Der Sturm der Krieger. Paul D. Peters

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Der Sturm der Krieger - Paul D. Peters

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den Kopf. Sie musste es ihm sagen und er musste es hören.

      „Aber in dem Moment, da dein Vater fiel, fühlte ich in dieser Welt nicht nur sein Ende, sondern auch das Ende aller Zuneigung für dich. Ich verstand erst viel später, warum. Zunächst verstand ich nämlich nichts, gar nichts. Ganz ungläubig war ich und verwirrt. Irgendwie kann ich mich an manche Stunden danach gar nicht mehr erinnern. Und dann floh ich ohnehin als Vogel. Erst lange nach deiner Kreuzigung begriff ich alles und erst nachdem ich dich am Baum der Anklage sah, erst dann begriff ich wirklich, dass du es gewesen warst, allein du. Wie könnte ich einen Mann jemals lieben, der seinen und meinen Gott getötet hat?“

      Ein eisiges Schweigen erfüllte nun gänzlich die Kammer der Heilung. Sein Griff der Hand war nun ganz schwach geworden. Nur kurz jedoch bebten seine Lippen, dann presste er sie hart aneinander. Er schluckte mit schmerzendem Kloß im Hals. Dann atmete er aus und neigte wieder den Kopf zur Seite, dieses Mal aber nicht in Scham. Fast greifbar entfaltete sich eine emotionale Kälte zwischen ihnen beiden.

      Sie ließ seine Hand los und rieb sich die Stirn. Sanara dachte nach, wie sie und ob sie die Unterredung fortsetzen sollte.

      „Weißt du,“ begann sie dann etwas zögerlich. „Ich bin mir nicht sicher... Verdammt, es fällt mir schwer so zu reden. Jedenfalls aber hasse ich dich nicht mehr. Gelitten hast du, ich weiß nicht, ob genug, aber gelitten hast du. Zumindest ein Teil deiner Schuld ist getilgt und vielleicht konnte es nur so kommen und dein Handeln war nur so möglich, nur so richtig. Und jetzt... Lange war ich wohl jemand, auf den du gehofft hast, aber das kann ich jetzt auch nicht mehr sein. Vielleicht habe ich dir mehr gegeben, als ich dir hätte geben sollen, aber das bedeutet jetzt ohnehin nichts mehr. Wir waren aneinander gebunden und ich fürchte, das Schicksal wird uns gemeinsam noch einiges abfordern.“

      Die Deva sagte dann eine Weile lang nichts mehr und es gab eigentlich auch nichts mehr zu sagen, so befand sie. Bloß eines war da noch, dass sie nach all den Ereignissen überhaupt keinen Sinn für sie ergab und auch wenn sie natürlich keine Antwort von ihm bekommen konnte, selbst wenn er denn des Sprechens mächtig wäre, so brach es gerade jetzt aus ihr hervor und richtet sich allein an ihn.

      „Ein Auserwählter sollst du sein, aber ist es auch wirklich wahr? Was heißt das für mich, für unsere Gemeinschaft hier, für die Welt? Soviel ist durch dich verloren und doch... Vielleicht ist dies der Preis, den wir alle zahlen müssen, damit am Ende das Licht Ardas triumphieren wird?“

      Er reagierte mit keiner Bewegung keinem Laut darauf.

      Sanara fühlte sich gerade sehr unwohl und doch irgendwie leer zugleich. Es war einfach zu viel passiert in den letzten Wochen. Alles hatte begonnen mit ihrer gemeinsamen Reise zurück in den Wald der Welt. In jener Zeit war eigentlich auch schon zu viel passiert. Bis auf das Fest zu Nos Saman und vielleicht die letzten paar Tage war alles von einer steten Unruhe, von einer steten Eile, einer steten Dramatik, einem steten Kämpfen geprägt gewesen. Nun schien nur noch quälende Trauer zu bleiben. Wenigsten hatte der Eine Feind keine weiteren Angriffe vollführt und die Harpyiengötzen hatten mit ihrer Schnabelbrut den Krieg noch nicht begonnen, so sinnierte Sanara für eine Weile über alles nach.

      „Wirst du uns, wirst du mich retten, Wolf?“, fragte sie plötzlich.

      Zuerst wollte er schreien als Antwort auf diese Frage. Der Ton in ihrer Stimme, die Art wie sie die Frage gestellt, was die Frage überhaupt bedeutete, war nicht einfach zu ertragen. Sie hatte es wieder getan, ihn überrascht und überfordert zugleich, mit nur einem Satz. So kannte er sie, seit ihrer ersten Begegnung.

