Die Wächter. Elisabeth Eder
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Plötzlich riss dieser seinen Dolch von Kais Kehle und drückte ihn an dessen Brust. Stechender Schmerz fuhr Kai durch die Rippen, flammte auf wie magisches Feuer, dass er oft gesehen und bewundert hatte, als sich der Dolch hineinbohrte und Brimir ihn langsam weiterzog – direkt über sein Herz, das ihm laut gegen die Rippen pochte.
Qualvoll schrie er auf. Tränen stiegen ihm in die Augen, Hitze wallte über seine Brust, er spürte warmes Blut hervorsprudeln wie eine frische Wasserquelle …
Wildes Fauchen ertönte.
Eine orangerote Katze landete im Gesicht des Mannes und fuhr mit ihren messerscharfen Krallen darüber. Brimir riss sein Messer mit einem flappenden Geräusch aus Kais Haut und entlockte ihm damit einen weiteren Schmerzensschrei – allerdings merkte er es nicht, denn der Mörder selbst war damit beschäftigt, aufzuspringen und fluchend zurückzutaumeln. Kai wich auf Händen und Füßen zurück. Jede kleine Bewegung bereitete ihm Schmerzen.
Exoton kam in seiner Menschengestalt um die Ecke. Er hielt einen großen Stein in der Hand, rannte auf Brimir zu, der versuchte, die Katze zu erstechen. Mit einem dumpfen Schlag wurde der Verbrecher ins Land der Träume befördert.
Exoton wandte sich Kai zu: „Alles in Ordnung?“
Er kniete sich nieder und untersuchte Kais Wunde. Nach einer Weile runzelte der Gestaltwandler die Stirn und seufzte tief. Dann packte er Kais Oberarm, zog den Dieb hoch und schleifte ihn mit sich. Kai stolperte neben dem Riesen her. Ängstlich starrte er zu Exoton auf, der entschlossener denn je zu sein schien. Heißes Blut strömte über Kais Bauch, das Pochen seines Herzens jagte explodierende Schmerzen durch seinen Körper.
Hätte Exoton mehr gewusst, hätte er sich augenblicklich um Kais Wunde gekümmert.
„Steig auf. Flieh.“
Eines der Schlachtrösser war vor ihm. War es das Gleiche von vorhin? Exoton half ihm dabei, in den Sattel zu klettern – Kais Bewegungen waren mühsam und schwerfällig. Seine Hand glitt zitternd, langsam zu dem blutverschmierten Hemdfetzen und zu der zerfransten und wunden Haut …
Exoton packte seinen Unterarm. Kais Blick fand zu ihm. „Zum Elfenkönig. Elfenkönig, hörst du? Erklär‘ ihm, was passiert ist. FLIEH! SCHNELL!“ „Erledigt die Bestien!“, drangen die hasserfüllten Stimmen der Soldaten zu ihnen vor. Kai gab seinem Pferd die Sporen. Ania lief um die Ecke, in ihrer Hand knisterten weiße Lichtblitze. Sie blickte Kai nach und fragte rasch: „Hast du es ihm gesagt?“ „Ja. Und du willst ihn wirklich so weiterreiten lassen?“ Exoton machte sich bereit für den Kampf. Soldaten kamen schwertschwingend auf die beiden zugelaufen. „Er ist verletzt und alleine. Woher willst du wissen, was er tun wird? Ihn als Informanten einzusetzen ist zwar eine gute Idee, aber ich weiß nicht, ob das funktioniert.“ „Wenn jemand mitgeht, wirkt das auffälliger. Er ist außerdem mit Leib und Seele ein Dieb“, erklärte Ania und sammelte ihre Kräfte und fügte seufzend hinzu: „Und er ist kompliziert.“ „Du bist verrückt“, knurrte Exoton. „Wenigstens stirbt unser Geheimnis mit ihm, falls er Dummheiten anstellen sollte.“ „Ich vertraue ihm. Vielleicht solltest du das auch versuchen“ Ein wenig bleich wandte sie sich zu den herannahenden Soldaten, deren Kettenhemden laut knirschten. Hatte sie richtig gehandelt? Würde ihr Plan aufgehen? Dann schüttelte sie den Kopf. Sie hatte es geträumt. Und es gab Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht hinterfragen sollte. Hoffte sie.
Häuser zogen an ihm vorbei. Ein Pfeil schlug links von ihm in den Boden, aber der Flüchtende kümmerte sich nicht darum. Das Einzige, was er vor seinen Augen sah, waren die immer kleiner werdenden Häuser aus Holz und Stein, die letzten Ausläufer der Elendsviertel, die letzten Katzen und streunenden Hunde, die fauchend und bellend aus dem Weg huschten. Die letzten Schutthaufen, die letzten überquellenden Fässer, die letzten dunklen Gestalten, die ihm stumm hinterher starrten, dem großen Dieb, der seine Leute im Stich gelassen hatte und nun einsam und blutend floh.
