Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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sie aus großen, gelben Augen durchdringend an.

      „Und Katzen sind es?“ Quie musste Schmunzeln. „Du denkst doch nicht etwa, ich würde hierbei einfach zusehen? Ich werde sie mit guten Geistern beschützen.“

      Der Kater schnaubte. „Natürlich. Erwarte nie von einem Elfen eine klare Antwort. Ich werde mich selbst darum kümmern müssen.“

      Mit einem Satz verschwand auch er im Nebel und Quie wandte sich nachdenklich den funkelnden Sternen zu, in denen das Schicksal von zwei Mischbluten geschrieben stand.

       1 Das Leben eines Diebes

      Kai kniete am Ufer des schmutzigen Flusses. Seine geflickten, dreckigen Stiefel hatten sich tief in den Sand gegraben, so lange lauerte er bereits an dieser schattigen Stelle. Schimmernde Farbspuren zogen sich durch das trübgraue Wasser, an den Ufern klebten grüne Algen, Dung und verschiedener Mist von den Menschen, die achtlos daran vorbeigingen und ihn wegwarfen.

       Kaum jemand vermochte den unscheinbaren Jungen zu bemerken, der da unter der kalten Steinbrücke hockte und mit scharfen Augen ins stetig vorbeifließende Wasser starrte. Über ihm türmten sich die mächtigen Steinbauten Jamkas auf, die eckige Schatten über die Händler und Kaufleute warfen, die mit schweren Karren oben vorbeizogen. Das Geschrei der Tiere war zu hören, das Geräusch herumgeworfener Ware und das Gefluche verschiedener Fußgänger.

       Plötzlich schnellte Kais Hand in das eisige Nass und zog ein Kästchen hervor. Zufrieden erhob er sich auf die Füße, rieb das fein gearbeitete Holz am Saum seines dreckigen Hemdes trocken und steckte es in die Hosentasche.

       Er krempelte sich die Ärmel wieder hinunter und huschte an einer schmalen, nassen Steintreppe auf die Brücke, wo er sich prompt mitten im Gedränge widerfand.

       „Aus dem Weg!“

       Ein griesgrämiger Händler stieß ihn achtlos zur Seite. Er trug einen großen, geflochtenen Korb voller exotisch aussehender Früchte. Als er vorbei war, fehlte eine der leuchtenden Nektarinen. Kai hob eine Augenbraue, biss in die süße Frucht und dann ließ er sich vom Strom der Menschen forttragen. Gesprächsfetzen drangen ihm an die Ohren, manchmal rempelte ihn jemand unsanft an, lachende Kinder liefen zwischen den geschäftigen Menschen umher.

       Kai musste sich regelrecht zu einer schmalen Seitengasse kämpfen, in der die fröhlichen Gespräche nicht mehr zu hören waren. Zwei Häuser aus Lehm und Stein ragten links und rechts von ihm auf, pechschwarze Lacken hatten sich am Boden gebildet, hölzerne Kisten stapelten sich in den Ecken und der Gestank von fauligem Fleisch lag in der Luft.

       Ohne sich noch einmal umzudrehen lief Kai weiter und kam an eine Weggabelung. Zielsicher nahm er die linke Straße. Als hätte er sein Leben nichts anderes getan, huschte Kai durch das enge Gassenlabyrinth, nahm immer ohne zu Zögern einen Weg und tauchte in schützende Schatten, sobald jemand vorbeiging. Meist waren es nur Bettler oder harmlose Betrunkene, die herumtorkelten, aber einmal kam er an einer Patrouille von Soldaten vorbei.

       Als er die knirschenden Schritte hörte und das leise Gemurmel aus tiefen Stimmen, warf sich Kai hinter einige Holzkisten und spähte vorsichtig durch einen groben Riss im morschen Holz. Er wagte nicht zu atmen, als die großen Gestalten mit Kettenhemden und Panzerungen an Schulter und Stiefeln vorbeigingen. Sein Blick blieb an den ledernen, pechschwarzen Wamsen hängen, das sie vor Attacken schützen sollte, an den langen, schmalen Schwertern, die mitsamt eines Dolches und eines Schlagstockes an ihren Gürteln ruhten.

       Kai versuchte, durch die Silber glänzenden Helme in die Augen der Soldaten zu sehen, um abzuschätzen, ob sie bereit wären, etwas zu kaufen oder nicht. Einige der Soldaten kauften nämlich gelegentlich Straßenkindern wie ihm Wertgegenstände ab.

