Der EMP-Effekt. Peter Schmidt

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Der EMP-Effekt - Peter Schmidt

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Karga ein. «Hier steht Aussage gegen Aussage. Wir sprechen uns vor Gericht wieder.»

      Man hatte ihm seinen Führerschein entzogen. Die Anklage lautete:

      «Überfahren einer Ampel bei Rot, Fahren unter Alkoholeinfluss und Tätlichwerden gegen Zeugen».

      Am mysteriösesten war die Blutprobe: 1,4 Promille!

      Sie mußte absichtlich vertauscht worden sein. Da er nicht vorbestraft war, wurde seine Geldbuße auf den geringen Betrag von achthundert Mark festgesetzt. Ohne Fahrerlaubnis würde er die Reise nach Rumänien abschreiben müssen. Anja besaß keinen Führerschein.

      Doch für all das hatte er an jenem Morgen wenig mehr als ein erschöpftes Gähnen übrig. Er versuchte verzweifelt ein Hotelzimmer zu bekommen. Während der Messetage war das fast unmöglich. Seine Stiefmutter hatte ihm telefonisch mitgeteilt, dass sie nicht allein kommen würde. Ganz überraschend erfuhr er auf diese Weise, dass sie inzwischen wieder geheiratet hatte.

      Ihr Verhältnis war in den letzten Jahren eher unterkühlt gewesen.

      Sie schien eine lebenslustige Frau in den Fünfzigern zu sein. Liebhaber waren in ihren fortgeschrittenen Jahren etwas, das man wie Briefmarken sammelte und als Fotos von Partys und Kellerfesten in dicken Kladden ablegte.

      Nach Kargas Überzeugung fühlte sie sich weitaus älter, und ihre kurzen Liebschaften waren nichts als ein Alibi, hinter dem sie ihren abgrundtiefen Biedersinn und ihren Hang, sich abzukapseln, verbarg. Nach dem Tode seines Vaters hatte sie Karga aus ihrem Gedächtnis gestrichen wie die Kleider, die ihr Mann getragen hatte: als etwas, das zu ihm gehört hatte und nicht zu ihr, und das nun tunlichst mit ihm unter der Erde verschwand.

      Jedenfalls war das die sarkastische Art, mit der Karga manchmal an seine Stiefmutter dachte. Etwas übertrieben zweifellos, aber auch nicht ganz unberechtigt.

      Während er verschiedene Hotels anrief – er hatte sich bei Natorp dafür frei genommen –‚ fand er es plötzlich merkwürdig, dass Katja – er nannte sie nur Katja, weil sie eigentlich immer eine fremde Frau für ihn geblieben war – in ihrem Alter das Land verlassen durfte. Sie hatte noch längst nicht das Rentenalter erreicht. Was steckte dahinter? Wenn er sich nicht irrte, war sie dreiundfünfzig, eine hart arbeitende Angestellte beim Rat des Kreises. Über ihre genaue Funktion dort wusste er so gut wie nichts.

      Er ließ den Hörer sinken ... und die Stimme des Hotelportiers am anderen Ende der Leitung wurde zu einem dünnen Singsang ohne Bedeutung …

      Ich sollte mich zusammenreißen, ermahnte er sich. Seine Verdächtigungen waren lächerlich. Langsam verlor er jedes vernünftige Augenmaß. Sicher fand alles eine harmlose Erklärung.

      Katja und ihr Mann trafen nachmittags mit dem Zug ein. Er würde ihnen einige Fragen stellen, und was dann von seinem Verdacht übrigblieb, würde ihm allenfalls noch die Schamröte ins Gesicht treiben. Falls man es überhaupt einen Verdacht nennen konnte. Was hätte man von ihm wollen können? Er war ein unbedeutender kleiner Angestellter, der Kontakt zu einem ehemaligen Linksextremisten besaß.

      Oder sollte Thaube nicht so harmlos sein, wie er annahm? – Nein, Unsinn.

      «Ein Doppelzimmer – ja, es kann ohne Bad sein, wenn Sie kein anderes frei haben … Wie? Wegen der Messetage, ich verstehe. Der Name ist Leutner, Ehepaar Leutner aus Karl-Marx-Stadt in der DDR.»

