Die Straße der Ritter. Marlin Schenk

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Die Straße der Ritter - Marlin Schenk

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habe, ist mir in Royal Tunbridge Wells zu Ohren gekommen. Es hat sich über Jahre hinweg im Rose Inn zugetragen. Die Herberge gehörte Landlord Richard Greendale und seiner Lady Elizabeth. Dieses geldgierige Ehepaar hatte im ersten Stock ein Bett zu einer perfekten Falle umgebaut. Das Nachtlager war auf einer Falltür befestigt. Kam ein betuchter Gast, dann wurde ihm dieses Zimmer vermietet, und wenn der Arme in der Nacht fest schlief, ließ man die Tür herunter. Der Schlafende fiel in die Küche unter dem Zimmer und fand sich unversehens in einem Bottich kochenden Wassers wieder, den die beiden mit einem schweren Deckel verschlossen und sich drauf setzten, bis das Opfer in dem heißen Wasser zu Tode gekommen war. Ob die Bemitleidenswerten durch Verbrühungen starben, oder ob sie qualvoll ertranken, weiß man nicht. Wie dem auch sei: Die Leichen wurden zerstückelt und in der Nacht in einer Grube hinter dem Haus verscharrt. Lord und Lady Greendale brachten Hab und Gut der Ermordeten an sich und behaupteten, dass sie einem Zechpreller aufgesessen seien. Niemand schöpfte Verdacht, bis die Greendales an den Falschen gerieten. Ein kräftiger Mann mit Kleidern aus feinsten Stoffen stieg im Rose Inn ab. Wie es hieß, war er auf dem Weg zu seiner Geliebten in London, um sie zu ehelichen. Es ist wohl der Vorfreude zuzuschreiben, dass der Mann in jener Nacht nicht schlafen konnte, und als sein Bett kippte, krallte er sich geistesgegenwärtig am Rahmen fest, so dass er nicht in das Wasser fiel. Vielmehr konnte er dem Landlord einen gezielten Tritt verpassen, als dieser den Gast an den Beinen packen wollte, um ihn in den Bottich zu ziehen. Greendale wurde so gut getroffen, dass er das Bewusstsein verlor. So konnte der Mann in die Küche springen und das mörderische Ehepaar fesseln. Darauf verständigte er den Sheriff. Das Ehepaar wurde einem peinlichen Verhör unterzogen und gestand unter Schmerzen über sechzig Morde an Reisenden. Vor drei Monaten wurden sie unter dem Jubel der Bevölkerung auf dem Marktplatz enthauptet. Man sagt, dass dreizehn Schläge notwendig waren, bis die Köpfe fielen. Der Henker muss sie gehasst haben.“ Der Fremde spuckte aus und trank seinen Becher leer.

      Mary schenkte nach.

      Johns Hammer, der während der Geschichte geruht hatte, begann wieder, auf dem Amboss zu klingen. „Eine gute Geschichte, aber nicht genug für einen Preisnachlass“, sagte er.

      Der Reisende räusperte sich. „An Geschichten soll es nicht fehlen“, sagte er. „Man erlebt viel auf einer Reise. Habt Ihr von der Hexe vom Bedgebury Forest gehört?“

      „Wie sollten wir?“

      „Dann will ich sie Euch erzählen.“

      John winkte ab. „Nur ein anderes der zahlreichen Frauenschicksale, die auf dem Scheiterhaufen enden. Verschont mich damit.“

      Der Fremde hielt Mary den schon wieder leeren Becher hin, um ihn sich ein viertes Mal auffüllen zu lassen. „Es ist nicht, wie Ihr denkt, Schmied“, sagte er.

      „Was ist an Eurer Geschichte anders?“ fragte Mary während sie eingoss und legte damit zum ersten Mal ihre Ablehnung dem Fremden gegenüber beiseite. Die Neugierde für eine Geschichte, die von der Norm abwich, war stärker.

      Der Fremde betrachtete sich den gut gefüllten Becher, nahm einen Schluck und sagte: „So hört. Wie hier, so hat auch im Süden der Nieselregen seit Monaten das Land im Griff. Das wäre nicht das Schlimmste, aber hin und wieder segnen heftige Regengüsse die Erde, so dass die Flüsse über die Ufer treten. Es ist furchtbar, und wenn nicht was geschieht, wird bald eine grausige Hungersnot das Land heimsuchen. Die Frucht fault auf den Feldern, die Blüten der Bäume werden nicht befruchtet und bleiben taub, das Heu in den Scheunen der Bauern geht langsam zur Neige, und auf die Weiden kann man das Vieh nicht treiben, weil es wie in einem Sumpf versinken würde. Man wird die Tiere notschlachten müssen. All diese Misere hat einen Ursprung, und das Übel hat einen Namen. Der Name ist Eleonore McKintire.“

      Der Schmied ließ den Hammer sinken. „Ist sie eine Hexe?“ fragte er.

