Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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zu packen … als sie sie erwischten. Lya starrte auf die zusammengesunkene Gestalt unter ihr. Das Kleid war am Bauch vollkommen zerfetzt, Blutspuren zogen sich über den Boden und sammelten sich in Lachen. Entsetzt sank Lya neben ihrer Mutter auf die Knie. Blut floss in Strömen aus ihrem Hals. Sie war bereits bleich und voller Schrammen, aber ihre Augen blickten immer noch liebevoll, als sie ihre Tochter musterte. Lya fühlte, wie ihr schlecht wurde. Das Kind … die Räuber hatten das Kind getötet! Sie schluckte die Übelkeit hinunter, ihre Augenwinkel brannten. Dann blickte sie zu ihrer Mutter, die sie am Handgelenk gepackt hatte: „Lya … ich … sterbe …“ „Nein“ Lya schüttelte wild den Kopf. Tränen spritzten auf den Boden. „Nein, nein. Mama, nein, das wirst du nicht. Ich bringe dich hinaus und … nein, Mama!“ Jastia lächelte sanft. „Der Brand … er wird … alles vernichten … nimm dein Bündel … und Nahrung … geh …“ „Nein, Mama!“ Verzweiflung machte sich in Lya breit. Tränen verschleierten ihre Sicht, sie fühlte nur den schwachen Griff um ihr Handgelenk. Sie packte die Hand ihrer Mutter und hielt sie fest. „Lya … flieh – geh … zu deinem Vater …“ Jastia schnappte nach Luft. Sie krampfte sich zusammen, als würde sie einen Hustenanfall unterdrücken. Ihre verzweifelten Augen wollten ihrer Tochter, die aufgelöst neben ihr kniete, das letzte Geheimnis offenbaren: „Er ist …“ Plötzlich bog sich ihr Rückgrat durch. Lya zuckte entsetzt zurück, als Jastia erschrocken dreinblickte … und plötzlich lächelte. Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück. Lyas Augen leuchteten auf. Dann sank Jastia zurück, ihre Augen verdrehten sich und ihr Körper schien in sich zusammenzusinken. Klein, zusammengekauert, blutverschmiert, mit einem friedlichen Lächeln auf den Lippen lag Lyas Mutter da. Sie hatte ihrer Tochter nie erzählen können, bei wem es sich um ihren Vater handelte, dass sie ihn geliebt hatte wie keinen anderen und dass er sicher stolz auf sie gewesen wäre. In Lya explodierte etwas. Es war, als würde man ihr den Boden unter den Füßen wegziehen. Schluchzend warf sie sich über die Leiche, heulte, schrie und jammerte. Tränen flossen über ihre Wangen und tropften auf Jastias Gesicht, sie trauerte um ihren Vater, um ihre Mutter, um das ungeborene Kind, dass keine Chance gehabt hatte, nicht einmal die, zu leben, und um die zahlreichen Opfer der Räuber. Warum? Warum? WARUM? Sie wusste nicht, wie lange sie weinte, ehe sie das Geräusch des Regens hörte. Blinzelnd blickte sie auf, erhob sich zitternd und wankte zum Fenster. Mit rasendem Herzen starrte sie auf die verschwimmenden Umrisse des Dorfes im prasselnden Regen. Die Räuber … Einen Moment stockte sie. Diese rücksichtslosen Männer waren Schuld. Sie hatten Unschuldige überfallen und getötet. Sie zogen mordend durch die Länder, betrogen, stahlen, misshandelten und ruinierten alles. Alles. Familien, Freundschaften, Reichtum, Besitz, Herzen, heile Knochen … und den Frieden. Lyas Mund spannte sich an, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Die blauen Augen blitzten gefährlich, ihre Wangen wurden brennend heiß. Diese nichtsnutzigen, behinderten, kranken, sich von Alkohol ernährenden, barbarischen Hundebastarde! Mit einem wütenden Knurren fuhr sie herum, fand sich plötzlich auf allen Vieren wider, kümmerte sich aber nicht darum. Sie war erfüllt von dem Hass, der Wut, die ihr Kraft und Energie gaben. Wie eine Wildkatze rannte sie aus dem Zimmer, an Leyihos Leiche vorbei, die Stufen hinunter, in den Regen. Wasser fiel auf sie nieder, durchweichte ihr Fell und ließ ihre Nackenhaare aufstehen. Trotzdem roch sie alles, das Blut, die Angst, den Schweiß, den Schmutz und den Gestank, den die Räuber hinterlassen hatten. Sie sah die scharfen Umrisse des Gartentores vor sich und verharrte einen Moment lang so. Regen perlte an ihrem Fell entlang, tropfte von ihrer weichen Schnauze. Dann sprang sie mit einem gewaltigen Satz über den Zaun, landete auf allen Vieren und rannte die Straße entlang hinaus. Sie überquerte die Hügel, zwischen deren Gräsern sich Lacken bildeten und ihre Pfoten eiskalt badeten. Mit geschmeidigen, schnellen Bewegungen arbeitete sie sich zu den Bergen vor, die wie schwarze Schatten unheimlich in der Ferne aufragten.

