Der EMP-Effekt. Peter Schmidt

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Der EMP-Effekt - Peter Schmidt

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weswegen man ihn die Republik verlassen ließ. Diese Leute im internationalen Güterverkehr besaßen einen Sonderstatus. Es waren ausgewählte Personen, treue Vasallen des Systems.

      Als sie aus dem Waggon stiegen, war alles einfach. Der Anblick des ungleichen Paares ließ ihn aufatmen, und er verzog zu einem kaum merklichen Lachen das Gesicht. Katja trug einen braunen Pelzmantel mit grauen Einsprenkeln; für eine Frau in den Fünfzigern sah sie erstaunlich gut aus.

      Er hatte sie nicht so attraktiv in Erinnerung. Ältere Frauen reizten ihn mehr als junge, obwohl er sich das ungern eingestand. Der alte Knabe neben ihr war jedenfalls kein ernst zu nehmen der Konkurrent für ihn: sein Bauch wurde mühsam von einer glänzenden schwarzen Kunstliederjacke zusammengehalten.

      Seine geringe Körpergröße – er war anderthalb Kopf kleiner als Katja –, die zu breiten Oberarme vor der gedrungenen Brust und seine ungewöhnlich kurzen Beine verliehen ihm etwas vom Aussehen eines unbeholfenen Kobolds.

      Sein hoher, eckiger Kopf war an den Seiten kurz rasiert; erst wo die Haare länger würden und auflagen, bildeten ein kleines Spitzdach aus grauem Gestrüpp.

      Wie komme ich nur auf den absurden Gedanken, dass sie mehr für mich bedeuten könnte als die Frau meines verstorbenen Vaters? Seine Irritation über den Gedanken ließ ihn einen Moment lang zögern – während Katja schon mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam

      Wenn er Sorgen hatte oder sich auf irgendeine Weise bedrängt fühlte, kamen ihm immer Gedanken an Sex. Es war, als suche sein Unbewusstes in der Lust nach einem Ausgleich für ausgestandene Pein. Ein Hang, dessen er sich schon seit seiner Jugend schämte.

      «Robert … wie schön.»

      Sie schüttelte mit beiden Händen seine Hand, als er keine Anstalten machte, ihr um den Hals zu fallen. Es wäre eine günstige Gelegenheit gewesen. Merkwürdig, er hatte sie wirklich ganz anders in Erinnerung. Er fragte sich, ob das dieselbe Frau war.

      Der Mann hinter ihr trat zögernd auf ihn zu, den einen Arm merkwürdig abgespreizt. Als er Karga die Hand reichte, fiel seine Unbeholfenheit von ihm ab. Der Kontakt ihrer Hände wirkte wie ein Auslöser, ein Stromstoß, der ihn aus seiner Steifheit erweckte. Sein Blick schien Karga zu vereinnahmen. Es war, als drohe er, in ihn hineinzustürzen:

      als besetzte er sein Hirn und nehme für den Bruchteil einer Sekunde sein Bewusstsein ein. Wirklich ein Kobold … dachte Karga. Er machte sich mühsam von seinem Blick frei.

      «Leutner.»

      «Guten Abend.»

      «Wir sind ja nun weitläufig miteinander verwandt. Auf gute Zusammenarbeit.»

      «Zusammenarbeit – was meinen Sie?»

      «Beziehungen», berichtigte er. «Nicht wahr, Katja? Beziehungen wäre das bessere Wort.»

      «Ja, Beziehungen.»

      «Wir sollten uns duzen, finden Sie nicht auch? Ich meine, das wäre angemessen.»

      «Einverstanden», sagte Karga.

      «Beppo …»

      «Robert … Ich habe euch ein Doppelzimmer reservieren lassen, es ist nicht weit vom Bahnhof.»

      Sie tranken auf dem Zimmer eine Flasche Sekt. Leutner hatte darauf bestanden. Zur Feier des Tages. Sekt dieser Güte sei drüben schwer zu bekommen. Er wollte alles von der Stadt sehen. Nein, er sei nicht im internationalen Speditionsverkehr beschäftigt. Als Lastwagenfahrer habe er nur sehr kurz gearbeitet. Nach dem Kriege. Karga mußte irgend etwas falsch verstanden haben.