       Allerdings verriet ein Teil ihres Gesprächs, dem er lauschte, dass Kai sich nie blicken lassen dürfte, selbst wenn sein Leben davon abhängen würde.

       „… hat gesagt, dass wir in den Straßen ausschwärmen sollen und diese elenden Kinder mitnehmen müssen.“

       „Schon wieder? Wieso?“

       Der, der vorher gesprochen hatte, stöhnte genervt. „Ja, schon wieder. Sie werden zu Sklaven, Bediensteten oder sie gehen in den Soldatendienst.“

       „Oder sie gehen in die Mienen, nicht wahr?“

       „Oder werden verfüttert. Es gibt immer weniger Nahrung für die Dämonen. Wir müssen rasch etwas weiterbringen, sonst sind die gewöhnlichen Bewohner noch dran!“

       Kai zog seine Brauen zusammen, als sich die Schritte entfernten und die Stimmen leiser wurden.

       „Ja. Am Schlimmsten sind diese … wie sie heißen … keine Lust.“

       „ … nicht Sorgen … genügend Sklaven.“

       Als die schweren Schritte verklungen waren, entspannte Kai seine Muskeln und sprang lautlos auf die Füße. Die Soldaten schwärmten alle paar Wochen aus und nahmen jeden, der auf der Straße lebte oder auch nur so aussah, gefangen.

       Er selbst hatte es immer wieder überlebt, aber trotzdem war jedes Mal Vorsicht geboten. Kai musste beinahe Grinsen, als er sich daran erinnerte, wie er sich vor einem halben Jahr einige Stunden in einer stinkenden Kloake versteckt hatte, um von den Hunden nicht gefunden zu werden.

       Immer tiefer führte ihn sein Weg durch die Gassen. Rußgeschwärzte Häuser säumten seinen Weg, Abfallhaufen lagen neben Türen, in offenen Fässern schwammen gesalzene Fische mit penetrantem Geruch, schmutzige, halb zerstörte Kisten, Karren und zerrissene Stofffetzen lagen am Boden. Ein kleiner, blasser Junge hob mehrere davon auf, schreckte zusammen, als er Kai sah und floh mit großen, ängstlichen Augen rasch in eine der Seitenstraßen.

       Kai wusste genau, dass er manchmal furchteinflößend wirkte. Er hatte braunes, ungezähmtes Haar und dunkelgrüne Augen, vor denen die Menschen oftmals Angst hatten. Seine Gesichtszüge waren zu fein geschliffen, als dass er ein reinblütiger Mensch hätte sein können, seine Ohren eine Spur zu spitz. Er hatte einen großen, schlanken Körper und trug meist dunkle Kleidung. Vielleicht machten ihn all diese Dinge für die Menschen unheimlich, aber womit er sich selbst manchmal erschrecken konnte, war sein Blick. Kai konnte mit Blicken buchstäblich töten, wenn er es wollte. Seine Augen waren – wenn er in den Spiegel blickte und vermutlich auch sonst – finster und leer.

       Gründe dafür gab es viele, aber Kai verdrängte sie gerne. Nur manchmal brodelten die Gefühle und Erinnerungen in ihm und dann hatte er das Gefühl, zu bersten, wenn er seine Wut nicht an etwas oder jemandem ausließ.

       Er blieb vor einer Steinmauer, an der Blutspuren klebten – woher kamen sie? – stehen und lugte misstrauisch auf das alte Gemäuer. Er tastete mit den Fingerspitzen nach seinem Dolch, steckte den eisernen Griff zwischen die Zähne und trat zurück, um Anlauf zu nehmen.

       Mit einem katzenhaften Sprung fasste er an den obersten Rand und zog sich schwungvoll hinauf.

       Er hockte einige Augenblicke auf der Mauer, nahm den von braunem Gras und blassgrünem Unkraut übersäten Innenhof in Augenschein. Ein Brunnen thronte in der Mitte, zwischen dessen losen Geröllbrocken Pflanzen wucherten. Wachsam suchten Kais Augen die Gräser ab, er besah sich das zertrampelte Gras genauestens, um ungewöhnliche Spuren zu entdecken.

       Auch als sein Blick zu dem halb verfallenem Holzhaus wanderte, das mehrere Meter in die Höhe schoss, wobei einzelne Stockwerke eine Wand zu wenig besaßen oder das Holz verkohlt und morsch war, fand er nichts verdächtiges. Der Wind zischte wie immer über die verrosteten Dachziegel, die das Dach zu einem

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