Die Wächter. Elisabeth Eder

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Die Wächter - Elisabeth Eder

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mit zusammengezogenen Brauen und lehnte sich gegen die hölzerne Wand. Sein Auftrag war ihm wichtiger als die Angst der Diebe, die in seinen Augen nur Kinder waren, vor einem Mann. Kai unterdrückte den bitteren, aufbrausenden Ärger in seiner Magengegend, lächelte schmallippig und kalt: „Verlasst Euch drauf!“ Ein jäher Windstoß fuhr durch den Raum. Kai blickte zu dem Fenster und betrachtete die Straße. Goldenes Sonnenlicht kämpfte sich durch die Dunkelheit. Er lächelte breiter und sog den Geruch des Morgens ein, dann warf er einen Blick in die Runde und befahl: „Dann lasst uns nicht warten! Schwärmt aus und sucht ein Quartier. Ania, du und deine Freunde, ihr könnt euch nützlich machen und die Hausvorräte in Kisten packen. Lasst euch nicht von Brimir erwischen.“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder ab. „Wo gehst du hin?“, fragte Ania fordernd. Kai packte den Drehknauf der Tür und riss sie auf. Kühler Wind blies ihm ins Gesicht. „Ich suche Brimir.“

      Natürlich tat er es nicht. Nie wieder würde er auch nur in die Nähe dieses Mannes kommen.

       Kai marschierte durch schlammige Straßen und an Häusern vorbei, die an einigen Stellen zerstört und verkohlt waren. Die Blitze hatten reife Arbeit geleistet.

       Der junge Dieb ging auf den Hauptplatz, wo die Händler ihre Waren bereits anpriesen und sich mehrere Leute drängten. Tiere brüllten und schnaubten, der Duft von Gewürzen, Fleisch und frisch gebackenem Brot hing in der Luft, bunt schillernde Gewänder wurden angeboten und glänzende Waffen lehnten an den Ständen. Funkelnde Edelsteine lagen in Kisten, Töpfe stapelten sich neben einem Geschäft und überall standen Menschen. Eine Gruppe von Künstlern vollführte gewagte Kunststücke auf Bällen oder auf Seilen, die sich zwischen Pfählen spannten, ein Dichter trug eines seiner Werke vor und eine Traube von jungen Mädchen hatte sich um einen Troubadour geschart. Irgendwo pries ein Händler den „kleinsten Mann der Welt“ an. Das Schnattern der Menge und das Schnauben und Brüllen der Tiere dröhnte laut an seinen empfindlichen Ohren, die weitaus besser hörten als die der gewöhnlichen Menschen.

       Kai schlenderte hinüber, drängte sich durch die Menschenmassen. Er trat zu dem Mann, der neben einem großen Apfelbaum stand. Auf einer kleinen Bühne stand tatsächlich ein kleines Männchen, das Kunststückchen vollführte. Allerdings erkannte Kai an den spitzen Ohren, dass es sich lediglich um einen sehr kleinen Elfen handeln musste.

       Er strich unauffällig zwischen den Leuten umher, scheinbar um besser sehen zu können. Als das Männchen sich verbeugte und die Menschen Geld auf die Bühne warfen – und damit den Elfen fast erschlugen – entfernte sich der Meister der Diebe unauffällig, mit fünf Geldbeuteln mehr am Gürtel.

       In der Mitte des Platzes stand ein großer, steinerner Brunnen. Kai setzte sich an dessen Rand und beobachtete das Geschehen rings um ihn, während er sich Gedanken über die neue Situation machte. Sobald sie umgezogen waren, würden sie in die Bibliothek einbrechen. Danach ging es Brimir an den Kragen – Kai spürte grimmige Vorfreude in sich aufsteigen, als er daran dachte.

       Knirschende Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken.

       Vor ihm marschierten zwei Soldaten mit langen Schritten auf ihn zu.

       Kai sprang auf und drehte sich um, um davonzulaufen, aber die Soldaten waren bereits zu nahe. Er wurde grob an der Schulter zurückgerissen und herumgedreht, ehe er in zwei schwarze Augen blickte, die gemein glitzerten. Der Geruch von Bier und Schweiß vermischte sich mit dem des Lederpanzers und Kai wurde beinahe übel.

       „Woher hast du denn die Geldbeutel, Bursche?“, knurrte der Soldat.

       Kai versuchte sich, aus seinem Griff herauszuwinden. Die Menschen wichen zurück und beobachteten interessiert das Schauspiel. Eine alte Frau krähte: „Sieh dir das an, Bodia, da werden sie gleich einen hängen!“ Getuschel wurde laut, einige Knappen johlten und klatschten.

