Die Straße der Ritter. Marlin Schenk

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      „Ihr seid Brauer?“ fragte John verwundert.

      „Ja, Brauer auf dem Weg nach London, um neue Ideen zu sammeln. Ich habe das Bestreben, das beste Ale im Königreich zu brauen. Eine Idee habe ich bereits hier bei Euch aufgeschnappt. Der Zusatz von Honig, wenn er in Maßen geschieht, ist keine schlechte Sache. Darauf bin ich noch nicht gekommen.“

      „Dann hat sich Eure Reise schon gelohnt, nicht wahr? Möchtet Ihr noch etwas trinken?“

      Der Braumeister kehrte seinen Becher um und schüttelte den Kopf. „Man dankt.“

      „Dann entschuldigt mich. Ich habe noch zu tun.“ John erhob sich und trat wieder den Blasebalg, wobei ihn sein Gast interessiert beobachtete. Doch der Alkohol füllte seine Augen mit schweren Tränen. Er versuchte noch einmal, die bleiernen Lider hoch zu drücken, aber die Gewalt aus dem Innern siegte, und er nickte auf dem Schemel ein. Auch das Klingen des Amboss und das Fauchen des Feuers konnten ihn nicht wecken. Erst als zwei Stunden später Mary Duncan wieder in die Schmiede kam, wachte der Mann auf. „Darf ich Euch zum Essen einladen?“ fragte sie. „Es gibt Hühnchen und dazu Butter und Brot.“

      „George Smith nimmt dankend an, gnädige Frau.“

      Sie erhoben sich und gingen in eine geräumige Küche, wo über offenem Feuer drei Hühner brieten. Mary nahm sie herunter, teilte sie und legte jedem eine Hälfte auf einen blechernen Teller. Die Kinder sprachen das Dankgebet, dann aßen sie schweigsam.

      Als er gegessen hatte, lobte George Marys Kochkunst und wischte sich die fettigen Finger an seinen langen Haaren ab.

      „Kinder, nehmt Heu aus dem Stall und richtet Mr. Smith ein Nachtlager in der Schmiede“, befahl Mary.

      Die Kinder gehorchten. Als sie zurückkamen, empfahl sich George. Er hatte viel getrunken und freute sich auf ein weiches Lager.

      Mary und John lagen schweigsam auf mit Heu gefüllten Leinensäcken. Eine Kerze brannte auf einer grob gezimmerten Truhe aus Eichenholz und spendete karges Licht. Schafsfelle schützten sie gegen die kalte Feuchtigkeit im Zimmer.

      John lag auf dem Rücken und hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Er dachte über die seltsamen Geschichten des Brauers nach.

      „Warum bist du so schweigsam?“ fragte Mary.

      „Glaubst du an Hexen, Frau?“

      „Sicher glaube ich daran. Du etwa nicht?“

      „Nein.“

      Mary drehte sich zu John hin. „Denk doch nur einmal an Victoria Blackmore, die man letztes Jahr verbrannte“, sagte sie. „Sie war des Bundes mit dem Teufel angeklagt und hat dies auch gestanden. Sie war beschuldigt, das Vieh verhext zu haben. Die Bauern hatten schwer an der Rinderseuche zu tragen. Und nachdem man sie verbrannt hatte, war alles vorbei. Nicht ein einziges Tier erkrankte mehr.“

      „Und du denkst, dass Geständnisse unter Folter glaubwürdig sind?“ fragte John.

      Mary schwieg.

      „Du glaubst, dass alle, die auf den Scheiterhaufen gehen, schuldig sind?“

      „Ja“, sagte Mary giftig. „Hast du dir einmal die Gesichter dieser Hexen angesehen? Aus ihnen spricht Hass und Verachtung.“

      „Oder Angst und Schmerz.“

      Mary legte sich zurück. „John, warum fragst du mich das alles? Glaubst du nicht, dass diese McKintire Schuld an dem Regen ist, der alles Korn auf dem Felde faulen lässt? Die Geschichte hat dich sehr mitgenommen, nicht wahr?“

