Der letzte Vorhang. Jay Baldwyn

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Der letzte Vorhang - Jay Baldwyn

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mich. Wer hier nicht pünktlich erscheint, fliegt. Eigentlich wollte ich, dass du Ethels Tänze übernimmst, aber wie es aussieht, bist du ein Fall für den Doktor. Womit gleich beide Solotänzerinnen ausfallen.«

       »Ich tanze ja nicht auf den Händen«, sagte Rhonda keck. »Zur Vorstellung nehme ich natürlich die Bandagen ab. Aus der Ferne werden die Verletzungen kaum auffallen. Außerdem sind die Hände das Letzte, wohin die Kerle bei uns sehen.«

       »Davon will ich mir selber ein Bild machen. Los runter mit den Verbänden.«

       Rhonda wickelte die Binden ab und drehte die Hände so, dass man kaum etwas erkennen konnte, aber Don Davis sah genau hin.

       »Igitt, das ist ja eklig. Man könnte meinen, du hast Lepra«, sagte er angewidert. »Wie holt man sich so etwas?«

       »Tja, unsereins hat keine Zentralheizung wie manch feine Herrschaft. Und ein Kanonenofen hat eben so seine Tücken …«

       »Du wirst keine Nummer ohne Handschuhe tanzen. Das sage ich dir.«

       »Tue ich doch sowieso nicht, bis auf eine. Also wozu die Aufregung.«

       Don Davis und der Choreograph berieten sich wieder. »Meinst du, wir kriegen das hin?«, fragte Don. »Und wen nehmen wir für die anderen Soli?«

       »Ich würde vorschlagen Moira. Die hat zwar eine ähnlich große Klappe, aber tänzerisch ist sie top.«

       »Gut, versuchen wir’s. Würde mich nicht wundern, wenn die beiden sich die Augen auskratzen. Freundinnen werden sie jedenfalls nicht werden.« Dann wandte sich Don an die Truppe. »Alle mal herhören. Die Girls haben jetzt einen Moment frei und können sich etwas aufwärmen. Zuerst wird Rhonda einige Parts von Ethel einstudieren, danach Moira den Rest, und die anderen kommen anschließend dran. Wir müssen sehen, wie wir die Lücke von Moira überspielen.«

       Einige Girls kicherten.

       »Was ist, habe ich einen Witz gemacht? Also los. Moira, mach dich schon mal warm.«

       Meryl beglückwünschte Moira, die vor Freude wie ein aufgescheuchtes Huhn auf und ab rannte. Dann begannen die Umbesetzungsproben. Und niemand, außer einer, ahnte, dass die vermisste Kollegin auch die folgenden Tage nicht kommen würde, weil sie schon längst ein Häufchen Asche geworden war.

      Die Abendvorstellung stand kurz bevor, und Rhonda legte letzte Hand an ihre Frisur. Ihre hellblonden Haare wollten einfach nicht sitzen, und Rhonda war zusätzlich gehandicapt durch ihre nur schwer heilenden Brandwunden an den Händen. Deshalb rutschte ihr manchmal die Brennschere weg und bereitete zusätzliche Wunden auf der Kopfhaut.

       Als sie gequält aufschrie, kam Moira zum Schminkspiegel der Kollegin und sah, wie Rhonda wie gebannt in den Spiegel starrte und dann mit dem Kopf nach vorne auf die Ablage kippte.

       »Hast du dich wieder verbrannt, soll ich dir helfen?«, fragte sie.

       »Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß«, zischte Rhonda mit zusammengepressten Zähnen. »Wirf lieber mal einen Blick in den Spiegel und sage mir, wen du da siehst.« »Nur uns beide, warum?«

       »Warum, warum, weil ich da eben ganz deutlich Ethel stehen sah.«

       »Du solltest deinen Konsum des „Pülverchens“ etwas einschränken, Honey. Sonst drehst du noch durch.«

       »Ach, was weißt du denn. Außerdem kann es dir nur recht sein. Dann kannst du künftig noch mehr Solonummern bringen.«

       Moira wandte sich kopfschüttelnd ab und machte mit der Hand vor ihrem Kopf eine Geste zu den anderen Girls, die an einen Scheibenwischer erinnerte und soviel heißen sollte wie: Die spinnt ja.