Noch immer quoll heißes, frisches Blut über seinen Oberkörper, aber es wurde weniger. Mit neuem Mut fasste Kai die Zügel fester. Die Nachtluft zischte kühl an ihm vorbei. Der Mond wurde von den hellgrauen Wolken verschluckt, vor ihm türmten sich die dunkelgrünen Hügel wie ein endloses Meer auf.
Endlich ließ er die letzten Häuser hinter sich. Die Dunkelheit umschloss ihn nun vollständig und er blickte noch einmal zurück. Einzelne Lichtpunkte glühten in der langen, dunklen Ebene, versammelten sich zu einem schimmernden Haufen, aus dem sich die prächtige Hauptstadt bildete. Der große Fluss – Jamky – schlängelte sich an der Stadt vorbei und teilte sich in viele kleinere Nebenflüsse auf. Die Häuser wirkten wie stumme, aufgerissene Mäuler, die alles Gute verschlingen wollten.
Jamka lag still und dunkel da, thronte in der Hügelebene und starrte dem Fliehenden stumm hinterher.
Schaudernd wandte er sich wieder nach vorne. Fast hatte er einen der kleinen Wälder erreicht. Die Bäume ragten hoch über ihm auf, wie mahnende Wächter. Äste standen pechschwarz vom Nachthimmel ab und die Blätter rauschten leise im aufkommenden Wind.
Er drosselte das Tempo seines Rosses und trabte zwischen die dicht stehenden Bäume. Augenblicklich fand er sich in einer anderen Welt wider. Sträucher, Bäume, Farne und Gebüsche verbargen Felsen, Pfade, Tiere und versteckte Gegenstände, die die Bewohner immer wieder hierher brachten und vergruben. Wurzeln krochen über den Boden, dicke Stämme schoben sich immer wieder in seinen Weg. Moos kroch an ihnen hinauf wie eine unersättliche Schlingpflanze. Versenkungen und Biegungen, hinter denen Felsen lauerten, stellten beinahe tödliche Gefahr für Reiter und Pferd dar. Irgendwann hörte er das vertraute Plätschern von Wasser. Rasch lenkte er das Ross zwischen einigen Farnen hindurch und erblickte das Ufer des Flusses. Das dunkelblaue Wasser umfloss einige im Wasser stehende Felsen, es schimmerte sanft im darauf fallenden Mondlicht. Erleichtert glitt er aus dem Sattel. Schwarze Schatten krochen bereits über seine Augen, er stolperte zum Ufer und fiel auf die Knie.
Kai riss sich das Hemd vom Körper und zerteilte es mit seinem Messer. Er wagte es nicht, näher auf die dunkelrote Flüssigkeit zu starren, die sich über seiner Hose und über seinem Bauch verteilt hatte. Stattdessen tauchte er einen der Hemdsstreifen ins Wasser und säuberte damit vorsichtig seinen Oberkörper. Er tupfte die Wunde ab und biss die Zähne fest zusammen. Schließlich wickelte er sich die restlichen Hemdsstreifen als eine Art Verband um den schmerzenden Brustkorb.
Als er damit fertig war, ließ er keuchend die muskulösen Schultern sinken und beugte sich weiter vor. Er wusch sich Gesicht und Arme, dann trank er gierig. Als er wieder einigermaßen klar denken konnte, sah er, dass das Pferd ebenfalls beim Fluss trank. Es war nicht weggelaufen. Bewundernd starrte er das kräftige Tier an. Es war ein typisches Schlachtross des Königs, groß, kräftig und rabenschwarz, selbst die Augen. Und es musste perfekt ausgebildet sein.
Langsam trat er auf das edle Tier zu. Es beachtete ihn nicht weiter, sondern trank gierig. Schließlich richtete es sich schnaubend auf. Wasser tropfte von den weichen Nüstern, die es mit der Zunge auffing. Vorsichtig hob Kai die Hände und trat einen Schritt weiter.
Das Pferd schnupperte kurz im Wind, machte einen ebenso vorsichtigen Schritt nach vorne und schnüffelte an seiner linken Handfläche. Schließlich rieb es die Schnauze daran und Kai nahm zögernd die Zügel. Er führte das Pferd vom Flussufer weg – wer wusste, was für Diebesbanden sich dort herumtrieben – und er führte es durch den stillen Wald, während er sich aufmerksam umsah. Schließlich fand er eine kleine Senke, die vollständig von Farnen und Gebüschen bedeckt wurde.
Er band das treue Pferd an einem Baumstamm fest und kletterte müde zwischen die dichten Büsche. Sie kratzten ihm den nackten Oberkörper auf,