Der falsche Ton. André Vladimir Heiz

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Der falsche Ton - André Vladimir Heiz

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ein offenes Echo stößt, wenn auch nur einen Sommer lang. Jetzt aber zählt einzig die Gegenwart. Das Glück fragt selten nach dem Weg.

      Nach einer passähnlichen Überfahrt stellt sich ihnen im Massif des Maures buchstäblich ein Weiler in die Quere. Sie halten an. Ein offenes Tor verführt sie, einen verwilderten Garten zu durchqueren. Die Wirklichkeit nimmt sie bei der Hand, sie will ihnen dieses Wunder nicht vorenthalten. Der überwucherte Weg lässt sie auf einer natürlichen Terrasse ankommen, die den Blick auf die umseitigen Hügelzüge und in den Golf zwischen Saint-Tropez und Saint-Raphaël freigibt. Und leicht nach hinten versetzt, von Pinien und Büschen beschützt liegt dieses Haus. Clemens zeigt ein Bild. Unser Haus, sagt Elena.

      „Es braucht immer zwei!“

      Da bin ich! Braucht es noch gesagt zu werden? Er nimmt den ganzen Raum ein, bildsprengend seine Leibesfülle, unverkennbar sein Akzent: Seine Heiligkeit, seine Eminenz, Herr General, Sir Igor Birdwhistle. Herrgott, unglaublich, wie viele Leben der sich hier andichtet. Die Läufe verlieren sich im Ungewissen, die Herkunft hat wechselnde Ursprünge.

      Mit eigenen Augen habe er die Ausmerzung des Daseins gesehen im Überbleibsel einzelner Initialen, eine letzte Spur zum Abschied hinterlassen auf einer Mauer wie ein Schrei. Orgien des Hasses kennen keine Grenzen.

      Igor ist überzeugt, dass seine geschwätzigen Freunde an der Bar vom eigentlichen Leben, geschweige denn vom Tod, keinen blassen Schimmer haben. Fürchterliche Naivlinge sind sie, die ständig an der Nase herumgeführt werden. Jedenfalls glauben sie nicht wie sein arabischer Freund Naim an die Unverrückbarkeit ihrer Todesstunde, sie wollen leben.

      Alt und weise sagen die einen, wahrscheinlich einst im Geheimdienst die anderen, undurchschaubar bleibt Igor für alle. Er wohnt im Hotel; das ist das Einzige, was sie mit Sicherheit wissen. Hemd und Krawatte fehlen nie, das steht schon in den Memoiren von Churchill, ein rechter Mann tritt nie unrasiert zur Schlacht an. Igor gehört zur Bar, seit es sie gibt. Bar bleibt Bar, sagt Igor, stehe die nun in Antwerpen, Beirut, Biel, Darmstadt, Lille, Travemünde oder Zurabad. Er hat sie alle kommen und gehen sehen, Besitzerinnen, Pächter und Aushilfen. Frank hat er jüngst das Du angeboten.

      Igor ist auch am Morgen hier anzutreffen, wenn der hintere Teil der Bar mit der Karaokebühne noch geschlossen ist, die Terrasse jedoch während der freundlichen Jahreszeiten durch die Strahlen der Morgensonne zu einem ersten Kaffee einlädt. Im Inneren ist nur das Rauschen der Maschine zu vernehmen und ab und an das muntere Hallo von Barbara, das jeder Bestellung vorangeht.

      Igor liest Zeitungen. Manchmal blickt er auf, lacht und murrt rauhkehlig: Habt Ihr das gehört? Nicht selten lässt er sich zu einem ausführlicheren Kommentar zum Geschehen des Tages hinreißen. Die Gäste am Morgen – vornehmlich Ladenbesitzer, Angestellte und Beamte – nehmen es gelassen zur Kenntnis, ohne darauf einzugehen. Vielmehr nicken sie zustimmend, damit Igor schneller zu einem Ende seiner Ausführungen kommt.

      Ja, Igor. Das Schrittmaß betont männlich, obwohl er leicht hinkt, so muss man ihn ankommen sehen, in seinem langen, schwarzen Mantel, den breitrandigen Hut auf dem Kopf, wenn er mit einem großen Korb frischer Pilze von einer Tageswanderung zurückkehrt. Er hat eine feine Nase und eine glückliche Hand. Stolz zeigt er auf seine reiche Ausbeute und verschenkt sie. Zur Hölle, meint Anna, von dort hat er seine Pilze her, der verdammte Lügner.

