Der alte Mann und das Haus. Roland Exner

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Der alte Mann und das Haus - Roland Exner

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den Tieren alles in Ordnung war und ging spazieren. Ein kurzes Stück auf der Landstraße, dann einen Feldweg, weiter den sanften Anstieg auf der Karolinenhöhe... sie sah weiter unten das Auto der Klübers heranfahren... sie bog in einen anderen Feldweg ein, ging bis zu den drei Karpfenteichen… eigentlich hätte sie nun stundenlang laufen können, einfach nur laufen, über Felder, durch Wald, aber sie bekam schreckliche Fantasien, wenn sie zu lange wegblieb. Zum Beispiel, dass der Alte vergessen könnte, die Flasche wieder auf den Klodeckel zu stellen, dass er also aufs Klo ging und spülte – und wie die Klübers reagieren würden. Und sie käme zurück, die Polizei wäre schon da… Sie kehrte um, aber als sie zurückkehrte, waren dennoch anderthalb Stunden vergangen, viel zu lange… Sie bekam ein beklemmendes Gefühl, als sie sich dem Haus näherte, bei jedem Schritt schien ein Dämon schwarzen Zement in ihre Seele zu gießen. Sie hatte Mühe mit der einen Stufe zur Eingangstür, sie polterte aber extra etwas herum, damit die Klübers sie bemerkten. Wenn etwas in der Luft lag, dann wollte sie gleich Gewissheit. Karl Klüber öffnete auch tatsächlich die Küchentür, aber er fragte nur, ob sie etwas mitessen wolle. Sie bedankte sich, sie wolle an diesem Tage nichts mehr essen. Sie seufzte und schaute die Treppe hoch. Kam dort oben das dicke Ende?

      Der Alte saß im Schaukelstuhl, wippte ein wenig, die Dielen knarrten, also konnte der Stuhl dort nicht stehen bleiben, und nicht auf den blanken Dielen. Er hatte zum Fenster hinausgeschaut: Hinter den Stallungen die Kronen der alten Obstbäume, dahinter das leicht abfallende Land mit Feldern, jetzt aber nur eine große Schneefläche, und der Ortskern von Trieb... Er schaute zu ihr hin, die leere Pfeife im Mund. „Ist alles in Ordnung?“ fragte sie leise. „Ja, ja“, krächzte er, „aber meine Pfeife möcht´ ich mal rauchen!“ Sie lachte, die Hand an den Mund pressend. „Sie wissen ja, auf dem Klo“, erwiderte sie. „Im Frühling mache ich oft die Fenster auf, und dann rauchen Sie ihr Pfeifchen im Schaukelstuhl...“

      Ob sie ihm etwas vorlesen könne, fragte sie. Sie solle sich doch keine Mühe machen, meinte er, an der leeren Pfeife saugend, sie habe genug Umstände mit ihm.

      Aber sie wollte sich nun selbst die Zeit vertreiben, wenn sie nun schon den alten Mann bei sich hatte. Nach ein wenig Hin und Her einigten sie sich darauf, dass sie ihm aus der Bibel vorlesen solle. „Und morgen können wir Schach spielen“, sagte er zu ihrer Überraschung, „da oben in der Dachkammer… im untersten Schubfach von dem Schrank, da ist ein schönes altes Schachspiel, mit Ritterfiguren, das können Sie später holen.“ Sie wollte eigentlich antworten, sie könne kein Schach, und bis sie es lerne, würde es Wochen dauern... Aber er war anscheinend von einer Sekunde zur anderen eingeschlafen. Schach-Spielen war wohl nur ein Wunsch, den er aus alten Zeiten geschöpft hatte.

       Unpassender Besuch

      Sie schrie, fuhr in die Höhe. Sie war in dem Sessel eingenickt. Sie war auf einem Baumstamm balanciert, Rechts und Links fast schwarzer Sumpf, an dessen Oberfläche Gasblasen zerplatzen. Plötzlich war der Baumstamm eine Riesenschlange...

      Sie atmete heftig, lief – Kreise ziehend – in der Wohnung herum, die Dielen knarrten. Der Alte war nicht aufgewacht, er lag unbeweglich im Tiefschlaf. Sie lauschte an der Tür... ob ihr Schrei von den Klübers gehört worden war? Draußen näherte sich das Motorengeräusch eines langsam fahrenden Autos... Sie wusste sofort, das war Jörg... Der Motor wurde ausgestellt, eine Tür knallte. Sie schaute aus dem Fenster, im Hof brannte Licht, da kam er auch schon. Gott sei Dank brannte in ihrer Wohnung kein Licht, weil sie noch bei Tageslicht eingeschlummert war. Sie eilte wieder zur Tür, vergewisserte sich, dass sie abgeschlossen war... Was nun? Er war schon auf der Treppe… Er klopfte ziemlich stark und rief „ Elke!“. Sie stand wie erstarrt. Er hämmerte nun mit der Faust an die Tür und rief: „Mach auf, ich weiß, dass du da bist!“ Er bluffte, das konnte er gar nicht wissen. Sie entschloss sich aber, ihm zu öffnen, weil sie die Klübers möglichst nicht hineinziehen wollte, wenngleich sie den Lärm nun schon gehört haben mussten. Sie entfernte sich leise von der Tür, um dann wieder mit lauten Schritten zur Tür hin zu stampfen, schaltete das Licht an und öffnete, einen schlaftrunkenen Blick spielend. „Bist du wahnsinnig“, sagte sie, und rieb sich die Augen, „so einen Lärm zu machen!“

