Der Sturm der Krieger. Paul D. Peters
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Читать онлайн книгу Der Sturm der Krieger - Paul D. Peters страница 18
Es war der Name Gorond, der da auf dem Rücken des Gottschlächters in alten Runen eintätowiert wurde. So hatte es Gott Toruskorr geboten, denn niemals sollte Warug seinen Großen Vater vergessen und für den Rest seines Lebens sollte er ihn in seinem Fleisch mit sich tragen. Er konnte ihn zwar nicht direkt und unter Bekleidung konnte er ihn verhüllen, aber mit dem ersten Licht des Mondes sollte er ihn in jeder Nacht spüren, den Namen seines Gottvaters auf seinem Rücken. Der Schmerz einer jeden einzelnen Rune wäre keine allzu große Qual, aber ein Gemahnen bis in den Tod.
Die ältere Matrone vollführte mit der Silbernadel den letzten Ritz. Die jüngere Matrone rieb fest das Gemengsel ein. Damit war nun Gorond quer über den ganzen Rücken von Schulter zu Schulter zu lesen. Gefäß und Instrument wurden zur Seite gelegt. Sanara löschte das Glimmen und stellte die Weihrauchschale zur Seite auf einen Podest, dann schloss sie die Augen und streckte ihre Arme abgewinkelt aus. Die Hautmalerinnen wiesen mit flachen Händen auf ihre gemeinsames Werk. Zunächst summten sie, dann sprachen sie eine weitere Formel. Warug knurrte kurz, als sich das Mal auf seinem Leib noch tiefer einprägte. Die Runen wurden wie von selbst ein wenig größer und breiter, die Farbe wurde kräftiger. Eine Desinfektion war bei einem Werkrieger nicht nötig.
Dem Gottschlächter wurde erlaubt sich zu erheben. Die etwas erschöpft wirkenden Hautmalerinnen verließen wortlos den Raum. Sie verabschiedeten sich mit knapper Geste nur bei ihrer Schwester.
Der Werwolf stand noch eine Weile mit dem muskulösen Rücken zu Sanara, die neugierig die magische Tätowierung begutachtete, und streckte die Glieder. Knackende Knochen. Er wagte es erst gar nicht mit der Hand die Runen in seinem Fleisch zu betasten. Er spürte sie ohnehin mehr als deutlich.
„Wie sieht es aus?“, fragte er unvermittelt ohne sein Gegenüber anzusehen.
Die junge Matrone neigte den Kopf zur Seite und sprach: „So, als ob es weh tun würde.“
„Hm. Das soll es ja auch. Wie viele Stunden habe ich da gelegen?“
„Es müssen etwa drei Stunden gewesen sein. Die Nacht ist bald vorbei.“
Langsam drehte er sich zu ihr um und hielt Ausschau nach seinem Mantel. Sanara nahm diesen von einem Tisch und übergab ihm das schwarze Leder. Er verzog das Gesicht, als er ihn anzog.
Sie begann: „Wolf, ich...“
Fast gleichzeitig begann auch er: „Sanara, du...“
Sie unterbrachen sich gegenseitig und schwiegen vorerst einmal gemeinsam. Ihre Blicke trafen sich nur kurz. Sie versuchte es mit einem verständnisvollen Lächeln. Er unterdrückte nur halb ein verdrossenes Knurren. Beiden war der Moment gerade etwas peinlich, obwohl eigentlich nichts peinlich war.
„Was wolltest du sagen?“, fragte Warug.
„Eigentlich wollte ich nur das Gebot Gava Medunas verkünden, dass du dich sogleich in eine andere Kammer begeben sollst. Ein letztes Ritual musst du heute noch erdulden. Es ist wichtig, dass es mit der Dämmerung des neuen Morgens passiert. Folge mir bitte.“
Ungewöhnlich lange verweilte er ohne jegliche Reaktion. Sanara wusste das gerade nicht wirklich zu deuten, aber ehe sie ihn noch einmal mit einer gewissen Verärgerung auffordern wollte, ging er direkt auf sie zu und wartete schließlich, dass sie ihn weiter führen möge.
„Es wird wohl nicht so lange dauern“, begann sie. „Aber ich werde dabei sein müssen.“
„Dann musst du eben wieder dabei sein.“
Mehr hatten sie einander vorerst nicht zu sagen.
Gava Medunas Knie schmerzten. Eigentlich wäre dies eine gute Gelegenheit gewesen, das Alter wieder einmal zu verfluchen, aber sie hatte sich zu fokussieren. Sie konzentrierte sich auf den Werwolf vor sich im Pentagramm und auf den Weltschatten, in welchen sie weit und mit intensivierter Macht hinausreichte. Es galt einen Geist zu beschwören.
