Wasser, Fische und Agenten. Claus Beese
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»Das isses!«, verkündete sie strahlend.
Es bedurfte einiger Überredungskunst von Seiten meiner Frau, bis ich mich unter die Plane traute. Ich ging ein paarmal um das Teil herum, betrachtete es eingehend von allen Seiten und kletterte schließlich an Bord. Oh, Mann! Das war ein Ding. Zwar noch kein Wrack, aber auch weit entfernt von jeder Ostseetauglichkeit. Der Aufbau des Fahrerhäuschens, anders konnte man es nicht bezeichnen, bestand aus mehreren Zentimeter dickem Panzerglas, und ich vermutete, dass der Eimer sofort topplastig werden und umschlagen würde, wenn man ihn ins Wasser setzte. Außerdem war die Motorwanne am Heck leer, der Tuffel verfügte also nicht mal über eine Maschine.
»Das ist nicht dein Ernst, nicht?«, erkundigte ich mich vorsichtig und hoffte inbrünstig, sie hätte nur Spaß gemacht. Sie hatte nicht!
»Kaufen wir das Boot jetzt?«, jubelte unser Ableger und fand das alles ganz aufregend.
»Nein!«, schrie ich.
»Ja!«, sagte mein Admiral.
»Doris, das geht nicht gut«, beschwor ich meine Gattin. »Schau dich doch mal um. Die ganze Inneneinrichtung ist faul und marode, es riecht, als läge der tote Bordhund noch irgendwo in einem der Schapps. Keine Maschine, kein Tank, kein Lokus, kein gar nichts! Bis das Ding wieder fit ist, bin ich Rentner!«
»Aber es hat einen Trailer, der einen halbwegs vernünftigen Eindruck macht und es scheint bezahlbar zu sein. Und wenn du den Fahrersitz ein wenig weiter nach hinten setzt, kann darunter ein Chemie-Klo stehen und auf der linken Seite wird die Spüle eingebaut. Und alles andere bringt die Zeit.«
Ich war fix und fertig, denn ich ahnte, was da auf mich zukam. Mir wurde ganz flau und ich lehnte mich gegen die Persenning. Mit einem hässlichen »Rrraaatsch« gab sie nach und ich kippte in Zeitlupe rückwärts aus dem Kahn. Hoch über mir tauchten zwei besorgte Gesichter auf.
»Und eine neue Persenning ist auch noch fällig!«, startete ich, am Boden liegend, einen letzten Versuch.
»Hurra! Papa lebt noch!«, freute sich unser Nachwuchs. »Kaufen wir jetzt das tolle Schiff?«
»Herzlichen Glückwunsch! Sie haben ein Auge für soliden Bootsbau, nicht wahr?«, stellte die Bootsmaklerin fest. »Seien Sie ehrlich, Sie sind aus der Branche und kennen sich aus? Hab‘ ich doch gleich gemerkt, dass Sie keine Beratung brauchen. Der Fachmann lässt sich nicht reinreden, nicht? Wie, kein Motor? Kein Problem! So etwas bekommen Sie doch günstig an jeder Ecke. Und den Fahrstand? Kein Problem, den kriegen Sie mit ein paar Glasfasermatten und ein wenig Kunstharz ganz wunderbar hin. Und wenn Sie sich erst mal die Kajüte hergerichtet haben, werden Sie sich bestimmt sehr wohl fühlen. Ein wahres Wertobjekt, an dem Sie lange Freude haben werden.«
Ich war mir irgendwie sicher, dass sie, wenn ich ihr gesagt hätte, dass ich mit dem Ding die Marskanäle befahren wollte, geantwortet hätte: »Kein Problem! Ich hab‘ da hinten noch eine fast ungebrauchte Saturn V-Rakete stehen. Die können Sie zu einem lächerlichen Aufpreis dazubekommen.«
Mit glitzernden Augen strich sie die fünfeinhalbtausend Mark ein. Kaum hatten wir den Laden verlassen, als sich die Belegschaft der Firma mit Freudentränen in den Augen um den Hals fiel. Meine Besorgnis wäre noch größer gewesen, hätte ich gewusst, welchen Ruf die Dame Lesumauf und -ab genoss. Es gab kaum einen Skipper, der nicht seine ganz eigenen Erfahrungen mit dieser Miss-No-Problem gemacht hatte. Ich wunderte mich nur etwas, als ich sah, dass die Mitarbeiter der Firma grinsend das Tor verriegelten, nachdem wir mit Boot und Trailer einige Tage später vom Hof gerollt waren.