      Von wegen Lügen, Igor winkt entschieden ab. Wenn jemand ein notorischer Lügner ist, dann der Erfinder der Wahrheit. Schon Gorgias hat den blauen Schwindel aufgedeckt. Schau doch selber nach, klärt er Ruth auf, jedes Mal wenn du eine Geschichte erzählst, kommt es anders heraus. Es hängt nicht nur von der Tageszeit, vom Lichteinfall oder von deiner persönlichen Gestimmtheit ab, immer richtest du dich an ein Gegenüber. Du redest den anderen nach den Augen, auch wenn du zu dir selber sprichst. Beim einen lässt du etwas weg, beim Nächsten nimmt eine Einzelheit eine ganz besondere Bedeutung an. Und wenn es erst um die Liebe und eine Erklärung geht, sind ja bekanntlich tausend und eine Nacht nicht lang genug. Meinst du etwa gesagt zu haben, wie es tatsächlich ist?

      Es habe ihm nie eingeleuchtet, fasst nun Igor seine Seltsamkeiten zusammen, dass jemand überhaupt auf den Gedanken kommen könne, die Geschichte als solche für sich in Anspruch zu nehmen, denn was an unscheinbaren Besonderheiten und unbeschreiblichen Einzelfällen weggelassen werde, um aufs Ganze zu gehen, sei ja unerhört, besonders wenn einer – Feuer und Flamme – Heil und Erlösung verspreche. Er wendet sich wieder Ruth zu. Stell dir nur vor, wir würden alle auf unsere eigene Weise die Bar hier beschreiben – von wegen Wahrheit!

      „Es liegt an dir“...

      Ja nicht zu großes Interesse bekunden, in diesem entscheidenden Augenblick. Keine Anzeichen von Neugier verraten, keine Stellung beziehen. Keine Anteilnahme vorspielen und dich auf keinen Fall um den Finger wickeln lassen. Schlicht und einfach zurücklehnen, auf Zusehen hin, die hehren Anflüge und die viel versprechenden Ansätze über dich ergehen und die andern machen lassen.

      Keine Miene verziehen, die Gesichtszüge aus einem Guss, die Stirne aufgeklärt, die Augenbrauen ebenmäßig verhalten, die Nasenflügel unaufgebläht, die Mundwinkel bedeutungslos entspannt, keine Blöße, um Gottes Willen, keine Blässe, aber auch keine Röte, die den Fehlschluss eingestandener Begeisterung zuließe. Seelenruhig unauffällig in die versammelte Runde schauen und das Ganze fürs erste zur Kenntnis nehmen, ohne jeden Kommentar.

      Kein voreiliges Wort jetzt. Auf jede Andeutung, Anregung oder gar Ermunterung verzichten, sonst fällt alles auf dich zurück. Das kennst du doch, in Nu wird der Beschluss gefasst, deine Freiwilligkeit an ihrem spontanen Ausdruck dankbar ertappt, und der ganze Stapel wird dir zugeschoben, mit einer eleganten Bewegung der Hand, hurtig über den Tisch, ausgerechnet dir zu. Das ist unter allen Umständen zu vermeiden. Ein etwas tieferer Atemzug, ein verdächtiges Räuspern können schon das auslösende Moment sein, von einem Lächeln ganz zu schweigen. Und du bist dran. Das Licht fällt auf dich, ein einladender Wink folgt auf der Stelle, und du hast das Nachsehen. Verdammt, selber Schuld!

      Macht euren Mist doch alleine – schon zu spät! Die verwirrenden Unterlagen liegen auf deinem Tisch und rufen nach Bearbeitung. Die ganze Aufmerksamkeit ist voller Erwartungen bereits auf dich gerichtet, und Eile ist angesagt. Herzlichen Dank, ein Opfer ist gefunden. Alle Augen leuchten in der plötzlichen Vergewisserung auf, dass du die Sache an die Hand nimmst. Und jetzt schlägt der Präsident wahrscheinlich erleichtert vor, eine Runde auszugeben, Tipptopp, die Bar liegt gleich um die Ecke.

      „Schwamm drüber, morgen ist auch ein Tag“...

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