Deva Sanara kniete in ähnlicher Haltung neben ihr. Sie war ihre Assistentin für dieses Ritual der Bindung. Drei ihrer älteren Schwestern standen gerade summend in einem Kreis um Warug Gottschlächter, der im Schneidersitz hockte, herum. Die junge Matrone ließ mit dem hölzernen Schlagstock auf ihrer Trommel ein weiteres Mal den Takt erklingen. Hierauf bewegten sich die drei Zauberinnen des Zirkels etwas weiter voran. Diese beschritten kreisförmig von rechts nach links den durch das aufgezeichnete Pentagramm vorgegebenen Pfad. Über eine Stunde passierte dies nun schon so und der Morgen war außerhalb des Tempels bereits angebrochen.
Warug musste sich ebenso konzentrieren. Die Augen geschlossen. Die Körperhaltung ruhig und aufrecht. Er versuchte seinen Geist gänzlich zu leeren und gleichzeitig seine Gabe zu spüren, in den Weltschatten hinüber treten zu können, aber ohne dass er dies tatsächlich auch tat. Dies war gewiss keine leichte Übung, aber die drei Matronen um ihn herum gaben ihm ein Geleit durch ihre Macht, auf dass er in der Dieswelt bliebe.
Sanara spürte kurz, dass ihre Herrin ihr gebot, in die nächste Phase des Rituals überzuleiten. Offenbar war es nun endlich soweit. Sie schlug nun die Trommel in einem merklich schnelleren Rhythmus. Ihre Schwestern, die langsam in einen Trance-Zustand übergingen, hörten dies und erhöhten das Tempo ihrer Kreisbewegung. Aus ihrem Summen wurde nun das laute Aufsagen ganz bestimmter Formeln.
Gava Meduna wirkte noch ruhiger und in sich gekehrter. Wie eine Statue verweilte sie. Kaum merkbar war noch ihr Atmen. Die Hände hielt sie weiter im Schoß verschränkt. Die junge Deva an ihrer Seite hatte die Aufgabe auf jede ihrer Bewegungen und Reaktionen zu achten, seien diese auch noch so subtil und scheinbar unbedeutend. Selbst das Aufstellen der Haare am Arm vermochte auf etwas zu verweisen. Im schlimmsten Fall hatte Sanara nämlich die allerwichtigste Aufgabe: sie musste ihre Herrin retten, wenn denn etwas Verderbtes über die Schwelle trat und die Schutzzauber durchbrechen konnte.
Da begannen die Augenlider der Meduna zu flattern. Sie keuchte leise auf. Gleiches war bei Warug zu beobachten. Im Raum intensivierte sich für alle spürbar die Macht. Die Kerzen im Raum brannten nun heller. Vom Pentagramm ging ein sanftes Glühen aus und über dem Kopf des Klanskriegers schien sich etwas mit unruhigem Flackern zu manifestieren. Ein außerirdisches Klingen ertönte. Es war also soweit.
Was dann geschah, erlebten allein der Werwolf und die Erzmatrone in dieser Weise und allein die Gava konnte sich zur Gänze daran erinnern.
Meduna und Warug sahen sich an. Sie saßen in derselben Haltung im selben Raum direkt gegenüber, waren aber offenbar allein. Ihr äußeres Erscheinungsbild hatte sich verändert. Die Erzmatrone wirkte deutlich jünger, ihre Kleidung hatte kräftigere Farben. Ihr strahlendes Haar hob sich teils so an, als wäre sie unter Wasser. Warug war in der mächtigen Kriegsgestalt eines Werwolfs und aufgrund seiner so gesteigerten Größe verdeckte er im Schneidersitz fast den gesamten Runenzirkel. Halb zur Brust gesenkt war der große Wolfsschädel. Seine Pranken mit den langen Klauen ruhten ineinander. Durch sein schwarzes Fell schien ein steter, sanfter Wind zu fahren. Völlig ruhig und beinahe starr wirkte er weiterhin, lediglich sein buschiger Schwanz zuckte etwas unruhig. Die tätowierten Runen auf seinem Rücken wirkten wie vom Pelz frei gebrannte Narben. Der Blick durch die beinahe geschlossenen Lidern geschlitzt: sein rechtes Auge glühte blau, sein Linkes rot.
Dort wo vielleicht die Anderen saßen oder standen, waren nur unterschiedlich farbige Schemen zu erkennen, die die Echos ihrer Seelen aus der Dieswelt