Grünkohlsuppen-Blues. Eileen Schlüter
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Читать онлайн книгу Grünkohlsuppen-Blues - Eileen Schlüter страница 6
»Erinnere dich bitte, Stella!«
»Was wollen Sie von mir? Ich kenne Sie überhaupt nicht!«, konterte ich mit reservierter Miene.
Jetzt bedachte er mich mit beschwörenden Blicken. »Das da eben waren unsere Kinder. Du liebst sie!«
»Ich liebe Bouillabaisse mit Sauce Rouille und ofenfrischem Baguette. Und nicht zu vergessen, meine umfangreiche Louboutin-Schuhsammlung.«
Der Mann hatte wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Und überhaupt, was um alles in der Welt sollte ich mit solchen kleinen Hosenscheißern anfangen? Trugen Kinder dieses Alters noch Windeln? Nie im Leben, würde ich denen die vollgeschissenen Pampers wechseln!
Außerdem passte weder so ein sabberndes Kind, noch dessen kunterbuntes Spielzeug in irgendeiner Weise zu meiner stilvollen Wohnungseinrichtung. Nein, im Ernst, total undekorativ diese drei. Zumal ich äußerst allergisch auf Schokoladenhandabdrücke auf meiner cremeweißen Wohnlandschaft reagierte. Also, freiwillig würde ich mir sicherlich keine Kinder anschaffen. Eher hinge ich mir diese langweilige Krankenhauskunst an meine Wände.
Der Arzt schaute mich unsicher an. Ich schaute misstrauisch zurück. Irgendetwas war doch faul an der ganzen Sache!
Ha!, plötzlich überkam mich ein Geistesblitz. Jetzt hatte ich die Nummer durchschaut. Davon war ich überzeugt. Ich setzte schnell eine arglose Miene auf und hielt so unauffällig wie möglich Ausschau. Wo war sie bloß – die verdammte versteckte Kamera? Wie lange wollte dieser TV-Moderator nebst Fernsehteam noch draußen auf dem Flur warten und mich zappeln lassen?
***
Ich blickte meinem angeblichen Ehemann regungslos hinterher, der mit seinem Handy am Ohr mit einem scheinbar dringenden Telefonat das Zimmer verließ. Ich atmete erleichtert aus, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Nie und nimmer war ich mit diesem schnöden Typen liiert. Schließlich war ich mit Alexander Ahlborn verlobt, meinem Traummann – groß, blond, sportlich und noch dazu ein erfolgreicher Unternehmensberater und Geschäftsmann, der irgendwann in die Fußstapfen meines Vaters treten würde. Was sollte ich also mit so einem Gynäkologen?
Mit seinem lächerlichen Stationsarzt-Gehalt hätte er sich nicht mal die Parkplatzgebühr vor dem La Margna Swiss Quality Hotel in St. Moritz leisten können, in dem mein Alex unsere exklusive Verlobungsfeier mit fünfhundert geladenen Gästen ausrichten ließ. Was für ein unvergesslicher Moment war das gewesen, als er völlig überraschend in meinem wohlverdienten, alljährlichen Skiurlaub aufkreuzte und mir einen atemberaubenden Platinring mit lupenreinem 1,98 Karat Cartier Solitair Altschliff Diamanten – Kostenpunkt: 46.000 Euro – an den Finger steckte.
Bei dem Stein wäre sogar die russische Öl-Oligarchengattin aus der Nachbarsuite, deren blasenschwacher Pekinese sich jeden Morgen erdreistete, vor meine Zimmertür zu pischern, vor Neid erblasst.
Vera übrigens auch, aber das hätte sie selbstverständlich niemals zugegeben. Doch ich kannte meine Freundin einfach zu gut. Ihre geheuchelten Glückwünsche, dieses überzogene Zahnpastalächeln. Es war ein Kinderspiel ihre missgünstigen Blicke zu interpretieren und ihre Gedanken zu lesen. Oh ja, ich wusste, dass Vera mir meinen Ringfinger samt der luxuriösen Kostbarkeit am liebsten abgehackt hätte.
