Grünkohlsuppen-Blues. Eileen Schlüter

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Grünkohlsuppen-Blues - Eileen Schlüter

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tutete.

      »Ja bitte…?«

      Es war eine mir unbekannte Frauenstimme.

      »Hallo… ähm, mit wem spreche ich?«, erkundigte ich mich verunsichert.

      »Ebner! Und wer sind Sie? «

       ???

      Eilig linste ich auf das Display, um mich zu vergewissern, ob ich wirklich die richtige Nummer gewählt hatte.

      Kein Zweifel. Eindeutig Papas Nummer.

      Hm, mal überlegen. Konnte es sich bei dieser Frau Ebner vielleicht um eine neue Hausangestellte handeln?

      »Stella Edwards. Könnte ich bitte mit meinem Vater sprechen?«

      »Wer?« Sie klang verwundert.

      Langes Schweigen. Dann endlich schien sie sich zu entsinnen. Ansatzweise zumindest.

      »Edwards…Edwards...? Momenterl, i hob’s glei.«

      Die Geistesfrische dieser Dame schien mir nicht gerade die Blühendste zu sein. Also echt, seit wann beschäftigte mein Vater seniles Hauspersonal?

      »Ah… ja, freili. Edwards! Tony Edwards, gäi?«, rief sie überschäumend. »Dem g’hoerte doch früher dieses Haus.«

      »Gehörte…?« Ich war so perplex, dass ich kein weiteres Wort herausbrachte.

      »A sehr netter Mann woar des g’wesn.«

      »War…?«

      »Gott hob ihn selig.«

       Äh… Sekunde..., wie war das eben?

      »Soll das heißen…mein Vater ist…tot?«, presste ich mit bebender Stimme hervor. »Seit wann?«

      »Sagdn’s ned gerade, Sie wär’n sei Tochter?«

      »Ja, ich bin seine Tochter, aber ich leide an Amnesie. Ich kann mich an die letzten sieben Jahre nicht mehr erinnern.« In dem Augenblick war es mir gleich, dass ich einer völlig fremden Frau am Telefon meine Not klagte.

      »Mei, Sie Ärmste! I helf Ihna moi auf d’Sprünge. Oiso, i glob es wor im Juli vor sieben Jahrn. A Herzinfarkt, wenn mi ned ois täuscht.«

      In einer Art Schockzustand, gelang es mir gerade noch, Frau Ebner aus der Leitung zu schmeißen, bevor mir das Telefon aus der verkrampften Hand glitt.

      Mein Vater war tot. Das hörte ich heute zum ersten Mal.

      Sieben Jahre war er bereits tot. Diese Zahl verfolgte mich. Wieso war er ausgerechnet vor sieben Jahren gestorben? Genau da, wo meine Erinnerung verblasste. Hatte sein Tod vielleicht sogar etwas damit zu tun? Auch wenn ich gegenwärtig nicht viel wusste, so ahnte ich doch, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Ich musste dieser ganzen verzwickten Sache auf den Grund gehen und zwei existentielle Dinge herausfinden.

      Erstens: Wieso hatte ich kurz nach dem Tod meines Vaters ein neues Leben mit diesem Gaulkötter begonnen? (Das alte war doch wirklich mehr als phantastisch gewesen).

      Und zweitens: Gab es ein Testament?

      Wobei zweitens sich ganz besonders existenziell in Hinblick auf meine ramponierte Bauchdecke bezog. Jammerschade, dass der Gaulkötter nicht Schönheitschirurg war. Wer brauchte schon einen Mösenklempner?

      Wehmütig dachte ich an meinen Vater. Er war nicht mehr der Jüngste gewesen. Bei meiner Geburt war er schon so alt gewesen, dass die Hebamme ihn als frischgebackenen Opa beglückwünschte, nachdem er schweißüberströmt direkt nach einem unaufschiebbaren Finanzgeschäft in den Kreissaal gestürmt war. Leider mit 20-minütiger Verspätung, was nach Ansicht meiner Mutter vermeidbar gewesen wäre, hätte er anstelle des Taxis mal lieber den Ferrari genommen.

