Der Sturm der Krieger. Paul D. Peters
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Sanara wusste sofort, wer hier Macht gewirkt hatte. Durch den Spalt des Eingangsportal hindurch sah sie ihre Herrin, die im Schatten der großen Eiche stand, ihren Arm weit von sich gestreckt und mit ihrer Hand den Verbrecher an ihrem Befehl telekinetisch umkrallt hielt.
Mehrere Werwölfe in Kriegsgestalt traten von allen Seiten heran. Sie nahmen sich ihres Bruders, dem weiterhin keine Bewegung möglich war, an und schleiften ihn in den Wald. Keiner von ihnen würdigte den Gottschlächter eines Blickes, bloß einer verneigte sich vor dem Tempel und damit vor Gava Meduna.
Brander und Warug verwandelten sich wieder zurück. Der Gerettete vollführte eine Dankesgeste gegenüber Bruder und Schwester, die allerdings bloß den Kopf schüttelte und wortlos vor den beiden anderen in das Heiligtum hinein trat. Die Erzmatrone hatte nicht weiter abgewartet, sondern sich bereits wieder in den hinteren Teil des Gebäudes begeben.
Die beiden Flügel des Portals verschlossen sich von selbst, aber ein verzweifeltes Heulen drang aus der Ferne noch hinein.
Im Inneren war es warm und behaglich. Dies lag gewiss nicht allein an den vielen Kerzen entlang der hohen Wände, sondern umso mehr an den intensiv brennenden Geisterfeuern, die in der Höhe frei schwebten. Mit ihrer Hitze ließen sie es nicht zu, dass auch nur eine einzige Schneeflocke durch die obere Öffnung zu weit herein fiel, denn ehe das kalte Weiß weiter als das untere Geäst glitt, schmolz es und die sich weiter auflösenden Eiskristalle rieselten funkelnd hernieder.
Hinter der Esche und im Bereich gegenüber dem Haupteingang hatten sich bereits mehrere Personen zusammengefunden. Die ältere Matrone, die sie herein gebeten hatte, stand gerade bei Gava Meduna und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Danach verneigte sie sich vor der Führerin des Zirkels und mit einem zutiefst abfälligen Blick für Warug verschwand sie schließlich in einem Nebenraum. Deva Sanara kniete ins Gebet vertieft vor den beiden Statuen von Arda und Erennos. Das dazwischen platzierte Idol Goronds war von einem schwarzen Tuch gänzlich verhüllt. Dieser Anblick gab Warug einen heftigen Stich ins Herz. Seinen Bruder Brander Flammenkrieger hörte er mit einem traurigen Knurren hinter sich verharrend.
Doch es war noch jemand hier: neben Gava Meduna stand ein groß gewachsener Werwolf, der sich langsam zu seinen Brüdern wand. Grau in grau war seine Kluft von Leder und Fell. Seine entblößten Oberarme waren bedeckt mit Tätowierungen, die ebenso Symbole von Klan Bär aufwiesen. Das dunkle Haar war mit Schnüren zu einem langen Zopf zusammengebunden. Grau wie die See der Blick. Warug erkannte ihn schnell wieder, auch wenn es lange her war, dass dieser in seiner Heimat zugegen war. Es handelte sich um Velric Eisheuler, der letzte lebende Nachkomme des gefallenen Magnors Sigthun Silberklaue.
„Gottschlächter... Hier seid ihr also.“ Sein Ton war durchaus abfällig, aber gleichzeitig sehr bestimmt. „Brüder wollen euch tot sehen, aber das heilige Gebot Toruskorrs und der Zauber der Ehrwürdigen Gava retten euch. Doch ehe ich nur ein weiteres Wort über euch, den ich lange vor eurem Exil noch als Feindhetzer kannte, verliere, will ich zuerst nur eines wissen: hat mein Vater bis in den Tod gut gekämpft und wird der Allvater ihn in seinen Hallen ruhmreich empfangen?“
Die Augen Velrics bohrten sich regelrecht in die Seele Warugs. In Respekt senkte dieser zunächst sein Haupt, auch gegenüber der sehr streng dreinblickende Erzmatrone, die sich wieder einmal um die Schonung seines Lebens bemüht hatte. Ruhig war er in seiner Antwort.
„Euer Vater war bis zu seinem Fall für Gott Gorond nicht nur der große Anführer dieses Klans und der neun erwählten Dämmerwanderer gewesen, sondern auch der größte Krieger unserer Schar. Er starb mit der höchstmöglichen Ehre eines wahren Streiters des Wilden Heeres. Seid meiner Gram über sein jähes Ende, aber auch meinem Dank und meiner Freude darüber gewiss, dass ich an seiner Seite kämpfen durfte und sein glorreiches Schlachten mit ansah. Nun sitzt er mit unseren Ahnen in den jenseitigen Hallen von Venhallasvor, wo die Tapferen ewig leben.“
Velric Eisheuler sagte zunächst nichts darauf und sah noch kurz auf Brander, der demütig nickte. Er glaubte ihnen und war von wahrhaftigem Stolz für Sigthun erfüllt.
