Der EMP-Effekt. Peter Schmidt

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Der EMP-Effekt - Peter Schmidt

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er hätte nie geglaubt, über wie viele Personen man in einem Amt weitergereicht werden konnte, das sich angeblich mit nichts anderem beschäftigte, als die Verfassung zu schützen.

      Für einen Tag im späten Februar war das Wetter erstaunlich mild, die Sonne verbreitete frühlingshafte Wärme, und während Karga aus dem Busfenster sah, erinnerte er sich ihrer Reise nach Poiana Brasov in den rumänischen Karpaten.

      Er hatte einige Wochen Urlaub verdient. Sie würden in einem Berghotel wohnen. Nach Kronstadt gab es nur eine selten verkehrende Busverbindung, also konnten sie dort oben mit sehr viel Ruhe rechnen.

      Angeblich war die Gegend so urwüchsig, dass junge Bären manchmal von den Hängen herabstiegen und nachts die Abfalltonnen der Hotels plünderten.

      Der Verdacht – und mehr als ein Verdacht war es wohl nicht –‚ dass man seinen Pass zurückhielt, um die Reise zu verzögern, brachte ihn noch mehr in Rage. Er würde das alles hier zur Sprache bringen.

      Die Auskunftsstelle befand sich im zweiten Stock. Sie war nur mit einem blassenjungen Mädchen besetzt, das seine dünnen Handgelenke massierte.

      Es saß in einem bis auf das Telefonbuch und den Kalender völlig leeren Verschlag und verwies ihn an eine angeblich zuständige Stelle im vierten Stock, als er seinen Namen nannte.

      Dort sagte man ihm, falls gegen ihn ermittelt werde, müsse erst die Genehmigung zur Auskunft eingeholt werden. Er wanderte von Zimmer zu Zimmer. Niemand schien zuständig zu sein. Es gab einen Sicherheitstrakt, Eintritt für Unbefugte verboten. Aber wie unterschied man Befugte und Unbefugte? War er als Betroffener nicht automatisch «befugt»?

      Die Verfassung lebt von den Menschen, ohne sie wäre sie ein Nichts, eine ideale Konstruktion. Nun gut: er wollte nichts weiter, als dass man seine verfassungsmäßig niedergelegten Rechte schützte.

      Man hatte ihm die Nummer eines Zimmers im Kellergeschoss gegeben; doch er war nicht mehr willens, das würdelose Spiel noch länger mitzumachen. Während er durch lange, hohe Gänge schritt, deren Gewölbedecken Ähnlichkeit mit den Gängen in Gerichten besaßen, las er auf einem Türschild:

      FJ. Wagner, Zugang nur über das Sekretariat, Zimmer 49.

      Entschlossen drückte er die Klinke, und tatsächlich ließ sich die Tür öffnen.

      Ein weißhaariger Mann mit einem kurzen Zigarillo zwischen den Zähnen blickte vom Schreibtisch auf.

      «Wagner?»

      «Sie wünschen?»

      «Aus der Schleuse nebenan schließe ich, dass Ihre Funktion hier keine untergeordnete ist?»

      «Schleuse?»

      «Das Sekretariat.»

      «Ah – verstehe.» Die Augen des anderen blitzten amüsiert, er nahm den Zigarillo und drückte ihn im Ascher aus. «Sie haben sich in der Bürokratie verirrt?»

      «So kann man es nennen, ja.»

      «Ich bin Amtsbereichsleiter.»

      «Seit einer guten Dreiviertelstunde schickt man mich von Zimmer zu Zimmer, weil ich eine Auskunft über Ermittlungen gegen mich wünsche. Ich werde von Ihren Leuten beschattet. Gestern brach man in meine Wohnung ein. Es gibt weitere Hinweise. Das alles muss mit meiner früheren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei zusammenhängen.»

