Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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nächsten Tag wachte er in aller Frühe auf. Es hatte noch nicht einmal gedämmert. Mit frischer Energie schwang er sich auf die Beine und band das Pferd los. Er kletterte in den Sattel und trabte dann einen schmalen Pfad entlang, der von schlanken Bäumen gesäumt wurde.

       Währenddessen machte er sich Gedanken über die Nahrung, die er zu sich nehmen würde. Beeren würden sich hier genug finden lassen, aber wer wusste, ob sie nicht giftig waren? Kai war sich nicht sicher, ob er anderes als Walderdbeeren erkennen würde. Kräuter gab es vermutlich auch im Überfluss, aber woher sollte ein Dieb aus der Stadt über diese Dinge Bescheid wissen? Das Einzige, was ihm blieb, war das Jagen. Er würde wohl oder übel versuchen müssen, mit seinem Dolch wilde Tiere zu töten. Oder er könnte Vogeleier rauben …

       Das Schlachtross wurde langsamer und tänzelte unruhig auf der Stelle. Kai nahm die Zügel fester und starrte misstrauisch nach vor. Nach einer Weile drang der Geruch von Rauch in seine Nase. Lautlos glitt er vom Rücken des Tieres und schlich an einigen großen Felsen vorbei. Überrascht hielt er inne, als er zwischen den Felsen eine Feuerstelle sah, deren Kohlen noch rotschwarz glühten.

       Daneben lag ein Soldat. Sein Helm, das harte Lederwams, der Waffengürtel, die Schulterpanzer, die Handschuhe und die Stiefel lagen neben ihm, ebenso wie ein Beutel mit – Kai lief das Wasser im Mund zusammen – Nahrung. Der Soldat trug das schwarze Stoffhemd noch, schmutzig klebte es an seinem Körper. In dem Moment wurde Kai klar, wie sehr er fror.

       Unsicher blickte er auf den schlafenden Mann hinab. Dann schüttelte er leise den Kopf. Immerhin war er gestern zum Mörder geworden, von Mensch sowie Dämonentier. Er hob einen Stein vom Boden auf, sprang auf den Schlafenden zu und schlug ihm kräftig auf den Kopf. Eine Blutspur zog sich über die Stirn des Soldaten, Kai hatte, was er wollte.

      Eine Weile später ging Kai in Soldatenausrüstung und mit einem Proviantbeutel zu dem Pferd zurück, das wieder auf ihn gewartet hatte. Lächelnd füllte er die Satteltaschen mit den Essensvorräten und stopfte sich gleich ein Stück Brot in den Mund: „Bisd ein treuesch Tier.“

       Er klopfte dem Pferd auf den Hals, schluckte das Essen hinunter und fuhr fort: „Ich sollte dir wohl einen Namen geben, der zu dir passt … wie wäre es mit Donnerhuf?“

       Der Hengst schnaubte.

       Kai streichelte seine weiche Schnauze, dann schwang er sich in den Sattel. „Hüa!“

       Er galoppierte weiter und zwang sich, nachzudenken. Er hatte Nahrung, ein Pferd, Waffen und einen Schutzpanzer. Jetzt brauchte er ein Ziel.

       Er dachte an Exotons Worte. Zum Elfenkönig … Kai schnaubte. Zum Elfenkönig, zu dem er nur gelangen konnte, wenn er über Phyan reiste, wo sich alle die Köpfe einschlugen? Oder über den riesigen Gebirgszug, der Cinta vom Elfenreich trennte und wo tausende Soldatenlager standen?! Und überhaupt, was machte Kai bei den Elfen? Er würde dort versklavt werden, weil er sich die Dreinstigkeit erlaubte, dem Elfenkönig gegenüberzutreten, weil es ihm irgendjemand gesagt hatte. Der Junge lachte leise. Wie stellte sich Exoton das Ganze vor? Kais Entscheidung war in dem Moment gefallen, in dem er sich Raus gedacht hatte. Er hatte aus der Bibliothek wollen, aus der Stadt, aus der gesamten Hügelebene. Er hatte dorthin wollen, wo er hergekommen war. Zu den Sandstränden, den kreischenden Möwen, dem salzigen Meergeruch und den rauschenden Wellen. Nachher, wenn er sich erholt hatte, konnte er immer noch zum Elfenkönig und ihm erzählen, was passiert war. Denn irgendwo ahnte er, dass diese ganze Phyan-Geschichte weitaus wichtiger war, als er es sich eingestehen mochte. Entschlossen packte er die Zügel fester. Donnerhuf preschte aus dem Wald und galoppierte in den Schatten der großen Bäume. Vor ihnen erstreckte sich die weite Landschaft, die rund um Jamka lag. Äcker in verschiedensten Gelbtönen waren zu sehen, Gemüsefelder und –beete. Bauernhöfe mit roten Ziegeldächern sahen wie farbenfrohe Tupfer auf einem bunten Gemälde aus. Ein Ausläufer des Jamky-Flusses schlängelte sich vor ihnen in den ruhigen Wald. Und ganz weit im Norden waren dunkelblaue und dunkelgrüne Berge mit zackigen Spitzen, die beinahe mit dem strahlenden Himmel verschmolzen. Sehnsucht wallte in Kai auf.

