Der EMP-Effekt. Peter Schmidt

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Der EMP-Effekt - Peter Schmidt

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      Der andere betrachtete Karga unter der Mansardenschräge hockend unverwandt, als studiere er ein großes, unbekanntes Tier, dessen Harmlosigkeit im persönlichen Umgang erwartet wurde. Vielleicht fühlten sie sich auch nur so sicher, weil sie zu zweit waren.

      Er blieb vor einem hohen Stuhl stehen. Die Mahagonilehne reichte ihm bis zum Brustansatz, was ihn schmächtiger wirken ließ, als er war. «Falls Sie von der Polizei sind, würde ich jetzt gern Ihre Legitimation sehen …»

      Der andere lachte wieder. Es war ein seltsam glucksendes, nach innen gerichtetes Lachen: fast ein Schluckauf, hätte Karga dabei nicht in sein Gesicht geschaut.

      «Also keine Polizei? Gewöhnliche Einbrecher?»

      Er ging langsam zum Telefon.

      «Sie sollten besser die Finger davon lassen», sagte der zweite Mann scharf.

      Karga ließ unwillkürlich seine Hände sinken.

      Erst jetzt sah er, dass der Mann am Tisch in einer Biographie Mahatma Gandhis blätterte. Sie hatte oben auf dem Buchregal gestanden. Die Spitze seines Zeigefingers schnippte gegen das aufgeschlagene Portrait des Politikers.

      «Ich mag‘s nicht, wenn man so mit meinen Büchern umgeht.»

      «Ist das hier etwa ein Zeichen von Gewaltlosigkeit?»

      Der andere schlug die Seiten um und zog ein Schwarzweißfoto heraus. Karga erkannte es selbst auf diese Distanz, obwohl er es schon vor vielen Jahren in dem Buch vergessen haben mußte. Es stammte aus der Zeit seines Examens und zeigte eine Gruppe Männer, die Strickkapuzen trugen und während einer Demonstration mit Holzknüppeln Schaufensterscheiben einschlugen.

      «Ich war nicht daran beteiligt.»

      «Schwer zu beweisen, oder? Schließlich tragen alle Kapuzen.»

      «Vielleicht genügt es, wenn ich erkläre, dass ich der Fotograf war? Außerdem habe ich mich nicht vor Ihnen zu rechtfertigen.»

      «Ihre Anwesenheit damals spricht für sich.»

      «Sind Sie vom Verfassungsschutz?»

      «Nein, wie kommen Sie darauf?»

      «Nennen Sie mir Ihre Namen.»

      «Karl – Karl und Franz», sagte der andere und unterdrückte nur mühsam sein glucksendes Lachen. «Ist Ihnen jetzt besser? Sind Sie nun zufrieden?»

      «Durch Namen wird alles persönlicher», nickte Franz. «Wir sollten uns mit unseren Vornamen anreden.» Er zog ein Tablettenfläschchen aus der Manteltasche und schluckte zwei winzige gelbe Pillen.

      «Ich möchte Sie doch bitten, wenigstens die Toilette abzuziehen, wenn Sie schon in meine Wohnung einbrechen», sagte Karga.

      «Das werden wir. Geschenkt», bestätigte Franz. «Wir sind schließlich keine Banausen.»

      «Sondern?»

      «Verschwenden Sie daran keine Gedanken», sagte Karl. Er versperrte Karga den Weg, als er ein zweites Mal den Telefonhörer abheben wollte. Er wirkte einen halben oder ganzen Kopf größer, und die Hände in den Taschen seines grauen Jacketts waren zu Fäusten geballt.

      «Oder noch besser: Lassen Sie es sich eine Warnung sein. Sie wissen schon, wovon ich rede.»

      «Warnung? Nein, ich habe keine Ahnung.»

      «Er hat von nichts eine Ahnung», erklärte Karl mit einer Kopfbewegung zu Karga hin. «Wer hätte das gedacht? Der Weihnachtsmann?»

      «Sie Schießbudenfigur …», sagte Karga.

      «Wenn Sie beleidigend werden, bringt Ihnen das nur Ärger ein. Ziemlichen Ärger sogar.»

      «Ich habe seit fünf Jahren nichts mehr mit der DKP im Sinn. Warum könnt Ihr mich nicht in Ruhe lassen?»

      «Das ist eine ungeklärte Frage. Natürlich würden Sie es in dieser Situation nicht zugeben – es wäre der denkbar ungünstigste Augenblick.»

      «In dieser Situation? Was meinen Sie?»

      Franz klappte das aufgeschlagene Buch zu. «Lass uns gehen», sagte er. «Wir verschwenden nur unsere Zeit, Leute seines Schlages beherrschen ihre Lügen.»

      Karl nickte und riss das Telefonkabel aus der Wand.

      «Wenn Sie sich noch einmal hier blicken lassen, gibt‘s ein Unglück …“, rief Karga ihnen mit verhaltener Stimme nach. Vom Fenster aus beobachtete er, wie sie um die Ecke bogen. Wahrscheinlich stand ihr Wagen hinter der Bahnunterführung.

      2

      Er betrat das Polizeirevier und wartete ab, bis eine dickliche Marktfrau mit ihrer Beschwerde zu Rande kam. Jemand hatte ihren Stand umgestoßen. «... der ganze schöne Kohl auf dem nassen Pflaster – und die Trauben zertreten!»

      Karga blickte sich ungeduldig um. In der Halle standen drei Reihen Schreibtische, seine Vernehmung zur Demonstration damals fiel ihm ein, und ein Pulk von Bildern – Verhöre, denen er an den Nachbartischen hatte zuhören können – stieg augenblicklich vor seinem inneren Auge auf, als er die Schreibmaschinen und Besucherstühle sah.

      «Die Gewalt nimmt zu», erklärte der Polizeibeamte. Er hatte rötliche Koteletten und einen müden Zug um den Mund. «Gegen Menschen und Sachen, wir sind machtlos.»

      «Ein Zeichen zunehmenden Wohlstands», mischte Karga sich ein. Er war selbst überrascht darüber: gewöhnlich gab er sich eher zurückhaltend, aber das Thema interessierte ihn. «Zuviel Wohlstand oder zu wenig – es hat immer die gleiche Wirkung. Die Veränderung muss von innen kommen. Wenn man etwas verändern sollte, dann nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern den einzelnen Menschen.

      Gandhi hat dafür den Weg gewiesen. Massen von gewaltlosen Einzelnen sind der Schlüssel zur Zukunft.»

      Die Alte wandte sich um und sah ihn missmutig an. «Ihr Gerede macht meinen Kohl nicht heil.»

      «Es wäre nie so weit gekommen.»

      «Bitte warten Sie, bis Sie an der Reihe sind», sagte der Beamte verdrießlich.

      Karga wandte sich achselzuckend ab. So war es immer: Sobald er sich engagierte, gab es Ärger. Dabei war alles ganz einfach: nicht die Eier mußte man verändern, wenn man besseres Rührei wollte, sondern die Henne, die sie legte. Es waren Gedanken, mit denen er wie mit einer Gleichung spielte. Bloß, dass er sie nicht in die Tat umsetzen konnte. Sie waren nichts als ein theoretisches Spiel.

      Es dauerte mehr als zehn Minuten, bis er an die Reihe kam.

      «Ich habe einen Einbruch zu melden. Genaugenommen sogar einen Überfall.»

      «Bitte nehmen Sie Platz.»

      Er wurde an einen der Tische gebeten, auf dem eine Schreibmaschine stand.

      «Ihren Personalausweis bitte.»

      «Meinen Ausweis,

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