       8 Ein Schneeleopard im Wald

      Lya sprang rasch in die schützenden Schatten. Dunkle Zweige, Äste und Büsche ragten neben ihr auf. Knurrend sprang sie weiter, zwischen aus der Erde ragenden Felsen umher, an Wurzeln vorbei und über kleine Flüsse.

       Irgendwann begann sie zu keuchen. Sie wurde langsamer und betrachtete ihre Umgebung eingehender. Die Wut war längst verflogen, das Gefühl von Hunger und Kälte hatten sich in ihr breitgemacht. Unsicher blieb sie stehen und starrte hinab auf das schlammbedeckte, schneeweiße Fell und die scharfen, schwarzen Krallen. Sie roch Wasser. Nicht den Regen, der gegen das Blätterdach trommelte und den Waldboden feucht machte. Flusswasser.

       Die Pfoten des Raubtieres wühlten den Boden auf. Es duckte sich unter Farnen und Kräutern, die seine Haut streiften und unter kleinen, schattenhaften Ästen, die im Weg waren. Die Pfoten hinterließen tiefe, schwere Abdrücke im aufgewühlten Schlamm. Schließlich wurde Lya fündig.

       Vor ihr rauschte ein Fluss, der sich tief in den Boden gegraben hatte, dank dem Unwetter allerdings hoch stand. Sie blickte hinein und zuckte zusammen, denn ein schneeweißer Leopard mit blauen Augen blickte ihr entgegen. Die feinen Schnurrhaare standen elegant von der Schnauze ab, die Ohren zuckten nach vorne, als sie sich für ihren Anblick interessieren zu begann und das Fell verschob sich leicht, als sie ihre geschmeidigen Muskeln bewegte, um den Kopf zu senken und mit der Zunge Wasser in ihre ausgetrocknete Kehle zu schöpfen.

       Lange kauerte sie auf diese Weise da. Die schwarzen Punkte auf ihrem Fell wirkten wie von Künstlerhand aufgetragen. Allerdings würde das schneeweiße Fell ein Problem darstellen – so war sie für jeden sichtbar.

       Dann kam ihr der Gedanke, dass ihre Verwandlung mit dem Wutanfall zu tun gehabt, den sie bekommen hatte. Oder von der seltsamen Erscheinung des Leoparden, der ihr die Kette überreicht hatte. Die Kette!

       Sie starrte zu ihrem Fuß. Da war sie, das Lederband hatte sich im Fell ihrer Tatze vergraben, der Diamantschlüssel verschmolz mit dem Weiß der feinen, dichten Haare.

       Was sie auf die Frage zurückführte … Warum war sie ein Leopard? Konnte sie wieder Menschengestalt annehmen? Wenn ja, wie? War sie eine Art Hexe, dass sie das konnte? Sie war dafür strafbar, ohne die Erlaubnis des Königs Magie auszuüben … Oder kam das davon, weil ihr Vater ein Elf war und ihr so gewisse Fähigkeiten vererbt hatte?

       Lya schüttelte leise den Kopf. Das war nun nicht von Bedeutung. Sie war weggelaufen und würde nicht so schnell auf diese lächerliche Burg zurückkehren. Vermutlich waren dort bereits alle tot. Leid tat es ihr um niemanden. Außer um Clemin. Schlechtes Gewissen überfiel sie, dann wandte sie sich ab und ging zu einem Baum mit dickem Stamm.

       Sie benutzte ihre scharfen Krallen, die sich in das Holz bohrten, um hinaufzuklettern und suchte sich einen Platz in der dichten Krone, umgeben von smaragdgrünen Blättern. Lya legte sich in einer bequemen Position hin – soweit man es als bequem betrachten konnte, in einem Leopardenkörper auf einem Baum zu liegen – und ließ ihren Kopf auf den großen Pranken ruhen.

       Sie schloss die Augen. Kopfschmerzen überfielen sie, ebenso wie die Müdigkeit von der Aufregung und dem langen Lauf. Schneller, als ihr lieb war, glitt sie in einen traumlosen Schlaf.

      Am nächsten Tag fand sie heraus, dass es nicht einfach war, von dem Baum wieder hinunterzukommen. Auf allen Vieren glitt sie zum Wasser und senkte den Kopf, um zu trinken. Goldenes Licht fiel zwischen den Bäumen auf den Waldboden und wärmte ihr Fell. Sie streckte sich, wobei sie die Vordertatzen in den Boden grub und gähnte. Sie stellte sich vor, wie die spitzen Reißzähne entblößt wurden und entschied, dass sie einen furchterregenden Eindruck machte.

       Lyas Magen grollte.

       Was sollte sie essen? Sie hatte ja nicht einmal das Bündel mitgenommen, das ihr Jastia hergerichtet hatte. Ein schmerzlicher Stich überfiel sie. Sie schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich auf ihre jetzigen Probleme. Essen. Sie brauchte Nahrung.

       Wäre sie doch nur ein Mensch! Kaum hatte sie das gedacht, stand sie auf allen Vieren – wie ein Kleinkind – mit blutverschmierter Bluse und grauem Magdrock

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