Die Wächter. Elisabeth Eder
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„Die Frage ist wohl eher, wer du bist. Ein geflohener Soldat?“, fragte der Zwilling mit der Narbe und lächelte. „Ein Dieb, der einem Soldaten die Kleider weggenommen hat?“
„Ich – ich bin auf der Flucht“, sagte Kai rasch. „Mein Name ist Kai und ich will in die südlichen Dörfer. Ich komme von Jamka und … wie bin ich hierhergekommen?“
„Du bist zusammengebrochen. Wir haben dich bei der Jagd gefunden. Wahrscheinlich hat dich die Sonne zu sehr erwischt, aber ohne dein Pferd hätten wir dich nie gefunden“, lachte der Narbenzwilling. „Ich bin übrigens Jain. Das ist Theo, mein Bruder.“
Kai befühlte seine brennende Stirn und zog die Hand rasch zurück. „Danke.“
„Keine Ursache. Allerdings müssen wir dich warnen. Vater ist -!“
In dem Moment trat ein stämmiger, großer Mann mit blonden Locken herein. Er trug keine schwarze Tunika, sondern edles Gewand, das mit goldenen Löwen bestickt war. Sobald er Kai sah, zog er die Brauen zusammen und fragte: „Bist du ein treuer Diener Zoltans, Soldat?!“
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Reisender auf der Flucht. Die Rüstung ist gestohlen. Ich war nie ein Anhänger Zoltans und habe nicht vor, einer zu werden.“
Der Vater der Zwillinge nickte, noch immer misstrauisch.
Eine hübsche Frau mit hellbraunem Haar trat ins Zelt. Sie trug ein einfaches Kleid und hatte eine Kette mit Holzperlen um ihren Hals gehängt. Ihr Blick wanderte zu den verunsicherten Zwillingen, zu ihrem misstrauischen Gatten und zu dem fiebrigen Jungen: „Halwadar, lass ihn sich ausruhen.“
„Ich habe nichts mit dem König zu tun!“, sagte Kai noch einmal, weil er Angst hatte, seine Wohltäter könnten ihn gleich wieder hinauswerfen. Der Riese stand mit verschränkten Armen da und starrte zu dem Sitzenden hinab, der sich zunehmend nervöser fühlte.
„Da bin ich mir sicher“, lächelte die Frau und warf dem Häuptling einen strengen Blick zu. „Leg dich wieder nieder und ruh‘ dich aus.“
„Exoton hat uns vor diesen Leuten gewarnt. Es könnten Spione sein und vor Lügen machen sie keinen Halt!“, sagte Halwadar und Besorgnis lag in seiner Stimme.
Kai horchte auf. „Exoton? Ich kenne ihn.“
„Sprich weiter“, forderte ihn der Häuptling auf.
Der Dieb beschloss, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken – immerhin konnte Exoton in den nächsten Tagen bei seinen alten Freunden auftauchen. Und herausfinden, dass er nicht zum Elfenkönig gegangen war … Schlechtes Gewissen bildete sich in seiner Magengegend.
„Er war mit ein paar anderen in der Stadt. Wir haben gemeinsam ein Buch aus der Bibliothek von Phyan gestohlen. Danach gab es allerdings Kämpfe und ich wurde von den Soldaten aus der Stadt vertrieben“, erklärte er.
Halwadar musterte ihn: „Das heißt du bist der Anführer einer kleinen Diebesbande gewesen.“
„Ich will nur zu den Fischerdörfern“ Kai senkte müde den Blick. Innerlich verfluchte er sich dafür, gleich alles preisgegeben zu haben. Das war sonst auch nicht seine Art.
Halwadar schwieg lange, dann überwand er sich. Immerhin hatte Exoton mit dem Jungen zusammengearbeitet. „Du darfst bleiben, bis du wieder vollständig ausgeruht bist.“
Er drehte sich um und schritt hoch erhobenen Hauptes wieder aus dem Zelt. Die Frau zwinkerte Kai zu und sagte: „Alles in Ordnung. Ruh dich am besten weiter aus. Theo, bring frische Tücher für seine Stirn und seine Wangen.“
Der Zwilling nickte und warf Kai einen schelmischen Blick zu; dann lief er hinaus. Kai stützte den Kopf in die Arme. Dann fragte er: „Wo ist mein Pferd?“
„Es grast draußen. Ein prächtiges Schlachtross“, grinste Jain.
