Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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Phyan, von alten Sitten, Bräuchen, Legenden und Höflichkeitsfloskeln, die man als Königin wie den eigenen Geldbeutel kennen musste. Eine Geschichte blieb Lya besonders im Gedächtnis: „Es war einmal eine Hyäne, die rühmte sich damit, einen Leoparden geschlachtet zu haben. Der Mann trug das Fell immer um die Schultern, zum Zeichen seines Mutes, denn er hatte es gewagt, sich mit dem Geschlecht der Leoparden anzulegen. Stolz und von sich überzeugt, präsentierte er seine neue Pracht auf einem Fest, das König und Königin gaben. Daraufhin wurden die beiden wütend, denn sie spürten das Leid des Leopardengeistes, der seines größten Schatzes beraubt worden war und der König verwandelte sich und tötete ihn. Seitdem wagt es niemand mehr, einen Leoparden zu jagen.“ Die Berge wurden sanfter, die Wälder spärlicher. Wo vorhin noch riesige Täler und Schluchten gewesen waren, waren unebenmäßige Erhebungen in der Landschaft zu sehen. Und dann wurde auf einmal alles flach. Im Morgengrauen starrte Lya fassungslos hinab auf den riesigen Wald, der sich bis weit über den Horizont erstreckte. Eine dunkelgrüne Wand aus raschelnden Bäumen wucherte überall im Land. Völlig überwältigt lockerte sie ihren Griff. Sylon blickte warnend nach hinten und Lya klammerte sich rasch wieder fest. Rotgoldenes Licht ergoss sich über die stillen Riesen unter ihnen, als sie eine Lichtung fanden. Nachdem sie gelandet waren und ihr kleines Schlaflager errichtet hatten, fragte sie: „Wie groß sind die Wälder?“ „Niemand weiß es. Sie sind dunkel und weit. Hier oben im Norden sind sie wild, aber weiter im Süden gibt es viele Soldatenlager und geheime Ausbildungsstätten für Magier“, erklärte Sylon und gähnte, dann rollte er sich zur Seite und schlief ein. „Wir werden zu Fuß weiter reisen. Hier sind wir den Menschen zu nahe“, erklärte Alma und deckte sich zu. „Heute werden wir in der Nacht schlafen.“

       13 Trollblut

      Es hieß, die Dunklen Wälder seien gefährlich. Überall zwischen Ästen und Zweigen lauerten Gefahren. Wilde Tiere fielen Menschen an, Dämonen trieben ihren Spaß mit Wanderern. Das mächtige Reich aus Bäumen, Wurzeln, Felsen, Farnen und Kräutern war von schmalen Pfaden und dünnen Bächen durchzogen. Barbarische Völker lebten dort, fraßen ihresgleichen und stellten Menschenfallen.

       Nur die Verzweifelten, die keine Hoffnung mehr hatten, nahmen den Weg durch diese unersättliche Wildnis, in der sogar die Wurzeln Lebewesen verschlangen.

       Kai wusste nicht, wie lange er schon reiste. Donnerhuf ging nur noch mit gesenktem Kopf, auch Kais Kräfte schwanden langsam. Er ernährte sich von Beeren und Gestohlenem, das er Wanderern abgenommen hatte. Wie ein ängstliches Tier zuckte er bei jedem Geräusch zusammen. Schatten streiften um ihn herum, Tiere fauchten und knurrten, wenn er vorbeiritt. Die Angst kroch in seine Knochen und ließ sein Herz gefrieren.

       Er wollte nur noch weg. Weg aus diesem Labyrinth aus Bäumen, Sträuchern und Ästen, die nach ihm griffen, Tieren, die auf ihn lauerten. Sobald er andere Menschen hörte oder sah, ritt er den Stimmen nach, kam zu kleinen Holzhütten, wartete bis in die Nacht und stahl dann Essen.

       Einmal war ein Mann aufgewacht. Er hatte geschrien. Kai hatte mit dem Messer nach ihm geschlagen und sogar getroffen. Danach war es totenstill gewesen. Er wusste nicht, ob er ihn getötet hatte, aber er war geflohen und wollte nie wieder daran denken.

       Er war unruhig. Er suchte, aber er fand nicht, dabei war er sich nicht sicher, was er suchte und was er finden musste.

      Alles wurde klarer, friedlicher. Lya blickte zu dem goldenen Licht, das am braunen Waldboden tanzte. Sie lauschte den Erzählungen von Java. Vor ihr gingen Niono und Erich, die sich einen Weg durch das Gebüsch schlugen. Im Unterholz stieß man auf die merkwürdigsten Formen von Ästen, Wurzeln und Dornen, die sich darum rankten, aber bis jetzt hatten sie immer einen guten Unterschlupf gefunden.