      Wagner notierte sich seinen Namen und führte ein kurzes Telefongespräch, bei dem es um den Zutritt zu irgendeinem dubiosen Dateiraum im Kellergeschoss ging. Karga bemerkte, dass es die Nummer des Zimmers war, die man ihm weiter oben gegeben hatte. Anscheinend war man über seinen Fall unterrichtet. «Wir werden das ganz unbürokratisch regeln», beruhigte Wagner ihn und legte den Hörer auf. «Außerhalb des üblichen Amtsweges.»

      «Ich habe schließlich ein Recht darauf.»

      «Sie sollen nicht glauben, hier werde illegal gegen Sie ermittelt. Falls es einen Einbruch gab, wird man die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.»

      «Mir liegt nichts an Bestrafung. Nur an Aufklärung

      «Um so besser.»

      Wie schon auf der Polizeiwache überkam Karga plötzlich der Verdacht, er sei vielleicht nur überempfindlich.

      Ämter und Behörden hatten immer etwas Anonymes, Unpersönliches. Die Linke wusste nicht, was die Rechte tat. Ein Gewirr von Verordnungen lenkte das Handeln. Darüber mußte man hinwegsehen. Entscheidend war, was schließlich für den einzelnen dabei herauskam. In den Gewölbegängen hallten ihre Schritte.

      Dann kam ein moderner Anbau aus Beton. Mit dem Paternoster gelangten sie in das Kellergeschoss.

      Der Raum, nachdem sie eine dreitürige gläserne Kontrollschleuse passiert hatten, in der Wagner eine Weile eindringlich, aber offenbar erfolgreich auf einen merkwürdig gesichtslos wirkenden jungen Mann am Eingangstisch einredete, war die Datenbank: mehrere Monitore und Datenspeicher in glatten grauen Metallkästen gaben Karga das Gefühl, wieder vertrauten Boden zu betreten.

      Die Wände waren hell gefliest, wie in einer Metzgerei oder Leichenhalle.

      Ganz ähnlich sah es auch bei der VVG aus. Als er sich umwandte, bemerkte er, dass der junge Mann ihm missbilligend nachstarrte; Zugang zum Allerheiligsten wurde nur den Priestern gewährt.

      «Mehr Menschlichkeit ins System …»‚ brummte Karga über die Schulter zurück. «Gewöhnen Sie sich daran, dass Ihre Arbeit für den Menschen da ist, nicht umgekehrt. Ihre Vorschriften sind nur Krücken.»

      Zufrieden registrierte er die Sprachlosigkeit im Blick des anderen. Wagner hörte geflissentlich darüber hinweg. Er nahm an einem der Monitore Platz.

      «Sie dürfen es sich als seltenes Privileg anrechnen, bis hierher vorgedrungen zu sein», meinte er, nachdem er Kargas Daten eingegeben hatte; dabei nahm er einen Zigarillo aus der Hemdentasche und steckte ihn sich kalt zwischen die Lippen.

      Karga nickte und beobachtete aufmerksam die Datenreihen auf dem Bildschirm.

      «Eintritt in die DKP März 1981 – Austritt drei Wochen später. Nach eigenen Angaben, weil Sie einer gewalttätigen Demonstration beiwohnten, die Sie nicht gutheißen konnten. Vermummte Mitglieder der Partei schlugen mit Holzknüppeln Schaufensterscheiben ein. Stiefmutter in Karl-Marx-Stadt. Über Richard Thaube Kontakte zu linksextremistischen Kreisen. Reisen in den Ostblock. Für den Lehrerberuf als nur bedingt geeignet eingestuft.»

      «Was heißt bedingt? Ich bekam keine Einstellung.»

      «Sie wissen ja, wie heutzutage die Arbeitschancen für Junglehrer sind.»

      «Fragen Sie nach meiner Überprüfung.»

      Wagners schlanke Finger spielten über das Tastenfeld; die Schrift wurde invertiert und zeigte:

      NO

      «Was heißt das schon wieder? No kann alles mögliche bedeuten. Zum Beispiel keine Auskunft.»

      «Es heißt: Keine weiteren Überprüfungen. Sonst würde dort stehen: Informationszugang nur mit Code

      «Und

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