      „Ja.“

      John drosch wütend den Hammer auf den Amboss. „Glaubt Ihr daran?“

      „Zweifelsohne“, antwortete der Reisende erschrocken. „Sie hat es ja selbst zugegeben.“

      „Unter Folter hat noch jede ihren Pakt mit dem Satan gebeichtet“, sagte John laut.

      „Warum seid Ihr so aufgebracht?“ fragte der Fremde verunsichert. „Die Frau ist von ihrem eigenen Mann angezeigt worden. Noch in der gleichen Stunde wurde man ihrer habhaft. Man brachte sie in die Sakristei der Kirche von Kilndown, wo sie sogleich den Pakt mit dem Satan eingestand. Sie hat nicht mal eine Zange zu sehen bekommen. Ist das nicht Beweis genug für ihre Schuld?“ Der Fremde leerte den Becher in einem Zug und schaute hinein, als ob er irgendwo noch einen Rest ausmachen wollte, aber allein es blieb beim Wollen.

      Mary goss ungefragt nach. „Was hat sie denn gestanden? Etwa Geschlechtsverkehr mit dem Teufel?“

      Der Fremde bekreuzigte sich, bevor er den Becher nahm und dessen Inhalt einmal mehr hastig hinunterkippte. Er schüttelte sich. „Sie soll auf dem Weg zur Kirche den Häschern entglitten und freiwillig in die Sakristei hineingeschwebt sein. Als die Häscher in die Sakristei stürmten, fanden sie Eleonore lachend auf einer Bank sitzen. Sie soll den Rock gehoben haben, und zwischen ihren nackten Schenkeln waren drei Sechsen auszumachen.“

      „Das ist doch alles Humbug“, sagte John. „Wer hat Euch solch schauderhafte Mär erzählt?“

      Der Besucher hob die Hände. „Hört: Eleonore lachte laut und spottete über die Kirche. Sie schalt Hochwürden einen armen Narren, der unfähig sei, das Land vor der Sintflut zu retten. Ob Gott sein Flehen um besseres Wetter nicht höre, wollte sie wissen. Sie selbst jedoch habe die Macht, den Regen versiegen zu lassen, wenn sie nur wolle. Es würde keine Hungersnot geben, wenn man sie entließe. Sollte man allerdings Hand an ihren Körper legen, dann würde Luzifer sehr böse werden, denn sie, Eleonore, sei seine Braut alleine, und der Satan dulde nicht, dass ein anderer Mann sie anfasse. Egal, ob zum Beischlaf oder zum Verhör. Selbst Abel McKintire, ihr Mann, würde es nicht wagen. Sie sagte, wenn man sie verbrenne, dann würde der Regen nie mehr enden.“

      John spuckte aus. „Das dumme Geschwätz eines armen Narren.“

      „Oh nein. Selbst der Pfarrer von Kilndown, einem kleinen Ort am Bedgebury Forest, glaubte ihr. Er wollte diese Frau nicht in seinem Orte wissen und sie schon gar nicht dem Henker überlassen. Er wollte einfach nicht die Schuld auf sich nehmen müssen, wenn England in den Fluten versank. Nun liegt Kilndown eingebettet zwischen drei Flüssen, und die Lage dort ist bedrohlicher als sonst wo. Wahrscheinlich hätte man sie hier längst dem Feuer übergeben. In Kilndown jedoch ließ man sie frei. Am nächsten Tag fand man Abel, ihren Gatten, erhängt an einem Baum, und seither ist die Hexe verschwunden. Das ist nun zwei Wochen her.“

      „Und es regnet immer noch“, sagte John. „Sie hat ihn nicht gestoppt. Werden wir jetzt alle ersaufen?“

      „Sie wird es wohl nicht soweit kommen lassen“, sagte der Fremde.

      John hatte den Eindruck, dass er seinen eigenen Worten nicht glaubte.

      Mary schenkte wortlos nach und machte damit das halbe Dutzend voll.

      Plötzlich wirkte der Gast ungeduldig. Er erhob sich, wanderte in der Schmiede umher und fragte: „Wann beschlagt Ihr mein Pferd, Schmied? Und was wird's kosten?“

      „Ich beginne sofort damit, wenn Ihr es eilig habt“, sagte John.

      Der Fremde setzte sich wieder. „Ich möchte gerne hier übernachten“, sagte er. „Hat dieser Ort einen Inn?“

      „Nein“, antwortete John. „Aber ich biete Euch die Schmiede an. Sie ist warm

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