Dutzendgeschöpfe. Katia Weber

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Dutzendgeschöpfe - Katia Weber

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die“, bestätigt Arne kauend, „Erstens sieht sie immer aus, als würde sie jeden Moment vom Rad fallen, und zweitens stinkt sie dauernd nach Knoblauch.“

      „Ist mir auch schon aufgefallen“, erwidere ich.

      „Wen hasst du am meisten?“, will Arne wissen.

      „Die Blonde mit der komischen Tätowierung im Nacken. Ich glaube, sie denkt, sie wäre Angelina Jolie. Sie stülpt die Lippen immer so vor.“

      Ich stülpe meine Lippen nach außen, bis ich sie aus den Augenwinkeln unter meiner Nase sehen kann. Arne verschluckt sich vor Lachen, bekommt einen roten Kopf und hustet eine ganze Weile.

      Wer hätte gedacht, dass ich mal in einer WG leben würde, denke ich.

      „Du, am Wochenende kommen meine Eltern vorbei“, verkünde ich dann.

      Arne fragt:

      „Du meinst, dass ich mich dann aus dem Staub machen soll?“

      Ich grinse.

      „Nein. Ich meine, dass meine Eltern vorbeikommen. Wenn du darauf keine Lust hast, solltest du dich tatsächlich aus dem Staub machen. Ansonsten bist du herzlich willkommen, mit uns zu frühstücken. Sie sind ganz nett.“

      Arne wirft mir einen skeptischen Blick zu.

      „Du machst ja echt Werbung für deine Eltern.“

      Ich nehme einen Schluck Kaffee und winke schnell ab.

      „Nein, ernsthaft. Meine Eltern sind wirklich in Ordnung.“

      Arne streicht sich ein paar Mal unsicher durch die Haare.

      „Hast du ihnen gesagt, was mit mir los ist?“

      Ich muss lachen.

      „Dass du auf Männer stehst? Na klar! Dachtest du, ich hätte dich als meinen tollen Liebhaber ausgegeben?“

      Arne ist nicht überzeugt.

      „Ich weiß nicht. Ich sollte wahrscheinlich kein Problem damit haben, aber irgendwie ist mir bei dem Gedanken ein wenig komisch zumute. Immerhin wohne ich jetzt schon seit ein paar Wochen hier und zahle keine Miete. So was finden Eltern nie toll.“

      Da musste ich ihm recht geben. Meine Mutter hatte tatsächlich schon mal eine Andeutung in dieser Richtung gemacht.

      „Weißt du, wir beharren einfach darauf, dass ich ohne dich nie meinen tollen neuen Job im Fitnessstudio bekommen hätte. Wie findest du das?“

      „Total Scheiße“, antwortet Arne.

      Wir müssen beide lachen.

      Am Samstag um 11 Uhr klingelt es.

      Meine Eltern sind immer superpünktlich. Ich habe diese Tugend von ihnen geerbt. Deshalb stehe ich um Punkt zwei vor 11 bereits an der Gegensprechanlage und warte auf das Schellen. Arne gießt derweil die Blumen und tut so, als wenn dies ein ganz normaler Tag wäre, aber ich weiß, dass er nervös ist. Er hat rote Flecken auf den Wangen und kratzt sich dauernd am Ohr. Das macht er sonst nie.

      Ich öffne die Tür. Vor mir steht meine Mutter. Sie ist klein und rund und strahlt immer über das ganze Gesicht, wenn sie mich sieht. Es ist so wunderbar einfach mir ihr. Man muss sich nie Gedanken darüber machen, wie man sie beschäftigen kann. Sie freut sich schon, wenn sie mal aus dem Haus kommt. Mein Vater ist da anders. Er ist ein düsterer Mann, hat oft schlechte Laune und zieht gern die Augenbrauen zusammen. Dann sieht er aus wie ein knurriger, zerknautschter Monchichi mit einem schwarzen Stoffbalken auf der Stirn. Manchmal treibt mich seine düstere Miene zur Weißglut. Ich kann launische Menschen nicht ausstehen. Aber da mein Vater mein Vater ist, muss ich ihn natürlich doch gern haben. Schon allein, weil er die Monster unter meinem Bett Abend für Abend in die Flucht geschlagen und mir so oft „Der Wolf und die sieben Geißlein“ vorgelesen hat, dass er den Text irgendwann auswendig konnte.