Ich muss zugeben, so ein hochkarätiges Cartier-Dauergrinsen (wie ich es an jenem Tag darbot), hätte auch ich definitiv keinen ganzen Abend lang ertragen können, wäre ich nicht selbst die zukünftige Braut gewesen. Vermutlich hätte ich die Feierlichkeit mit irgendeiner faulen Ausrede vorzeitig verlassen.
Apropos Verlobungsring, wo war das edle Schmuckstück überhaupt? Spontan fiel mein Blick auf meinen Ringfinger. Was war das nun wieder? Ich starrte auf den schlichten Goldring, der mit einem unmerklichen Glitzersteinchen versehen war. Von lupenrein konnte hier kaum die Rede sein. Im schlimmsten Fall handelte es sich um einen Zirkonia. Allmählich war ich der Verzweiflung nahe.
»Hilfe…!«, rief ich intuitiv. »…Ist hier irgendjemand, der mir helfen kann? Warum bin ich hier? Was ist mit mir passiert? Und warum trage ich Schmuck aus Überraschungseiern!?« Doch niemand war da, der mir meine Fragen beantwortete.
Bei näherer Untersuchung entdeckte ich im Innenteil des Rings ein Datum und die Gravur:
In Liebe, dein Julius
Ich? Verheiratet mit dem? Derjenige, der sich diese Absurdität hatte einfallen lassen, musste unbedingt bei der nächsten Preisverleihung mit der Siegespalme in der Kategorie »bester Komiker« ausgezeichnet werden.
Und um noch mal auf das Thema Kinder zurück zukommen: Falls ich überhaupt jemals Kinder haben sollte, dann ja wohl logischerweise mit meiner großen Liebe Alex. Und mit Sicherheit würde ich sie nicht mit solchen anachronistischen Apostel-Namen bestrafen. Simon, Johannes und Jakob. Lächerlich, diese Namensvergabe! Ich, als bekennende Atheistin. Ich muss dazu sagen, dass meine Familie nie besonders fromm gewesen war. Seit meiner Taufe wohnte ich genau achtzehn Mal einem Kirchgottesdienst bei – um genau zu sein, jedes Jahr an Heiligabend. Am Tag meiner Volljährigkeit trat ich dann endgültig aus der Kirche aus.
Ich hatte mich noch nicht ganz von dem Schock mit dem Ehering erholt, da kehrte Dr. Gaulkötter zurück ins Zimmer. Wieder setzte er sich an meine Bettkante und wieder sah ich ihn an wie einen Außerirdischen.
»Stella du bist zweiunddreißig Jahre alt, wurdest in London geboren und bist in Grünwald aufgewachsen«, sagte der Außerirdische mit emphatischer Stimme. »Deine Mutter Constanze starb an Krebs als du sechzehn warst. Dein erstes Konzert war bei Michael Jackson. Olympiastadion, 27. Juni 1992. Er hat dir ein Autogramm auf den linken Handrücken geschrieben. Du hast die Hand einen Monat lang nicht mehr gewaschen.«
Jetzt war ich verwirrt.
»Wieso wissen Sie das alles?«
Augenblick…, irgendwas stimmt hier nicht!
Von Überzeugung ergriffen, schleuderte ich ein schrilles »H-A-L-T-!« in seine Richtung. »Ich bin erst fünfundzwanzig!«
Triumphierend sah ich dem Mann in die Augen.
»Du bist zweiunddreißig, Stella!«, widersprach der Gynäkologe, der offenbar fest daran glaubte, ich sei seine Ehefrau. Er sah mich eindringlich an und warf mir eine Zahlenreihe an den Kopf, bei der es sich eindeutig um mein Geburtsdatum handelte.
»Stimmt, das ist mein Geburtstag«, antwortete ich kritiklos.
»Also bist du zweiunddreißig Jahre alt.«
Häh, kann der nicht rechnen, oder was?
»Blödsinn, ich bin fünfundzwanzig!«
Julius Gaulkötter fixierte mich beharrlich mit seinen dunklen Augen.
»Stella, was ist los? Es hat gehagelt und gestürmt wie verrückt, an deinem 32. Geburtstag. Erinnerst du dich nicht mehr daran?« Seine Stirn