       Lya wusste nicht, wie lange sie schon reisten. Sie wusste nur, wie ihr Tagesablauf aussah. Aufwachen, mit Alma jagen gehen – sie hatte mittlerweile einige Tiere geschossen, die ihr bitter Leid taten – und Frühstücken. Danach machten sie eine kurze Pause, in der Lya alles wiederholte, was ihr beigebracht worden war und schließlich gingen sie. Vor dem Mittagessen trainierte sie mit den anderen das Schwertkämpfen und danach marschierten sie bis am Abend und ließen sich in ihre mittlerweile schmuddeligen Schlafmatten fallen, nachdem sie sich gewaschen hatten.

       Sie kamen an verschiedenen Dörfern vorbei, wo sie ihre Proviantbeutel wieder mit Seifen, Nahrung und Stofffetzen, Nadel und Faden füllten, erkundigten sich unauffällig bei den Dorfbewohnern nach Neuigkeiten und reisten so bald es ging weiter. Die Soldaten des Königs hielten die Reisenden öfter an, je weiter sie nach Süden kamen, ließen sie aber unwillig weiterziehen, weil die Gruppe ja aus „armen, unschuldigen Reisenden auf der Suche nach neuem Glück“ bestand.

       Eine Gruppe von Räubern wollte sie einmal in eine dunkle, verlassene Höhle locken, aber sie gingen weiter und die Bande verfolgte sie zum Glück nicht.

       In all diesen Gedanken verhing Lya, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.

       Erich schlug mit seinem Schwert einen Dornenstrauch nieder. Die Ranken vergruben sich in seiner Hose und er fluchte leise, als er ein tiefes Knurren hörte. Rasch fuhr er herum und hob das Schwert, als er in zwei funkelnde, gelbe Augen blickte, sowie in ein weit geöffnetes Maul. Der Gestank, der daraus hervordrang, warf ihn fast um. Die grüne, faltige Haut des Trolls war von einem löchrigen Mantel bedeckt. Speichel tropfte aus den Mundwinkeln, riesige Fangzähne schimmerten weiß.

       Wie er da im Gebüsch hockte, verschmolz er mit seiner Umgebung.

       All dies nahm Erich in der einen Sekunde wahr, ehe der Troll mit einem wilden Brüllen aus dem Versteck sprang. Schreiend wich der Greif zurück, hob das Schwert, aber er war zu langsam und das Getier landete auf ihm. Erich prallte auf die Erde, die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Er wusste, dass sein Ende gekommen war.

       Mit zusammengebissenen Zähnen wartete der Krieger darauf, dass er in Sekundenschnelle einen tödlichen Hieb bekommen würde. Etwas Heißes rann über seine Brust, er zitterte. Sein Herz würde gleich herausgerissen werden und noch immer wurde niemand panisch. Er hörte keine überraschten Schreie. Waren sie geflohen?

       Er würde verbluten. Allein.

       Allerdings blieb das aus.

       Stattdessen hievte jemand den gigantischen Körper von ihm und er blickte in Sylons grinsendes Gesicht: „Du siehst aus, als hätte dich ein Troll angefallen!“

       Fassungslos starrte Erich an sich hinab. Er erblickte ein Rinnsal aus Blut an seiner Brust, allerdings war er selbst unverletzt. Langsam drehte er den Kopf zur Seite. In der Brust des Trolls steckte ein Pfeil. Mit leblosen, weit aufgerissenen Augen starrte er ins Leere, die Muskeln schlaff und unbeweglich.

       Erich blickte zu den anderen. Rosali – seine Frau – sah aus, als wäre sie einem Ohnmachtsanfall nahe. Er verstand erst, wer seine Rettung gewesen war, als Rosali mit einem leisen Schluchzen auf die Knie fiel und den Kopf tief vor Lya senkte: „Danke – danke!“

       Seine Königin stand mit wilden, ungebändigten Haaren da, der dunkelgrüne Rock wurde von einem Windstoß aufgewirbelt. Das Schwert hing am Gürtel, ebenso wie ein kleiner Beutel, ein Dolch steckte im Leder. Der Rucksack lag achtlos am Boden. Sie hielt den Bogen noch immer in ihrer Hand, unter der grünen Bluse zitterte sie.

       Langsam ließ sie den Bogen sinken und starrte ihn bleich an.

       Erich verlor in diesem Moment all seine Zweifel. Er kniete sich nieder und streckte ihr mit beiden Armen sein Schwert entgegen: „Meine Königin … Ich schwöre Euch, ich werde Euch mit meinem Leben beschützen.“

       Lya starrte auf den Knieenden. Sie gab sich einen Ruck, schnallte den Bogen an ihrem Rücken fest und ging zu dem Mann. Mit zuckenden Fingern nahm sie sein Schwert und

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