      „Ich muss mit dir reden“, erwiderte er mit etwas gedämpfter Stimme. „Du rufst an und sagst einfach, hast keine Lust mehr, einfach so, ohne Vorwarnung.“ Sie blieb in der Tür stehen, die Klinke in der Hand. „Dass ich zu so einer Beziehung keine Lust mehr habe, hab´ ich schon einige Male gesagt. Du bist nie wirklich drauf eingegangen. Und jetzt kommen noch ein paar Sachen dazu, die ich mit mir alleine austragen muss.“

      „Lass mich rein!“ forderte er.

      Sie spürte, sie musste nun sehr entschlossen wirken. „Ich kann heut´ nicht“, sagte sie, „ich kann mich nicht hier hinsetzen und mit dir reden.“

      „Dann gehen wir spazieren?“ Sie tat, als würde sie zögern.

      „Das bringt heute nichts… also, ich verspreche dir, in 14 Tagen, da kannst du wieder herkommen, und wir machen einen Spaziergang, da reden wir noch mal. Da hat sich dann alles etwas gesetzt.“

      „Da scheiß ich drauf!“ brüllte er, trat mit dem Fuß gegen die Tür, machte eine Kehrtwendung und polterte die Treppen hinunter. In diese Geräuschkulisse mischte sich nun das Knarren einer Tür. Karl Klüber war in den Flur getreten, hatte das Licht angeschaltet und starrte mit halb geöffnetem Mund dem jungen Mann entgegen. „Die Schlampe hat einen Typen da oben!“ schrie er, ohne Klüber anzusehen; riss die Haustür auf, schlug sie mit einem Knall zu; ein paar Sekunden später folgte der Knall einer Autotür und das Wutgeheul eines scheinbar zum Leben erwachten Autos.

      Elke ging drei Stufen die Treppe hinab, blieb stehen und schaute Klüber ruhig an. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht“, sagte sie. „Er sollte heute gar nicht mehr kommen.“

      Klüber neigte den Kopf etwas nach unten und wandte sich ab als wolle er den Ausdruck seines Gesichts verbergen. Elke drehte sich mit einem Ruck um, ging in ihre Wohnung und verschloss die Tür. Sie lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und dachte, eigentlich sei sie nahe an der Katastrophe gewesen. Es war wie ein Seiltanz... nein, viel schlimmer... Wie der Balanceakt auf der Riesenschlange im Sumpf...

       Die Dachkammern

      Am Samstag und Sonntag hatte Elke im Prinzip frei, jedoch war vereinbart, dass sie an solchen Tagen auch arbeiten konnte oder zu Arbeiten herangezogen werden konnte, wenn sie am Wochenende in dem Anwesen blieb und besondere Arbeiten anfielen. Die Stunden wurden angerechnet oder gesondert vergütet. Wenn sie bei der Zubereitung des Essens half, konnte sie mitessen. Die lautstarke Auseinandersetzung mit Jörg hatte sie die halbe Nachtruhe gekostet, und seine in das Haus hineingeschriene Behauptung, dass sie „einen Typen“ in ihrer Wohnung habe, wollte nicht verklingen. Sie putzte den Flur und die Treppe, dabei ließ sie ihre Wohnungstür und auch die innere Zimmertür weit offen stehen; dem Alten hatte sie eingeschärft, ruhig im Bett liegen zu bleiben (und gleichzeitig versprochen, alle Viertelstunden nach ihm zu sehen). Als dann Karl Klüber mit einer Tasche voll Werkzeug vorbeiging, um endlich die Vorhängeschlösser an den Türen der Dachkammern zu entfernen, musste er einfach denken, dass niemand, der „einen Typen“ bei sich versteckt, die Wohnungstür so weit offen stehen lassen würde. Und tatsächlich machte Klüber einen kleinen, scheinbar unbeabsichtigten, linkisch wirkenden Bogen zur geöffneten Tür hin, stellte ächzend den Werkzeugkasten hin, blinzelte wie zufällig in die Wohnung, äußerte sein Wohlgefallen über Elkes fleißige Putzarbeit, und stampfte dann die enge Treppe zum Dachboden hinauf. Elke putzte die Treppe abwärts, und als später Klüber nach Elke rief, sie solle doch bitte mal hochkommen und auch seine Frau mitbringen, sah Frau Klüber im Zuge dieser Aktion endlich auch die weit geöffnete Tür zu Elkes Wohnung. Elke war die erste, die den Dachboden erreichte und die ihr wohlbekannte Dachkammer betrat. „Schauen Sie“,

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