      Was er dann tat, musste er einfach tun. Unter Stöhnen richtete er sich im Bett auf. Nach hinten stützte er sich mit der rechten Hand ab, während die andere zittrig den Augenverband zu ergreifen versuchte. Mit einer einzigen, schnellen Bewegung riss er ihn herunter. Zunächst war alles gänzlich verschwommen, aber erstaunlich schnell erlangte er wieder die volle Sehschärfe. Ihre roten Haare. Ihre grünen Augen. Ihr Gesicht von blasser Haut. Mit zunächst zusammengekniffenen, dann weit aufgerissenem Blick sah er sie an, sah er sie endlich wieder an. Sie wirkte fast völlig geschockt.

      „Ich...“, begann er mit halber Zunge und angestrengter Stimme für die Antwort zu stammeln. „Ich... wei... weiß... es... nicht, Sanara!“

      Ihre bebender Hand bedeckte sie ihren offenen Mund. Sie war überrascht von seiner plötzlichen Geste, seiner Antwort, mit der sie nicht gerechnet hatte. Und da war noch etwas anderes, in seinem Gesicht, das sich verändert hatte.

      „Dein Auge, Wolf“, begann sie irgendwann. „Dein gelbes Auge... Die Farbe ist anders... Es ist ganz rot geworden.“

      Mit ansetzender Geste fuhr er sich ins Gesicht, fast so, als wolle er es allein durch Tasten überprüfen, ob es denn stimmte.

      Dann stand sie auf, neigte sich nach vorne und umarmte ihn heftig. Sie verstand nicht ganz, warum sie ihm gerade jetzt wieder diese Zuneigung gönnte. Er stöhnte, weil es weh tat, weil er sie spürte. Doch zunächst konnte er ihre innige Nähe nicht erwidern.

      Stammelnd begann sie: „Es... Es tut mir leid... Wolf, ich... ich glaube daran. Ich glaube wirklich daran, dass es, dass alles irgendwann gut sein wird, wahrhaftig gut. Das Ende kann kein Schreckliches sein. Niemals. Und wenn alles dunkel ist, dann ist es nicht das Ende.“

      Sie ließ kurz ab von ihm, dann umfasste sie mit beiden Händen seinen Kopf und sah ihm tief in die wässrig glänzenden Augen. Er konnte sich nicht abwenden, selbst als ein erster Impuls es wollte.

      Ihre Daumen strichen über seine Schläfen, als sie dann sagte: „Bitte, wenn du auch sonst nichts glaubst, dann glaube wenigstens an meine Worte.“

      Warug erinnerte sich. Genau dies hatte sie zu ihm gesprochen, ehe er zur Dämmerwanderung und damit zum letzten Marsch mit seinem Gott und Vater aufgebrochen war.

      „A... Dan... Danke“, waren das Einzige, was er mit wegbrechender Stimme hervorbrachte.

      Erst jetzt umarmte er sie. Fester noch drückte er sie an sich. Er wusste ganz genau, dass er sie so bald nicht mehr in seinen Armen haben würde, wenn denn jemals wieder.

      So erfüllte sich in jenem Moment ihr beider Wunsch von einst.

      Kapitel 4: IM TEMPEL VON SONNE UND WOLF

      Der Wind brauste laut und die Schneeflocken wirbelten unruhig über den Heiligen Hain hinweg. Die blattlosen Kronen der Laubbäume neigten sich mit den Nadelbäumen im Rhythmus des stärker werdenden Sturms, welcher mit beständigem Rauschen die Luft erfüllte. Kein Blau fand sich am Himmel, nur Grauweiß. Der Wald der Welt war erfasst von der Unruhe eines immer tieferen Winters.

      Allein stand der Geächtete von Einst mitten auf der Hainstatt. Er hatte zu warten. Etwas enger zog er den Fellmantel um seinen Leib. Noch reagierte er auf Kälte überraschend empfindlich, denn offenbar hatte die Heilung seine Widerstandskraft noch nicht gänzlich hergestellt. Selbst der gefrorene Atem aus Mund und Nasenlöchern fühlte sich unangenehm und stechend an. Immer wieder strich er sich das Haar aus dem Gesicht, bis er irgendwann aufgab und sich nicht mehr daran störte, dass das momentane Wetter immer siegreich über seine Frisur bleiben würde. Sein Blick ruhte meist auf dem Boden; gelegentlich sah er hoch in das unveränderte, gleichförmige Firmament oder betrachtete die mit Schnee bedeckten Megalithen rund um ihn herum. In pulvrigen Wehen zog der Wind das Weiß von deren Spitzen mit sich. Allein der graue Opferstein am Rande des Kreises war kaum berührt von der Witterung, denn offensichtlich trat eine magische Aura der Kälte mit Verweigerung entgegen. Gelegentlich zeigten sich im Gestöber blasse Gestalten von Werwölfen, Blutfolgern und Matronen. Hinter Warug

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