„Ein böses Omen hatte mein Vater dereinst in einem Traum gesehen, deshalb schickte er mich vor Jahren weit fort. Manchmal schmerzte mich sein Entscheid, doch natürlich gehorchte ich. Es würde eine Zeit kommen, da mir zu große Gefahr drohen würde, wenn ich in Hainstatt und im Revier länger als drei Nächte zugegen sei, so verriet er es mir. Schließlich wurden ich und mein Rudel in wichtiger Mission zu unserem Bruderklan im Norden entsandt. Eine unserer Aufgaben war es ein Zeichen zu setzen für die Gemeinschaft und das starke Bündnis zwischen Bär und Wolf. Wir jagten Skrael, patrouillierten an den Grenzen und erspähten zuletzt den Heereswurm der Brut, der schon bald gegen den Langen Wall Talaruns ziehen wird. Hoch und weit fliegen die Harpyiengötzen und die Berge erzittern, da aus ihnen Schwarze Drachen geboren werden.“
Für einen Moment hielt der Sohn Sigthuns inne und betrachtete mit fragendem Blick die Statuen von Allmutter und Allvater, ehe er sich wieder den anderen um Raum zu wand und direkt fortsetzte mit seiner Ansprache.
„Lange dauerte meine Mission im Norden, doch Gava Meduna hat mich und mein Rudel zurückgerufen. Meine Heimat sehe ich endlich wieder, aber die Heimat hat keinen Gott mehr. Weder meinem Vater im Blut konnte ich wieder vors Angesicht treten, noch meinem Vater in Heiligkeit. Zweifach ist meine Trauer, aber da ich noch bin und mein Pflicht erkenne, will ich mein Leben für den Klan hingeben.“
Velric Eisheuler streckte er den Arm aus und berührte den schwarz verhüllten Schädel des Idols Gorond. Alle im Raum hatten ihm schweigend und mit aller Aufmerksamkeit zugehört.
Die Erzmatrone erhob das Wort: „Ich danke euch aus der Tiefe meines Herzens, Velric Eisheuler. Dafür, dass ihr hier seid, dafür, dass ihr so gut gesprochen habt. Eure Trauer mag groß sein, doch ist keine Träne des Schmerzes sinnlos und ehrlos vergossen.“
„Gewiss nicht, werte Gava“, begann der zurückgekehrte Sohn. „Ehe weiter Dinge passieren und ich weiter entscheide, wollte ich noch wissen, ob mein Groll stärker sei als meine Beherrschtheit und Urteilskraft. Aber da ist kein Gefühl mehr, das meine Klauen zornig werden ließe. Vielleicht hat nun auch mich dieser zähe Gleichmut erfasst, der seit Tagen wie eine tönerne Decke über dem ganzen Revier liegt.“
Sanara erhob sich und fragte plötzlich: „Könnt ihr denn eurem Bruder verzeihen, Velric, Sohn des Sigthun?“
„Ich muss“, antwortete dieser kalt und ohne Zögern. „Ich muss und will, denn Gorond musste fallen. Ich begriff diese grässliche Wahrheit erst vor kurzem in aller erschütternder Konsequenz. Wie mein Gott war mein eigener Vater ein notwendiges Opfer im Krieg gegen den Abgrund.“
Warug entkam es mit knirschenden Zähnen: „Den Tod eures Vaters habe ich gewiss nicht gewollt...“
„Den Tod unseres Gottes aber schon? Nein, genug davon. Geschehen ist es und für immer bleibt es unser aller Bürde. Ich trage noch eine weitere und werde niemals vergessen, wessen Sohn ich bin und wer mein Vorbild bleibt.“
„Lange noch hätte uns Sigthun Silberklaue führen können.“ Deva Sanara versuchte so aufrichtig und tröstend wie möglich zu klingen. „Er war ein guter, starker Magnor gewesen.“
„Wer anderes sagt, kannte ihn nie oder hasst ihn noch immer. So verkünde ich also nun: mit dem heutigen Tag will ich Velric Sigthunson Eisheuler heißen. Ich will mich seiner würdig erweisen, in allem.“
Gava Meduna nickte und sagte mit Ermutigung im Wort: „Heil dir, Velric Sigthunson Eisheuler! Ein jedes Wort aus eurem Mund ehrt euch in dieser Stunde. Ich fühle, dass ihr eurem Vater sehr ähnlich seid. Und er sieht es gewiss genauso.“
Sanara,