      Leutner fragte ihn, ob er sich nicht einen Tag frei nehmen wolle, um ihn zu begleiten. Das sei doch eine Abwechslung für ihn. Ein Tag vorm Jahresurlaub: kein Problem.

      «Und Katja?», fragte er.

      «Wird morgen eine Freundin besuchen.» «Eine Brieffreundin», bestätigte Katja.

      «Da müsste ich erst meinen Vorgesetzten fragen.»

      «Arbeitest du nicht in einem Elektronikkonzern – als Entwicklungsingenieur?»

      «Unterhaltungselektronik, ja.»

      «Darüber musst du mir mehr erzählen.»

      «Unsere Produkte stehen in jedem Kaufhaus.»

      «Für technische Fragen habe ich mich von jeher interessiert.»

      «Ehrlich gesagt, ist es nicht sehr aufregend.»

      «Was treibst du in der Freizeit? Ich meine, bist du politisch interessiert?»

      «Kaum.»

      «Mit anderen Worten: das System ist dir gleichgültig?»

      «So krass würde ich es nun wieder nicht ausdrücken.»

      «Ich sehe schon», erklärte Leutner zufrieden, «wir haben eine Menge Gemeinsamkeiten.» Er wandte sich zu Katja hinüber und schüttelte die leere Flasche wie eine Gans am Hals. «Würde es dir etwas ausmachen, Liebes, uns unten an der Bar noch etwas Nachschub zu besorgen? Ein, zwei Fläschchen?»

      «Ganz im Gegenteil, jetzt, wo ihr beiden endlich miteinander warm werdet.» Sie kokettierte wippend mit ihren etwas zu mageren Waden – hatte sie seinen Blick auf dem Bahnsteig bemerkt? –‚ strich sich die Strumpfnähte glatt, die vielleicht der neuesten ostdeutschen Mode entsprachen – oder einem Rückfall in die alte, Karga hätte das nicht so genau zu sagen gewusst; dann ging sie immer noch wippend zur Tür, wo sie sich mit aufgesetztem Lächeln umwandte:

      «Für eine Mutter ist es beruhigend, zu sehen, dass die Kinder ihren neuen Mann akzeptieren.»

      «Was heißt hier Kinder?», murmelte Karga dumpf und griff sich in den Nacken. Er wollte fragen: Was wird hier eigentlich gespielt? Was soll der Schmonzes?

      «Bitte?», fragte Leutner vorgebeugt, als sie schon ihm Gang war. «Ich habe dich nicht verstanden.» Seine plumpen Finger nestelten an einer Packung russischer Zigaretten.

      «Oh, nicht so wichtig.»

      «Machen wir es uns doch bequem.» Leutner zog die Schuhe aus, gleich nachdem er ihm sein vom Bücken rotes Gesicht wieder zuwandte, lagen seine Füße auf der Couch. Er trug gemusterte Wollsocken. Der schwarze Nagel seines Zeigefingers kratzte am Zigarettenmundstück. «Für mich hat der Urlaub jetzt schon begonnen.»

      «Ihr bleibt länger?»

      «Hat Katja dir das nicht gesagt? Von hier aus geht‘s für zwei Wochen an die Schwarzmeerküste. Verspätete Hochzeitsreise. Vollpension und alles was dazugehört. Mamaia, Konstanza, Eforie

      «Rumänien? Was für ein Zufall.»

      «Zufall, wieso?»

      «Weil Anja und ich ebenfalls nach Rumänien fahren.»

      «Ach, um welche Zeit denn?»

      «Gestern wurden wir zur Geschäftsleitung gerufen. Aus betriebsinternen Gründen müsse man unseren Urlaub verschieben, auf unbestimmte Zeit. Ich lehnte ab. Schließlich hatte ich in den vergangenen

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