       „Sind meine! Lass mich los!“, rief der Dieb grimmig. Die Menge wurde wieder ruhig und wartete gespannt darauf, wie sich die Lage entwickeln würde.

       Der zweite Soldat kam hinzu und drehte Kai die Arme auf den Rücken, sodass sie schmerzten. Stöhnend blickte er zu dem Mann vor ihm auf.

       „Wo sind deine Eltern, Kleiner?“, fragte der Soldat und kniff die Augen zusammen. Die Leute deuteten nun mit den Fingern auf Kais abgerissene Kleidung. Schluckend suchten die Augen des Jungen eine Lücke oder Schwachstelle in der Menge. Aber solange er nicht von dem Soldaten loskam, waren seine Chancen gleich Null.

       „Auf unserem Bauernhof, zu Hause!“ Kai wusste nicht, woher ihm dieser Geistesblitz gekommen war, aber er war dankbar dafür: „Ich habe ihre letzte Schafherde verkauft und muss ihnen das Geld bringen! Meine Mutter ist schwerkrank und mein Vater -!“

       „Halt die Klappe!“, brüllte der Soldat. „Ich seh‘ doch, wenn ein dreckiger, kleiner Waisenlümmel vor mir steht! Du kommst jetzt mit auf die Wache -!“

       „Kai!“

       Der Ausruf ließ die verstummten Menschen auseinanderstieben. Der Soldat wandte das Gesicht ab und blickte mit hervorquellenden Augen auf den neuen Störfried. Kais Blut gefror ihm in den Adern, als er die Stimme erkannte, eine Stimme, die er oft gehört und zu fürchten gelernt hatte.

       Beinahe wurde ihm Übel von dem schrecklichen Geruch des Soldaten. Die Sonne blendete auf einmal ungeheuer und von dem kühlen Windhauch war nichts mehr zu spüren. Nachdem ihm eiskalt geworden war, wallte Hitze in ihm auf, Schweiß stand ihm auf der Stirn.

       Ein großer, kräftiger Mann mit kahlem Kopf und dem schwarzen Tattoo eines Vogels ging gelassen auf das Spektakel zu. Der Griff des Soldaten lockerte sich ein wenig und der, der das Verhör führte, klammerte seine Hand um den Schlagstock: „Wer bist du jetzt?!“

       „Ich bin sein Vater – Oh, Kai, was hast du nur getan? Wieso machst du deinen alten Herren so unglücklich?“ Rabenkopf – so wurde er von allen genannt – kam auf Kai zu und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Der Magen des Jungen krampfte sich zusammen. Rabenkopf war ein treuer Freund von Brimir.

       „Das ist Euer Sohn?“ Der Soldat erinnerte sich daran, dass er eine Amtsperson war. „Dann lasst Euch gesagt sein, dass er ein kleiner Dieb ist! Er hat versucht, zu stehlen!“

       „Das stimmt nicht“, erklärte Rabenkopf ernst. „Ich habe ein Antiquitätengeschäft und ihn mit dem Geld losgeschickt. Er sollte sich diese zerrissene Kleidung anziehen, damit niemand auf ihn aufmerksam wird. Er hat viel Geld bei sich, wisst Ihr?“

       „Er hat uns vorhin angelogen!“, meinte der Mann mit zusammengekniffenen Augen.

       „Oh, Junge … was hast du nur getan?“, fragte Rabenkopf mit täuschend echtem verzweifeltem Blick.

       „Lass ihn los“, wies der Soldat seinen Begleiter an. Der tat das. Kai rieb sich die schmerzenden Schultern und ehe er einige Schritte von Rabenkopf wegtreten konnte, legte dieser eine starke Hand um seine Schulter: „Komm, Sohn, gehen wir.“

       „Augenblick!“ Der Soldat zog seinen Schlagstock und deutete damit auf Kai: „Ist das dein Vater?“

       Was blieb ihm anderes übrig als zu bejahen? Die gaffende Menge hatte erneut zu Tuscheln begonnen.

       „Ja, Sir.“

       „Dann geht“, schnauzte der Soldat. „Mit solchen lächerlichen Dingen verschwenden wir hier unsere Zeit!“

       „Danke“ Rabenkopf machte eine übertriebene Verbeugung und sie drehten sich um. Der Mann nahm kein einziges Mal die Hand von Kais Schulter, als sie durch die Menschenmenge schritten. Die Leute musterten die beiden noch neugierig, dann setzten wieder die üblichen Gespräche, Feilschungen und der neueste Tratsch

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