Erst einmal baute ich alles ab, was abzubauen war. Nur so konnte man sehen, in welchem Zustand sich das Boot wirklich befand. Ich gewann einen Überblick über das Inventar, das man noch gebrauchen konnte. Und das war - nichts! Einen Container voller Schrott und Müll durfte ich entsorgen lassen. Alles, was blieb, war die nackte Bootshülle. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden noch übertroffen. In Haus und Garten blieb alles liegen, wie es lag, als ich während der folgenden zwei Jahre ausschließlich am Boot werkelte. Dafür wurde es aber auch ein Schmuckstück und zwar ein ziemlich teures. Als alles fertig war und ich die Rechnungen und Quittungen zusammen addierte, traf mich fast der Schlag. Zwanzigtausend Mark hatte uns das Boot insgesamt gekostet. Und eine nicht mehr festzustellende Anzahl von Arbeitsstunden.
Nur mit Mühe gewöhnte ich meiner inzwischen fast erwachsenen Tochter wieder ab, mich mit »Onkel« anzusprechen, und wir begannen, uns auf unseren ersten Urlaub mit dem Boot zu freuen.
Es kam, was kommen musste. Unser Boot war zu schwer und unser Auto zu klein. Keine Chance, das Ding bis nach Dänemark zu ziehen. Jetzt noch einen neuen Wagen zu kaufen, mit dem das Zugproblem zu lösen war, überstieg bei weitem unsere finanziellen Mittel.
Gut, dann eben kein Dänemarkurlaub mit Boot. Wir suchten uns einen Liegeplatz für unsere schwimmende Schatztruhe und fuhren ein paarmal die Weser rauf und runter. Es lief nicht schlecht, allerdings hätten wir beim Motor doch nicht sparen sollen. Die fünfundzwanzig Pferdestärken brachten den Rumpf nicht zum Gleiten und daher soff der Langschafter Sprit, dass ich Mühe hatte, die benötigten Mengen zu bunkern.
Schließlich verbrachten wir die erste Nacht auf unseren nagelneuen Polstern und siehe da, es war herrlich unbequem. Irgendetwas stimmte hier nicht. Verflixt, was war hier verkehrt? Alles war viel enger, als ich es ausgemessen hatte. War das Schiff geschrumpft?
»Ich glaube, ich hab‘ die Lösung!«, stöhnte meine mir Angetraute und hielt sich den schmerzenden Rücken. Sie sah meinen fragenden Blick und stellte ganz nüchtern fest: »Deine Tochter ist anscheinend in den letzten zwei Jahren etwas gewachsen!«
Klar, das war es! Claudia hatte sich nicht an die vereinbarten Maße gehalten und einige Zentimeter zugelegt, die uns jetzt natürlich fehlten.
»Verdammt, Tochter! Hättest du das nicht vorher mit mir besprechen können?«
Claudi zog eine Schnute. »Hättest du lieber eine Zwergin als Tochter?«, wollte sie wissen.
Himmel, sollte ich lügen oder ihr die Wahrheit sagen? Beides ging nicht, stellte ich fest und beschloss, zu diesem Thema lieber gar nicht weiter Stellung zu nehmen.
»Und was nun?«, fragte ich in die Runde.
»Wir klauen uns ein großes Segelboot!«,schlug meine Tochter vor.
Meine Güte, von wem hatte sie solche Gedankengänge? Hatte sie etwa auch einige Wikinger-Gene abbekommen?
»Wir verkaufen unsere kleine Dodi und suchen uns ein größeres Schiff!«, bestimmte mein Admiral. Geistesgegenwärtig fing sie meine Kinnlade auf, bevor sie zu Boden poltern konnte, und klappte sie wieder in ihre natürliche Stellung zurück.
»Schau!