      5

      Sie stieg über die Reling und beugte sich zur Kajüte hinunter. Es war einer jener kleinen, aber wohldurchdachten Räume, die trotz ihres Komforts noch etwas von Seglerromantik vermitteln, weil alles auf engstem Platz zusammengerückt ist: die Pantry, das Pump-WC, zwei Hundekojen, der Klapptisch.

      Durch die Pendeltür sah sie in das Vorschiff, eine mit dicken Polstern abgedeckte dreieckige Schlaffläche, die wegen ihrer ehebettähnlichen Breite unter Schiffern augenzwinkernd «Liegewiese» genannt wurde. Sie kletterte die Holzstufen herunter, setzte sich auf den Kojenrand – und ließ ihren Blick prüfend über die Dichtung des Schiebeluks gleiten: es schien wasserdicht zu sein.

      Die Jacht wiegte sich leise an den mit Federn versehenen Leinen, sie schwamm in einem etwa zwölf Meter langen Bassin aus meerblauem Kunststoff.

      Drinnen waren die Stimmen der Messebesucher und die Geräusche aus der Halle nur noch ein gedämpftes Schwirren – wie das Rauschen des Windes, wenn man etwas Phantasie besaß …

      Für einen Augenblick – während sie durch das getönte Schiebeluk zur Mastspitze mit dem Windanzeiger hochblickte, dachte sie, es sei möglich, dass ihr dieses Schiff gehörte; dann fand sie den Gedanken auch schon unfair, weil er eine alte Wunde anrührte, ein Problem, das sie und Robert längst bis zum Überdruss diskutiert hatten.

      Kein Boot, keine Urlaubsreise ans Meer, vor allem aber keine Diskussionen darüber: so lautete ihre Vereinbarung. Und sie würde sich daran halten! Es war ein mühsam erkämpfter Kompromiss.

      Im Gegenzug hatte Robert ihr zugestanden, an jedem zweiten Wochenende auf den toten Rheinarmen zu segeln.

      Die Jacht wurde durch einen Tritt von der hölzernen Plattform in Schaukelbewegungen versetzt.

      Gleich darauf beugte sich ein junger Mann in die Kajüte herunter. Er war schlank, und seine Bewegungen verrieten Gelenkigkeit. Aus den hochgezogenen Ärmeln seines hellen Rollkragenpullovers sahen braungebrannte Arme. Typischer Sportler, dachte sie; vielleicht Segler.

      «Donnerwetter, nicht schlecht, was?», sagte er. «Ich meine die Innenausstattung.»

      Er setzte sich ihr gegenüber auf den Kojenrand und befühlte die Qualität der Polster. Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Die Betonung war fremd.

      «Sind Sie Amerikaner?»

      «Harry Gart.» Er streckte die Hand aus. Sein trockener, fester Griff, der etwas länger als nötig dauerte, brachte sie in Verlegenheit. «Seit fünf Jahren in Westdeutschland, hauptsächlich Köln und Hamburg, aber man merkt‘s immer noch, stimmt‘s?

      Ich habe schon einen Sprachkurs deswegen belegt. Es ist aussichtslos. Anscheinend gibt es begabtere Leute dafür als mich.»

      «Ihre Aussprache ist in Ordnung.»

      «Danke.»

      «Sind Sie Segler?»

      «Begeisterter Segler», bestätigte er. «Und Sie? Ich habe Ihren Namen nicht verstanden. Arbeiten Sie für die Jachtfirma?»

      «Nein, ich … ich bin nur Besucherin. Anja Weißkirch.»

      «Sie sprechen auch nicht ganz akzentfrei, hab ich recht?»

      «Es ist ein Dialekt. Ich bin aus Siebenbürgen.»

      «Ah, Kronstadt, die Karpaten, Graf Dracula …»‚ lachte er.

      «Aus Hermannstadt.»

      «Gefiel es Ihnen nicht mehr in Rumänien?»

      «Wir hatten dort zu wenig Rechte.»

      «Das kann ich verstehen. – Was ist dort?», fragte er und streckte den Arm aus.

      «Bitte?»

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