Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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Brise kitzelte Kais Wangen und sein Blick wanderte nach links und nach rechts, aber dort waren nur die hölzernen Siedlungen der Armen zu sehen. Ein wenig weiter weg hörte er das Geräusch eines weinenden Jungen, eine Frau schimpfte, der Wind heulte. Schwarze Gewitterwolken ballten sich am Horizont zusammen.

       Einige Dächer weiter stieg eine Rabenschar flügelflatternd und kreischend in den Himmel. Kai erkannte, dass sie sich um etwas stritten, das gerade seine letzte Zuckung hinter sich brachte.

       Er landete leichtfüßig im hohen Gras und nahm den Dolch in seine Hände. Zielstrebig ging er auf das Haus zu, öffnete die quietschende Holztür und lugte hinein. Mehrere Stoffmatten lagen verstreut am Boden, das letzte bisschen Sonnenlicht fiel in zarten Strahlen durch feine Holzritzen in den Raum. Eine Katze mit feuerrotem Fell hockte in einer Ecke und blickte ihn mit großen, wachsamen Augen an.

       Kai lauschte einige Augenblicke, aber nichts im Haus verriet, dass sonst jemand da wäre. Also steckte er sein Messer zurück in den Gürtel und marschierte die knarrende Treppe hinauf.

       Ein Stockwerk weiter war die Wand zum Innenhof fast vollständig zerstört und offenbarte einen weiten Blick darüber. Verschiedene Holzbänke und Schemel waren hier aufgestellt. Oben, im letzten Stockwerk, das noch begehbar war, lag Kais Zimmer.

       Die Wände waren vollständig erhalten, allerdings war ein großes Loch im Boden. Eine Decke, die frei von jeglichen Löchern war und eine schäbige Kommode waren in einer Ecke des Raumes, gleich unter einem Fenster, von dem aus er über die Armenviertel blicken konnte.

       Kai trat zu seinem „Ausblick“ und ließ seine Augen über diese Viertel schweifen. Häuser waren niedergerissen worden und in den Schutthaufen gruben Jungen und Mädchen nach Wertschätzen. Stöcke waren in den Boden geschlagen und darüber spannten sich Decken. Verfallene, verkohlte und zerstörte Häuser säumten die Umgebung. Pflanzen schlangen sich an manchen Behausungen entlang und schienen sie verschlingen zu wollen. Sträucher und Kräuter wucherten bei einigen abgerissenen Zelten, vor denen sich verrostete Töpfe stapelten.

       Wilde Hunde und Katzen streunten durch die Straßen und wühlten in Abfallbergen und überquellenden Müllfässern. Geduckte Gestalten huschten durch die Gassen, zerlumpte Kinder rannten mit bleichen Gesichtern und ängstlich an sich gepressten Gegenständen an Kais Haus vorbei. Eine Gruppe von Männern und Frauen mit zerrissenen Gewändern und blutenden Wunden am ganzen Körper humpelte ein paar Straßen weiter um die Ecke, ein alter Mann zog einen Karren voller schmuddeliger Säcke hinter sich her.

       Kai lächelte, als er seinen Blick zum Horizont lenkte. Er konnte beinahe bis zu den saftigen, grünen Hügeln am Rande der Stadt sehen, die von der Ferne wie sanftes Gewässer wirkten. Dies war sein Reich. Das Reich eines Diebes, der in mancherlei Verbrechen die Fäden im Hintergrund zog. Viele bezeichneten Kais Verhalten als undurchsichtig und waren ihm gegenüber mehr als vorsichtig, andere sagten, er würde einmal der Herr der Unterwelt Jamkas sein.

       Allerdings hatte Kai bereits Feinde aus größeren Kreisen als aus denen der armseligen Vierteln. Er würde bald Siebzehn werden, was hieß, dass er das Mannesalter erreicht hatte und als Mann war man gefährlicher und einflussreicher, weshalb einige Verbrecher und einflussreiche Händler, denen er mehrmals unangenehme Situationen beschert hatte, versuchten, ihn zu ermorden. Wobei sie nicht mit den schnellen Reaktionen und der unglaublichen Kraft des Diebes rechneten.

