieder alle Sozialkompetenzen im Griff und erzählte, dass er ein armer Wandersmann sei, auf der Walz, um die Gesellenprüfung für Wirtschaftsinformatik fern der Uni zu erlangen. Er schilderte die Gefühle am Campus, die anfängliche Begeisterung, die einer müden Alltäglichkeit gewichen war. Dass er vorher Theaterwissenschaften und Soziologie gemacht hatte, mit der gleichen Begeisterung bis zur Dissertation und auch ohne Abschluss, erklärte er nicht. Sie saß still.

       Beide waren still. Er wollte weitermachen, endlich seine Fragen stellen, aber so ging das nicht. „Und du?“

       Sie holte ihren Blick aus der Ferne. „Ich bin Malerin, habe studiert - Kunst - und jetzt will ich zur Abschlussarbeit ein Buch über Kühe machen. Und jetzt bin ich hier.“ Sie lächelte und zeigte eine lange Reihe blendend weißer Zähne.

       Und wer wohnt in diesen Häusern?“

       Ich glaub keiner. Nach all dem was passiert ist, sind alle weg.“

       Und was ist passiert?“ Endlich!

       Ja also, das weiß eigentlich keiner so richtig. Irgendetwas ist eskaliert. Einer wollte seine Frau erwürgen und wurde gerade noch daran gehindert. Und ein anderer ist losgezogen und hat als Geisterfahrer vier Menschen mit in den Tod gerissen, und im Dorf wird erzählt, dass der Teufel hier sein Unwesen treibt und Leute „besetzt“. Sie nennen das „besetzen“. Aber was da tatsächlich los war… kann man nicht sagen.“ Sie lächelte ihn breit und vergnügt an „Und wer der Teufel ist, schon gar nicht“.

       Das also war der Hintergrund zu dem beschaulichen Obst- und Gemüse-Tagebuch in der Küche von Haus 1 – ein schreckliches Drama.

       Sie stand auf. „Die Wiese ist nicht so weich wie in den Märchen beschrieben! Hänsel und Gretel legen sich in eine weiche Wiese. Die da ist hart und struppig.“ Sie schaute den Wiesenfleck genau an, der nun den Abdruck ihres Sitzens trug. „Ich glaub ich bin auf einem Stein gesessen.“ Dann kicherte sie wie eine Hexe. „Irgendeiner hat heimlich nachts hier eine elektronische Glocke installiert im Marterl. Die schlägt wie die Pummerin.“

       Warum heimlich?“

       Na, es gibt doch keiner zu, dass er sich vorm Teufel fürchtet. Aber der Klang der geweihten Glocke vertreibt ihn, sagt man. Ich muss jetzt gehen und den Bock holen.“

       Welchen Bock?“

       Na Max. Unseren Ziegenbock. Sonst krieg ich unsere Milchkuh nicht nach Hause und kann sie nicht melken“, meinte sie, „Sie liebt ihn“, und alles schien für sie völlig klar. Sie schritt kräftig über die Wiese.

       Ezra überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er hier schlief und schon eine Nacht mit dem Teufel verbracht hatte. Er fühlte sich mutig und mächtig, aber gleichzeitig regte sich etwas Beunruhigendes. War die zweite Person, die in ihm war und gelegentlich das Steuer übernahm, der Teufel? Er war verunsichert. War seine nette Mitfünfzigerin in der Küche der verkleidete Höllenfürst? Nicht dass er an Teufel glaubte, aber was verstanden die unter Teufel? Spürte er teuflische Gefühle?

       Er jedenfalls wusste zu wenig über die Wesen aus der Hölle. Seine Erfahrung beschränkte sich auf Tante Rena mit Bart und Bischofsstab und einen gemieteten Teufel, der herumsprang wie ein Affe, aber nicht in die Nähe der Wohnungstür ging. Mutter war es nicht, denn sie stand neben ihm. Er hatte sofort an einen gemieteten Teufel gedacht. Er hätte nicht gewusst, wen die beiden sonst verpflichtet hätten, und nahm damals mit 6 Jahren an, dass sie die Nikolaus-Traditionen vollständig haben wollten. Daher die Anschaffung eines Teufels. Dann waren sie aber wiederum beunruhigt, dass Ezra sich ängstigen könnte. So hatte der Teufel anwesend zu sein, aber Verbot, näher zu kommen, und so war es ihm damals nie gelungen, ihn genau zu untersuchen.

       Spätere Bücher hatten ihn gelehrt, dass Teufel sexuelle Wesen waren, dass Feuer ihr Element war, was sie nicht eigentlich schlecht erscheinen ließ. Teufel hatten viele Haare und waren öfter mehr Tier als Mensch – was Ezra auch eher beruhigend fand. Der Teufel als haariges, ein wenig bissiges Haustier? Er wusste also tatsächlich über die Bedrohlichkeit von Teufeln nicht Bescheid. So etwas wurde an Unis kaum unterrichtet.

       Er ging langsam ins Haus zurück. Sicher hatte ein Geisterfahrer etwas Bedrohliches, auch etwas sehr Teuflisches, denn der Teufel ist dumm und rücksichtslos oder sinnlos zornig. Das stand in den Geschichten. Aber wie kamen die auf die Idee, dass der Teufel hier sein Unwesen trieb? Was für eine Art von Teufel war es, gegen den man elektronische Glocken in Kapellen hing, heimlich? Ein Mann hätte seine Frau fast erwürgt. Dazu brauchte man nicht wirklich einen Teufel, es genügten Hilflosigkeit, Wut, Abscheu… Und wer waren der Mann und die Frau, welches der Häuser gehörte zu ihnen?

       In Haus 1 schien es kein Ehepaar gegeben zu haben. Alles sprach dafür, dass dort nur eine einzelne Person wohnte. Im Haus mit den Pferden war scheinbar ein Ehepaar, denn es gab zwei verschiedene Lebensformen, zwei verschiedene Seelen, die Räume ausgestattet hatten. Der seltsam ängstliche, enge Saloon hatte ein anderes Gefühl in den Kissen als das große, helle Zimmer. Wahrscheinlich Raffa und die Ziege. Hatte Raffa seine Ziege gewürgt?

       Im Haufenhof gab es laut Tagebuch mehrere Personen. Da konnten ruhig zwei davon verheiratet sein und einer konnte den anderen fast erwürgt haben. In der Fabrik war völlig unklar und undurchsichtig, wer dort wohnte, außer der weißen Frau, die zornige Briefe schrieb. Weiße Frauen werden von niemandem gewürgt. Er musste noch viel mehr Information sammeln. So lange wollte er hier wohnen bleiben.

       Irgendeine Person schien nachschauen zu kommen und eventuell offene Türen zu versperren. Das einfachste Mittel gegen Entdeckung war deshalb, selbst die Türen zuzusperren.

      NACHMITTAG

       Der Schreibtisch und der Brief mit den Salzkörnchen hatten ihn wieder. Er nahm die Dinge vorsichtig aus der Lade. Er las den Brief nochmals. Es war eher der Brief einer Frau. Einer Frau, die klar etwas wollte, nicht eines der passiven Wesen, die auf Eroberung wartend an

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