      „Hallo Schatz“, sagt meine Mutter und wirft sich mir an den Hals.

      „Hallo Mama“, entgegne ich, etwas reservierter.

      Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, hat mir meine Mutter einen Vortrag darüber gehalten, dass ich mir lieber Gedanken über eine private Rentenversicherung machen sollte, statt mein Geld beim Friseur auszugeben und mir die Haare aufdrehen zu lassen. Davon abgesehen, dass ich mir in meinem ganzen Leben noch nie die Haare habe aufdrehen lassen, hasse ich das Wort Versicherung in all seinen Spielarten. Es erinnert mich daran, dass ich jenseits der 30 bin und immer noch keine Kinder in die Welt gesetzt habe. Meine Mutter tut das übrigens auch. Sie kann ein subtiles Miststück sein. Das traut man ihr gar nicht zu, wenn man sie so rund und fröhlich um die Ecke wackeln sieht. Sie sagt dann Sachen wie:

      „Herrmanns sind schon wieder Großeltern geworden. Dabei ist Anne-Kathrin noch ein Jahr jünger als du.“

      Wenn ich darauf erwidere, dass Anne-Kathrin auch zu dumm zum Verhüten ist, werde ich mit einem bitterbösen Blick bedacht. Ich versuche, mich in Nachsicht zu üben. Meine Mutter wünscht sich nun mal ein Enkelkind.

      Meinem Vater sind Enkelkinder, glaube ich, ziemlich egal. Wie er da so im Hausflur steht, groß und dünn, wird mir bewusst, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Er verneigt sich leicht, als er mich ansieht. Ich muss grinsen.

      „Hallo Papa“, sage ich, „Willst du mir die Hand schütteln?“

      Mein Vater verzieht das Gesicht. Manchmal findet er mich ganz witzig, heute anscheinend nicht. Er tritt ein, bleibt vor der Garderobe stehen und wirkt ein wenig verloren.

      „Wo ist denn jetzt dieser Mitbewohner?“, will er wissen und hat mal wieder diesen leicht grantigen Unterton in der Stimme.

      „Arne gießt die Blumen“, erwidere ich.

      Genau in diesem Moment kommt Arne aus der Küche. Er hält die Gießkanne in der Hand und bleibt neben mir stehen. Als er meinen Vater sieht, treten seine Augäpfel hervor. Mehr nicht.

      „Guten Tag. Arne“, sagt er mit fester Stimme und reicht erst meiner Mutter, dann meinem Vater die Hand.

      Oh Scheiße, denke ich.

      Keine Ahnung, wieso, aber ich weiß sofort, was los ist. Ich muss noch nicht einmal meinen Vater ansehen. Der hat sich derweil umgedreht und tut jetzt so, als wäre er noch damit beschäftigt, seinen Mantel aufzuknöpfen. Seine umständlichen Bewegungen verraten ihn. Der Mantel ist schon längst offen.

      „Hast du ein paar neue Aufträge?“, fragt meine Mutter.

      „Wie?“

      Ich bin total abgelenkt.

      „Ob du ein paar neue Aufträge hast“, wiederholt Arne und stellt die Gießkanne neben der Garderobe auf dem Fußboden ab, ein untrügliches Indiz dafür, dass er nervös ist. Ich meine, was zum Geier hat die Gießkanne dort zu suchen?

      Ich weiß nicht, wohin mit meinen Händen. Ich möchte sie verstecken, so wie damals, als Arne vor meiner Wohnungstür gestanden hat. Mein Vater dreht sich um und ist kreidebleich. Er geht an Arne vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und umarmt mich steif. Als ich sein Aftershave rieche, verspannt

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