      Laut meiner noch vorhandenen Erinnerung, hatten mein Vater und ich stets ein sehr solides Vater-Tochter Verhältnis zueinander. Im Gegensatz zu meiner Freundin Vera, die mit ihrem Vater weniger Glück hatte. Wolf Merlinger war ein geachteter Experte im Pharmabereich. Durch Zufall fand Vera heraus, dass er sich in Kooperation mit seiner 24-jährigen Sekretärin als Proband für ein neues Potenzmittel-Experiment zur Verfügung gestellt hatte. Gleich im Anschluss beteiligten sich die beiden freiwillig an einer Testreihe, für ein homöopathisch wirksames Präparat, zur postkoitalen Empfängnisverhütung, das nach Forschungsabschluss mit dem Prädikat untauglich ausgezeichnet und aus dem Verkehr gezogen wurde. Damals empfand ich aufrichtiges Mitleid für Vera, nicht nur, weil die neue Frau an Wolfs Seite Vera prompt den Geldhahn zudrehte, sondern weil sich ihr neuer kleiner Halbbruder (den sie nur das Experiment nannte) als wahrer Satansbraten entpuppte, der Vera das Teenager-Leben zu Hölle machte.

      Tja… so viel stand fest, mein Vater würde mich schon mal nicht hier rausholen. Ich musste also beginnen, in meinen verwüsteten Erinnerungsschubladen zu stöbern, auf der Suche nach Hinweisen, die mir Aufschluss über Vaters Tod und den möglichen Zusammenhang mit meinen Erinnerungslücken geben konnten. Aber so sehr ich auch stöberte. Ich fand nichts. Das Einzige was mir spontan in den Sinn kam war Folgendes:

      Ich war 22 und hatte gerade erfolgreich mein Modedesignstudium – unter anderem an der Parsons New School of Design in New York – abgeschlossen und einen Vertrag bei dem aufstrebenden, jungen süddeutschen Modelabel Municorn unterschrieben. Ich sprühte förmlich vor Ideen und war voller Ehrgeiz. Ich wollte ein unentbehrlicher Teil des Unternehmens werden, indem ich mit innovativen Konzepten brillierte. Meine ganze Aufmerksamkeit galt ausschließlich der Arbeit, denn ich hatte es auf den begehrten Posten der Vize-Chefdesignerin abgesehen. Logisch, dass mir kaum Zeit blieb, mich über die Geschäfte meines Vaters auf dem Laufenden zu halten, geschweige denn großes Interesse daran aufzubringen. Und überhaupt, wer blickte schon bei all den zahlreichen Transaktionen innerhalb der komplexen Businesswelt durch? Von so was hatte ich nun wirklich keine Ahnung.

      Eher zufällig war mir zu Ohren gekommen, dass es Wirbel um einen Millionendeal mit einer wichtigen US-Gesellschaft für neuste Computertechnologien gab. Besagter Handel wäre damals um ein Haar nicht zustande gekommen, hätte mein Vater nicht in letzter Sekunde einen der herausragendsten jungen Unternehmensberater, den die Branche zu bieten hatte, zu Rate gezogen. Alexander Ahlborn!

      Ahlborn, der nicht nur in München, sondern auch in anderen Europäischen Wirtschaftsmetropolen erfolgreich tätig war, rettete Vaters Konzern für Softwareentwicklung in letzter Sekunde vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Parallel kurbelte er den Handel und sämtliche Transaktionen meines Vaters soweit an, dass er innerhalb eines Jahres, fast doppelt so hohe Renditen erzielte. Daraufhin schenkte mein Vater ihm sein vollstes Vertrauen und ernannte Alexander Ahlborn zum stellvertretenden Geschäftsführer, um die Zukunft seiner Firma weiterhin zu sichern.

      Eines Abends lud mein Vater Alexander zum Essen in seine Grünwalder Villa ein. Ich wohnte seit kurzem in Bogenhausen, doch sooft mein vollgestopfter Terminkalender es zuließ, aß ich bei meinem Vater, der von jeher die exzellenten Künste eines französischen Privatkochs in Anspruch nahm. Ich gebe zu, dass sich mir persönlich die Grundsätze des passablen Kochens bislang noch nicht erschlossen hatten. Aber um ehrlich zu sein, fehlte mir schlicht die nötige Motivation, mich selber in die Küche zu stellen und mir ein Abendessen zu kochen. Dabei glänzte meine nagelneue Küche mindestens genauso schön, wie Kojaks Glatze und wartete nur darauf, endlich ihre Jungfräulichkeit

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