       6 Burg Fuchsenstein

      Der gewaltige Gebirgszug ‚Die Kette‘ trennte Cinta im Norden von den ewigen, blauen Ozeanen. Vor den riesigen Bergen mit zackigen Felsspitzen und wilden, dunklen Wäldern, großen Seen und weiten Tälern lag ein immergrünes Hügelland. Zwischen trockenen Beerenbüschen wuchsen weiße, blaue, gelbe und rote Blumen, die sich wild durcheinandergewürfelt auf den Wiesen verteilten. Waldtiere grasten auf diesen fruchtbaren Wiesen und kaum jemand wagte die friedliche Stille zu stören, in der Natur und Lebewesen miteinander harmonierten.

       Inmitten dieser ruhigen Landschaft – von vielen Cintanern als barbarisch und wild betrachtet – herrschte Graf Rutov auf Burg Fuchsenstein.

       Vier Türme mit schmalen, rechteckigen Fenstern verbanden gewaltige Mauern mit mächtigen Zinnen, auf denen gelangweilte Wachen marschierten. Zwischen den grasgrünen Hügeln sah die Burg aus wie ein Grab aus dunklem Stein, dessen schwarze Flaggen mit zwei silbernen, überkreuzten Schwertern im Wind wehten. Sobald man jedoch über die Zugbrücke in den Vorhof schritt, erkannte man, dass es in der Burg von Leben nur so wimmelte. Große Zwinger, aus denen stetiges Bellen und Knurren zu hören war, Pferdeställe, aus denen Schnauben, Wiehern und der Duft von Heu, sowie der Gestank des Pferdemists herausströmten, umgaben den steinernen Hof. Knappen, Tierhüter und Stallburschen lehnten in den Ecken oder saßen am Boden und spielten mit Steinen oder Karten. Wenn ein Herr oder eine Dame aus der gehobenen Schicht vorbeistolzierte, sprangen sie auf, glätteten ihre zerknitterten Hosen oder Röcke und verneigten sich tief.

       Im Innenhof befanden sich die Schmiedewerkstatt, aus der immer fröhliches Hämmern erklang, manchmal Zischen oder sogar erschrockenes Wiehern, die Bäckerei, die alle am Hof mit dem köstlichen Brotgeruch hungrig werden ließ und natürlich die Fleischerei, in der ab und an ein Tier einen Todesschrei ausstieß. Doch heute war die Aufmerksamkeit der Besucher nicht auf die Gebäude im Innenhof gerichtet, sondern auf die riesigen Holzbänke und Holztische, die unter der Last des herrlichen Essens knarrten und ächzten. Adelige, Ritter und höher gestellte Diener und Ammen saßen da, lachten und feierten ausgelassen.

       Der Graf selbst – ein rothaariger, bärtiger Mann mit dickem Bauch – gab gerade eines seiner alltäglichen Feste. Er saß vorne auf dem reich verzierten Sessel, schwang seinen vergoldeten Kelch und grölte: „Esst! Trinkt!“

       Die Ritter erwiderten das mit lautem Gejohle und stießen ihre Gläser gen Himmel, sodass die Hälfte des teuren, roten Weines zu Boden geschüttet wurde. Dann stürzten sie ihn rasch hinab. Die feinen Adeligen fielen in die Feier mit ein, die Bauern, Dienstmägde, Knappen, Kinder und anderen, die gekommen waren oder auf Fuchsenstein wohnten, schnappten sich Essen, stopften es sich in den weit aufgerissenen Mund und grunzten unheimlich dabei. Soße lief ihnen über die verdreckten Hände und sie wischten sich mit den staubigen Ärmeln über den Mund. Gelächter, Gejohle und Gebrüll erfüllte den Innenhof, Gaukler mit bunten, wild zusammengewürfelten Gewändern sprangen plötzlich auf den Tisch, was mit Gelächter quittiert wurde. Sie tanzten, warfen Essen durch die Gegend und vollführten Kunststücke, während sie sangen und Grimassen schnitten.

       Die arbeitenden Diener und Mägde hatten viel damit zu tun, frische Gerichte zu bringen und leere Teller abzuservieren. Ein Mädchen in einem grauen Dienstkleid, das sie als Magd kennzeichnete, huschte mit einem Stapel Teller durch die Menge. Ihre dunkelbraunen Haare bewegten sich leicht im Wind und ihre blauen Augen blickten mürrisch und gereizt auf die Feiernden, die sie mit neugierigen oder misstrauischen Blicken streiften.

       Was sie von den lachenden Menschen unterschied, war die unnatürlich blasse Hautfarbe und die kirschroten, geschwungenen Lippen. Sie hatte eine schmale, gerade Nase, ein wenig spitz zulaufende Ohren und ein ovales, fein gezeichnetes Gesicht. Jeder, der sie sah, murmelte: „Elfenbastard!“

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