       Kai sehnte den Tag heran, an dem er sich von den erbeuteten Schätzen seiner Diebe eigenständig ein Haus in den besseren Vierteln kaufen konnte und nicht mehr fürchten müsste, dass ein Brand oder ein Sturm alles zunichte machen würde, das er mühevoll aufgebaut hatte. Er würde seine Leute wieder beherbergen und viel größere Dinge durchsetzen als das Stehlen von Wertsachen. Vielleicht würde er auch Hehler werden. Kai wollte sich in ein paar Jahren zurücklehnen können, nachdem er die Banden vertrieben hatte, die die Stadt – und ihn – terrorisierten, sich vielleicht eine ehrliche Arbeit suchen und einfach nur seinen Frieden finden.

       „Hey, Träumer“, sagte eine Stimme hinter ihm.

       Kai fuhr herum, blitzschnell hatte er den Dolch gepackt und zielte auf sein Gegenüber. Ein Mädchen, vielleicht etwas älter als er, mit roten Locken stand hinter ihm und musterte ihn mit hochgezogenen Brauen.

       „Ania!“, fluchte Kai und steckte den Dolch zurück. Er wusste nicht, wie sie es manchmal fertig brachte, sich so unauffällig und lautlos zu bewegen. Denn wenn sie durch die Straßen schlichen, war Ania keineswegs so still wie jetzt gewesen. „Kannst du nicht wenigstens eine Vorwarnung geben, wenn du hinter mir stehst?“

       „Wo bliebe dann der Spaß?“, fragte sie und lächelte, aber in ihren Augen stand Besorgnis.

       Kai wusste, woher die kam. „Dir sind die Blutspuren also auch aufgefallen.“

       Ania schloss kurz die Augen, dann nickte sie und murmelte: „Ehrlich gesagt … sind die von mir.“

       „Von dir?!“

       Kais Augen funkelten bedrohlich. Ania nickte und drehte ihren Unterarm. Blutende, rote Kratzer waren auf ihrer zarten Haut zu sehen. Einige waren bereits verkrustet.

       Finster sah er sie an, als sie mit zittriger Stimme fortfuhr: „Es war Brimir.“

       Kai wandte sich der untergehenden Sonne zu. Dunkle Schatten krochen nun über die Häuser, fraßen das letzte bisschen Licht auf. Der schmale, helle Streifen am Horizont verblasste langsam zu einem violetten Ton und dann zu einem dunklen, satten Blau, das in das Tiefschwarz der Nacht überging.

       Es herrschte Stille zwischen den beiden. Ania trat neben Kai, der die funkelnden Sterne betrachtete und die schäbigen Hütten nicht ansehen wollte, die unter dem Firmament lauerten wie ein finsterer Abgrund.

       Schließlich sagte Kai: „Gut, ich werde mich darum kümmern.“

       „Wer ist er?“

       Kai hob den Kopf und blickte sie schweigend an.

       Anias Kinn bebte, ehe sie trotzig das Kinn reckte und ihn anfunkelte: „Er kommt uns in letzter Zeit ständig in die Quere, Kai! Er verrät uns! Er hat eigene Männer! Brimir hat Jael schon getötet und unzählige verletzt! Wieso sagst du uns nicht, wer er ist?“

       Der Dieb senkte den Blick. Bitterkeit und Trauer wallten in ihm auf. „Jael ist gestorben, weil er ihn herausgefordert hat, anstatt mit uns zu fliehen. Das weißt du.“

       Ania schnaubte. „Und ob ich das weiß! Aber Jael wollte nur Klarheit, Klarheit über diesen verfluchten Brim-!“

       Bevor sie zu Ende reden konnte, knurrte Kai: „Das ist eine Sache zwischen mir und ihm. Misch dich nicht in Dinge ein, die du nicht verstehst, Ania!“

       Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und funkelte ihn unter ihrer Haarmähne heraus wütend an. „Wieso? Wenn er hierherkommt, um mich zu attackieren, dann habe ich doch das Recht, zu erfahren, was er überhaupt will!“

       „Nein“, sagte er finster. „Das ist meine Angelegenheit.“

       Ania schwieg.

       Kai drehte sich um. Er presste die Kiefer fest aufeinander und knirschte mit den Zähnen. Draußen bellte irgendwo ein Hund. Und trotzdem war es merkwürdig still. Eine Stille, die Kai bewusst machte, dass draußen Gefahren lauerten, die sich in den tiefsten, unscheinbarsten Winkeln versteckten.

       Er seufzte. „Hast du die anderen weggeschickt?“

       „Musste ich ja wohl. Sonst hätte er es noch mitbekommen“ Kai hörte, wie sich Ania bewegte. Offenbar ging sie im Raum auf und ab. „Diesmal

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