      „Weil sie gelogen ist“, sagte John laut. „Niemand lässt eine Hexe frei, ohne sie zumindest einmal zu foltern. Und egal, was die Folter bringt, die Frau muss sterben. Gesteht sie, dann ist sie schuldig, gesteht sie nicht, dann gibt ihr der Teufel die Kraft dazu. Viele erfinden die schauerlichsten Märchen, um die Folter zu beenden und um dem Feuer zu entgehen. Wer gesteht, der wird vielleicht nur zu Tode gestürzt oder ertränkt. Ich weiß, wovon ich rede, Mary. Als ich zehn Jahre alt war, brachen Männer die Tür zu unserem Haus auf und legten meine Mutter in Ketten. Meine beiden Schwestern waren sieben und acht Jahre alt, und auch sie wurden mitgeschleift. Als mein Vater dazwischen gehen wollte, stießen sie ihm den Schaft einer Lanze ins Gesicht, wobei er ein Auge verlor und sich die Nase brach. Meine Mutter und meine Schwestern wurden von den Knechten hinter ihren Pferden her geschleift und in den Kerker geworfen. Am Abend schlich ich dorthin, und ich konnte ihre Schreie, ihr Beten und Wehklagen hören, aber auch das Lachen und Höhnen der Folterer. Drei Tage später wurden meine beiden Schwestern verbrannt. Meine Mutter und mein Vater mussten dabei zusehen. Die Kinder hatten im Feuer nicht geschrien, und erst viel später erfuhr ich, dass der Henker gnädig gewesen war. Er hatte den Mädchen unbemerkt einen tödlichen Stich versetzt, während er sie an den Pfahl fesselte. Meine Mutter wurde einen Tag später mit dem Karren unter dem Jubel der Menschen zum Richtplatz gebracht. Sie hatte keine Tränen mehr zum Weinen. Die Folterer hatten keine mehr übriggelassen. Aber ich werde nie ihre Schreie vergessen, als das Feuer sie auffraß. Es hatte lange gedauert, sehr lange. Eine Woche später kam die Rechnung von der Pfarrei. Mein Vater musste viel Geld bezahlen und dafür Haus und Hof verkaufen. Das konnte er nicht verkraften, weshalb er sich erhängte.“

      „Wofür musste er Geld bezahlen?“

      „Die Folterer verlangten Bezahlung für ihre Arbeit, und so tat es der Henker. Die Bauern bekamen Geld für Stroh und Holz, das sie geliefert hatten, der Pfarrer bekam Geld dafür, dass er ein Gebet für meine Mutter las.“

      Mary schwieg. Sie atmete schwer und ergriff Johns Hand.

      „Sie war die beste Mutter, die man sich wünschen konnte, Mary“, sagte er unter Tränen, „und meine Schwestern hatten noch nie jemandem etwas zu Leide getan. Wer behauptet, sie wären Hexen gewesen, den stampfe ich durch eine Wand hindurch.“

      „John, davon hast du mir ja nie etwas gesagt. Warum?“

      Ich dachte, wenn ich nicht davon spreche, dann würde ich es eines Tages vergessen. Aber es geht nicht, Mary. Es geht nicht.“

      „Und was wurde aus dir?“

      John stieß einen langen Seufzer aus. „Ich kam zu einer Pflegefamilie, die meine Arbeitskraft ausnutzte. Ich kannte nur Schuften und Schlafen, keinen Feiertag, keinen Sonntag. Gott sei Dank waren es reiche Leute, so dass ich genug und gut zu essen bekam. Sonst wäre ich wohl jetzt nicht mehr. Aber das Leben war hart, Mary, und ich bin froh, dass ich meine Kindheit hinter mir habe.“

      Mary stand auf und blies die Kerze aus. Sie schmiegte sich noch einmal an John und streichelte ihn. So schliefen sie ein. In dieser Nacht hörte es zu regnen auf.

      2. Galeeren in den Docks von London

      Als Peter Carpenter am Morgen sein Alehouse öffnete, schien die Sonne. Nach monatelangem Regen war der Anblick so ungewohnt wie eine Frau im Kettenhemd. Der helle Tag ließ in dem Mann fast ausgestorbene Gefühle erwachen. Seine Lebensfreude loderte auf. Er stemmte die Fäuste in die Seiten, bog das Kreuz durch und sog tief die würzige Luft ein. Er streckte sich, klatschte in die Hände und machte sich voll Tatendrang daran, sein Lokal aufzuräumen. Es glich einem Schlachtfeld, denn am Abend zuvor hatte es in London etwas zu feiern gegeben: Ein Mann namens Craig O'Neill war Vater geworden, nachdem er zwanzig Jahre vergebens darauf gewartet hatte. Nun war seine Anne niedergekommen

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