Die Wächter. Elisabeth Eder
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Kai starrte noch lange hinaus auf die Sterne. Die einzelnen Lichtpunkte funkelten ihm zu, blitzten und strahlten. Der Vollmond thronte über ihnen und schien über die Nacht zu wachen.
Aber er konnte nicht in die verborgensten Winkel der Stadt leuchten, die finsterer waren als jede Schlucht und er konnte auch nicht Licht und Hoffnung in die Seelen bringen, die verzweifelt, bitter und kalt waren.
„Trotzdem ist das Licht da und jeder kann frei entscheiden, ob er hineintreten will oder nicht“, murmelte eine Stimme in Kais Hinterkopf. Mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen legte er sich auf seine Decke und schlief ein, beruhigt von dem stetigen Rauschen des Windes.
Kai rannte. Riesige Gebirge türmten sich vor ihm auf, wie gewaltige Hindernisse. Er schlängelte sich hindurch, musste sich öfter ducken und vor den Schatten verstecken, die überall lauerten. Gefahr. Er spürte sie von überall. Sie kroch auf ihn zu, flüsterte ihm Drohungen und süße Versprechen ins Ohr. Auf einmal war er vor einem riesigen Schloss. Dunkel thronte es in einer zerklüfteten, grauen Ebene. Einzelne Bäume standen da, kahl und schwarz, die klauenähnlichen Äste gen Himmel gestreckt, der sich blutrot verfärbt hatte. Er raste auf das Schloss zu, konnte sich nicht mehr stoppen. Das Blut rauschte mit der Entschlossenheit in seinen Adern. Er musste die Gefahr besiegen, die in dem Schloss lauerte! Angst verwandelte sich in Stärke, Mutlosigkeit in Entschlossenheit. Sein Herz trommelte immer lauter, es hörte nicht auf, drohte zu zerspringen –
Er schreckte aus dem Schlaf. Über ihm donnerte der Regen gegen die Holzbretter. Eisiger Wind fuhr heulend durch die Straßen und zischte zwischen den Dachziegeln. Unruhig stand er auf, sein Herzschlag beruhigte sich langsam.
Die Kälte und Feuchtigkeit kroch zwischen die Dielen. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er durch das Loch im Boden. Die Holzbänke und Schemel unter ihm waren vom prasselnden Regen ganz dunkel geworden, der Staub fortgewaschen, Rinnsale bildeten sich und flossen zu Lacken zusammen. Der Innenhof war in einem trostlosen Grau versunken, nur schemenhaft konnte Kai den Brunnen erkennen.
Aber sein Blick blieb nicht an den grellen Blitzen hängen, die draußen zuckten und für kurze Zeit die ärmlichen Stadtviertel erhellten. Sein Blick ruhte auf den Dielen. Schwaches Licht drang von unten hinauf, durch einen Spalt konnte Kai einen Mann erkennen, der unter ihm vorbeiging, dann war er verschwunden.
Eiseskälte legte sich über seinen Magen und schien ihn zu einem Klumpen zusammenzufrieren.
Wer war das?
Unsicher stieg Kai die Stufen hinab, darauf bedacht, nicht auszurutschen. Das Rauschen des Regens wurde lauter. Kalte Tropfen trafen ihn wie Steine im Gesicht und durchnässten seine Kleider. Er presste sich gegen die Wand und schlich zur nächsten Treppe. Der Wind heulte und änderte kurz die Richtung, sodass ein stetiges Pfeifen zwischen den Dielen herrschte, das Kai fast alle Nerven raubte.
Dann hörte es auf. Der Sturm heulte leiser.
„Wir waren in Phyan, Ania. Dort herrscht Krieg. Es ist die Tote Ebene geworden, das weißt du! Keiner von uns ist mehr da“, drang eine Männerstimme zu ihm hinauf.
Kai kniff die Augen zusammen. Was redete er da? Ania war mit ihnen verbündet? Was war mit Phyan?
Das war doch die Kriegsinsel, wo Menschen und Elfen ständig miteinander kämpften. Ganze Armeen wurden jeden Tag zunichtegemacht, es war das „Zwischenland“, wie man es nannte. Die Länder waren in einem umgedrehten C geformt, soweit er wusste. Ein großer Gebirgszug an einem dünnen Landteil trennte das Elfenreich im Norden von Cinta, dem Menschenreich im Süden. Dazwischen lag noch, im weiten Ozean, Phyan. Früher hatten da wichtige Treffen stattgefunden, zwischen den verschiedenen Ländern, es war eine Insel des Verbundes gewesen, doch jetzt starben dort täglich Lebewesen in wilden Schlachten, seit König Zoltan den Elfen und Zwergen den Krieg erklärt hatte.
Was hatten diese Leute dort zu schaffen gehabt? Wer von ihnen hätte dort sein sollen? Und was hatte Ania damit zu tun? Wieso hatte sie ihm nichts von den Gästen erzählt?! „Das weiß ich nur zu gut“, sagte Ania geduldig. „Aber es hilft nichts, wenn wir deswegen kämpfend durch die Stadt ziehen.“ „Wir ziehen nicht durch die Stadt!“, widersprach der Mann, während Kais Neugierde wuchs. Was ging hier vor? Eine Verschwörung gegen den König? „Wir brauchen nur Zugang zu der großen Bibliothek!“ „Du denkst also immer noch ernsthaft, dass das Buch in der Bibliothek ist?“ Anias Stimme triefte vor Sarkasmus. „Natürlich wird Zoltan ein geheimes Buch über Phyan und dessen tiefste Geheimnisse, in dem die Vernichtung von einem der mächtigsten, alten Krieger aufgeschrieben steht, in der öffentlichen Bibliothek aufbewahren und nicht in seiner Burg, streng bewacht von Soldaten!“ „Wir haben verlässliche Quellen“, sagte der Mann. Wieder zuckte ein Blitz vom Himmel. Kai fuhr zusammen und schlang die Arme enger um den Körper, da ihm zunehmend kälter wurde. Im Donnergrollen, das darauf folgte, war nicht viel zu hören. Als die Leute unten wieder sprachen, waren sie beim nächsten Thema. „Du meinst, diese Diebe können uns dabei helfen?“, fragte der Mann skeptisch. Ania kicherte: „Natürlich! Sie sind geschickt, halten immer zusammen und der Anführer ist sehr klug. Noch nie wurde ein Leben wegen seinen Befehlen verschwendet oder ein unnötiges Risiko eingegangen.“ „Du scheinst ihn gut zu kennen.“ „Das tue ich. Er hat mich aufgenommen.“ „Wird er uns freundlich empfangen?“ Kai ballte grimmig die Fäuste. Tja, werde ich das? Ania zögerte kurz: „Lasst mich mit ihm reden. Ich werde es ihm schonend beibringen.“ „Zu spät“, hörte sich Kai sagen. Er stand auf und ging langsam die Treppe hinab. Sein Haar war nass und klebte ihm an Stirn und Wangen. Seine Hand ruhte auf den Dolch und er