       Clara, eine grazile Schwarzhaarige setzte noch einen drauf, weil sie Rhonda noch nie leiden konnte und fand, dass sie ungerechterweise bevorzugt wurde.

       »Du brauchst nicht gleich durchzudrehen. Moira hat es doch nur gut gemeint«, sagte sie spitz.

       »Wer fragt dich denn? Hast du hier auch schon was zu melden?«

       »Da ich weder mit Chuck noch mit Don rummache, sicher nicht, im Gegensatz zu dir.«

       »Ich mach mit keinem von beiden rum, damit das klar ist. Wenn ich hier einige Vorzüge genieße, dann nur, weil ich mir das mit Leistung und Disziplin erarbeitet habe.«

       »Dass ich nicht lache. Es gibt einige Girls, die ebenso gut tanzen wie du. Und zu deinem Erfolgsrezept: Welche von deinen Titten nennst du denn Disziplin? Die rechte oder die linke?«

       »Pass auf, was du sagst, du kleines Miststück, sonst wird es dir leid tun.«

       »Mich kannst du nicht einschüchtern. Ich habe keine Angst vor dir …«

       »Wahrscheinlich, weil du schon in der Gosse, aus der du kommst, gelernt hast, dich zu verteidigen. Und was dein Neid auf die Solonummern angeht, dafür hast du einfach nicht genug Klasse. Das Billige scheint bei dir aus jeder Pore.«

       »Kannst du jetzt aufhören, dein Gift zu verspritzen?«, sagte Moira. »Wir müssen gleich raus, und schlechte Stimmung macht sich nicht so gut beim Auftritt.«

       Später, als die Vorstellung in vollem Gang war, sah Meryl zufällig für einen Moment in die Seitengasse hinter dem zurückgezogenen Vorhang. Was, oder besser wen sie dort sah, brachte sie völlig aus der Fassung. Sie vergaß ihre Choreographie und brachte die ganze Truppe durcheinander. Das Publikum lachte und applaudierte, weil alle glaubten, der Gag sei einstudiert. Nur Chuck Winston legte seine Stirn in Falten und zog Meryl in der Pause zur Seite.

       »Es tut mir wahnsinnig leid, Mr. Winston«, stammelte Meryl, und ihre blonden Locken tanzten dabei wie wild, als ob sie ebenfalls verzweifelt waren.

       »Ja, das ist das Mindeste. Hast gedacht, das wäre ein guter Gag, wenn die ganzen Beauties mal ins Straucheln kommen, was?«

       »Schmeißen Sie mich jetzt raus?«

       »Nein, das werde ich nicht tun, im Gegenteil, wir werden es ab morgen immer so machen. Ich rede mit Mr. Davis. Nur noch mehr Eigenmächtigkeiten lasse ich nicht durchgehen.«

       »Ich habe es nicht mit Absicht gemacht, ich schwöre. Mir ist nur so der Schreck in die Glieder gefahren, als … als ich Ethel in der Seitengasse gesehen habe. Das heißt, sie war nicht wirklich da und irgendwie halb durchsichtig.«

       »Ja, mir fehlt sie auch, die hübsche Ethel. Was wohl aus ihr geworden ist? Ob sie uns jemand vor der Nase weggeschnappt hat? Tot und ein Geist ist sie bestimmt nicht. An so etwas glaube ich nämlich nicht.«

       Nun, da irrte Chuck Winston gewaltig. Denn es sollte nicht die letzte Sichtung bleiben. Und damit hatte das Majestic sein erstes Gespenst oder einen Hausgeist, dem noch weitere folgen sollten.

      Das neue Programm unter dem Motto Japan erhielt mit einer Sängerin aus New York eine zusätzliche Attraktion. Wanda Philipps, eine Schönheit mit silberblonden Haaren, die auch mit schwarzen Perücken, weiß geschminktem Gesicht und seidenen Kimonos ganz hervorragend aussah, hatte am Broadway erste Erfolge gefeiert, nachdem sie längere Zeit durch die Bars tingelte, sodass die Winston-Brüder auf sie aufmerksam wurden.

       Dick war von

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