Kai wunderte sich, dass es hier Gras gab, legte sich aber trotzdem beruhigt nieder. Donnerhuf würde sich zurecht finden. Aber er hatte noch zwei Fragen. „Wie lange bin ich schon hier?“
„Zwei Tage“, erklärte die Frau. „Du hattest zwischendurch immer wieder Fieberschübe. Wir dachten schon, wir verlieren dich.“
„Und wie lange dauert meine Genesung?“
Sie lächelte. „Das hängt ganz von dir ab.“
10 Lyas Entscheidung
In der steinernen Hütte waren ein grobes Bett, ein kleiner Tisch mit einem Handspiegel und ein Kasten. Lya hatte Essen und Trinken von Sylons Frau, Alma, bekommen. Dann hatte ihr die junge Dame geraten, sich in einen Leoparden zu verwandeln und das Fleisch zu fressen, da sie zwei Körper zu ernähren und auszuruhen habe.
Das hatte sie getan und in ihrer Leopardengestalt hatte sie einige Stunden geschlafen.
Nun – wieder als Mensch – saß sie auf dem Bett und seufzte leise. Bis jetzt hatte sie noch keine Erklärungen erhalten.
Allerdings war Lya noch nicht aus der Hütte gegangen. Diese Leute hielten sie für eine Königin, eine Königin, die sie nicht war. Sie meinten, Lya würde sie aus irgendeinem Untergang retten, so viel hatte sie mitbekommen. Aber nur, weil sie als Schneeleopard durch die Gegend gepirscht war, war sie nichts Besonderes. Sie war ein Mädchen, das ihre Eltern an grausame Verbrecher verloren hatte und nun immer unruhiger wurde, weil es nichts zu tun gab, womit sie sich ablenken konnte.
Es klopfte.
Sylon trat ohne Zögern ein. Wie immer trug er das grüne Filzstoffgewand und hatte einen Bogen um die Schultern geschnallt. Er trat zu ihr und seufzte: „Du weißt von nichts, ist es nicht so?“
„Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht“, bestätigte Lya.
Sylon kratzte sich am Hinterkopf und erklärte: „Ich dachte, du wüsstest es bereits, aber … Alma hat gemeint, ich sollte mit dir reden. Zuerst will ich aber, dass du mir deine Geschichte erzählst.“
„Meine Geschichte?“ Lya stutzte. Dann begann sie, vom Anfang. Sie erzählte von ihrer Herkunft, von ihrem Ziehvater, ihrer Arbeit auf Burg Fuchsenstein; von dem Leoparden, der ihr die Kette gegeben hatte, von dem Überfall der Räuber bis zu dem wütenden Knurren, mit dem sie sich zum ersten Mal verwandelt hatte. Schließlich schilderte sie in knappen Worten ihre Reise und schwieg.
„Dann beginne ich auch mal von Anfang an“ Sylon holte tief Luft. „Am Anfang lebten wir Wächter in Phyan. Es gab verschiedene, kleine Menschenstämme, deren Mitglieder sich in Tiere verwandeln und mit Magie umgehen konnten. Jedem Stamm gehörte ein Bereich auf dem Land. Natürlich kam es auch immer wieder zu Bürgerkriegen, in denen die Leoparden – bis auf ein Männchen und ein Weibchen – ausgelöscht wurden. Die anderen Stämme beschlossen, nachdem sie den Irrsinn ihre Kämpfe bemerkt hatten, sie zu König und Königin zu machen. Sie sollten über die anderen herrschen, als Zeichen der Reue und als Bitte um Vergebung. Seitdem gab es immer nur zwei Leoparden, eine Frau und einen Mann. Sie herrschten gut sowie schlecht, pflegten die diplomatischen Beziehungen zu den Elfen, Zwergen und Menschen und lebten in Eintracht und Harmonie, führten Kriege und schlossen Verträge.
Die Königin besaß den Diamantschlüssel, den Schlüssel zu den Thronhallen, in dem die Kronen aufbewahrt