Wasser, Fische und Agenten. Claus Beese
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wasser, Fische und Agenten - Claus Beese страница 4
»Klar!«, brummelte ich verwirrt.
»Juhu! Wir kaufen ein neues Schiff!«, jubelte Claudi.
»Aber bitte nicht wieder mit Zwei-Jahre- Umbaugarantie!«, flehte ich.
»Genehmigt!«, sagte sie knapp.
Ich liebte mein verständiges Eheweib.
Ein Eimer mit Schießscharten
Wir verkauften unser Schmuckstück und bekamen knapp die Hälfte des Einsatzes zurück. Ein tolles Geschäft! Aber was sollten wir tun? Im Laufe der Zeit war Schiffe gucken unser zweites Hobby geworden, und wenn es meine Zeit erlaubte, lief ich schon mal eben bei dem einen oder anderen Bootsmakler durch die Hallen und übers Gelände. Nur um die Yachtagentur Blue Ocean machte ich einen großen Bogen. Überall wurde ich freundlich gegrüßt, denn bei den meisten gehörte ich bald schon fast zum Inventar. Es kam auch schon mal vor, dass ich gebeten wurde, den Schlepperfahrer mal eben einzuweisen, wenn auf den Freiflächen die Boote rangiert wurden. Schließlich stand ich da ja gerade so herum und hatte nichts zu tun. Also konnte ich mich auch nützlich machen.
Irgendwann tauchte ein neuer Verkäufer auf, der mich noch nicht kannte. Voller geschäftstüchtigen Interesses wollte er wissen, ob er mir helfen könnte. Alle seine Kollegen hatten inzwischen festgestellt, dass mir nicht zu helfen war, aber sollte ich deswegen den armen Kerl unfreundlich behandeln und vor den Kopf stoßen?
»Das, was ich suche, haben Sie ja doch nicht«, grinste ich deswegen freundlich und wollte mich schon abwenden.
Aber der Bursche war hartnäckig.
»Was suchen Sie denn?«, fragte er mit penetranter Aufdringlichkeit.
»Kajütboot mit Diesel. Sieben bis acht Meter lang. Mit Achterkajüte. Seegängig. Vier Schlafplätze, Pantry, Lokus, mit heiler Persenning und voll ausgerüstet, deutlich unter fünfzigtausend.«
Da hatte ich ihm aber eine Nuss zu knacken gegeben. Was ich ihm gesagt hatte, war schier nicht zu erfüllen. Gott sei Dank, denn woher hätte ich auch soviel Geld nehmen sollen? Ich machte Anstalten, mich umzudrehen und weiterzugehen, aber der Typ mit der Mecki-Frisur grinste mich schief an.
»Hab‘ ich da. Gerade reingekriegt. Hab‘ ich selber von Surwold am Küstenkanal nach hierher überführt. Kommen Sie mit.«
Er führte mich über den Deich und wir gingen zur firmeneigenen Marina, wo am Steg, ordentlich vertäut, ein hässliches, schmutziggelbes Etwas lag, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Boot aufwies. Es duckte sich tief auf die Wasseroberfläche, hatte winzige Fenster, die mehr an Schießscharten erinnerten, und war genau das, was ich mir nicht vorgestellt hatte.
»Kommen Sie an Bord!«, lud mich Mecki freundlich ein und öffnete die Persenning. Was blieb mir übrig? Gehorsam kletterte ich an Bord und schaute mich um. Mecki setzte sich einfach auf eine Bank und ließ mich stöbern.
Mein Streitaxt schwingender Vorfahre hätte mich wahrscheinlich als Verräter über die Planke laufen lassen, denn das Boot hätte gewiss nicht seinen Erwartungen entsprochen. Aber mal ehrlich, wo sollte man heutzutage schon ein geklinkertes Drachenboot, eine echte Snecke hernehmen? Mit Sicherheit wäre alles, was nicht so oder zumindest ähnlich aussah, unter seiner Wikingerwürde gewesen. Ich hingegen musste zugeben, dass alle von mir genannten Bedingungen erfüllt waren. Das Boot wies sogar mit seinem Vierundachtzig-PS-Diesel eine mehr als akzeptable Motorisierung auf. Aber es war so hässlich, dass es mich schüttelte. Eine Yacht hat weiß zu sein, vielleicht mit ein paar roten und blauen Streifen und sie muss große Fenster haben. Nicht solch kleine Gucklöcher wie dieser gelbe Eimer hier.
»Wie viel?«, versuchte ich den Notausgang.
»Fünfundvierzig!“, grinste Mecki frech.
»Zu viel für dieses Boot! Trotzdem, vielen Dank für das Angebot. Ich bin sicher, dass es nicht lange hier liegt und schnell einen Käufer findet.«
Damit hatte ich ihm klar gesagt, dass ich das nicht sein würde. Ich trollte mich, um weiteren Bemühungen von Mecki zu entgehen.
»Möring? Hmmm. Gutes Schiff. Gute Rauwassereigenschaft! Und günstig. Hätte ich genommen!« Wolfgang, unser Stegwart, lehnte sich über die Bordwand und angelte zwei Bierdosen aus seinem Kühlschrank.
»Gutes Schiff! Gutes Schiff! Woher willst du das denn wissen? Du hast doch den Eimer gar nicht gesehen!«
Es war nicht so, dass ich schlechte Laune hatte, aber das, was er mir hier erzählte, war genau das, was ich nicht hatte hören wollen. Hätte er den Dampfer niedergemacht, ihn in einem Atemzug mit der TITANIC genannt, wäre ich zufrieden gewesen.
Aber er kannte kein Erbarmen.
»Ich hatte bis vor drei Jahren das Vorgängermodell der Möring. Eine Myra. Sie ist nur ein wenig kürzer, aber sonst baugleich. Ein tolles Boot. Und der, der deinen Kübel vorher gehabt hat, hat ihn immer gut gepflegt.«
Langsam wurde er mir unheimlich. Woher wollte er das wissen? Wolfgang grinste nur.
»Die Welt des Wassersports ist klein und eine Möring erregt nun mal Aufsehen. Es ist ein Schiff für Individualisten. Kein Massenboot. Und in Norddeutschland gibt es nicht sehr viele davon. Eine Möring liegt in Haren an der Ems, die andere in Surwold am Küstenkanal. Und als ich im letzten Urlaub mit dem Präsi vom Yachtclub Surwold ein Bier getrunken hab, hat er mir erzählt, dass er seine verkaufen will.«
Na gut, wie auch immer es sich verhielt: Mir war der Pott zu teuer und damit hakte ich die Angelegenheit als erledigt ab.
Drei Wochen später stand die Möring aufgetrailert in der Ausstellungshalle der Yachtagentur. Ich nutzte die Gelegenheit, mir das Boot von unten anzusehen und fand auch dort alles in Ordnung. Es juckte mich in den Fingern und ich gab dem Impuls nach und krabbelte nochmals an Bord. Ich schwang mich auf den Fahrersitz und schaute mich um. Man sah... nichts! Na gut, fast nichts! Oder zumindest nicht sehr viel, aber musste man das überhaupt? Kleine Fenster verhindern ein zu starkes Aufheizen des Bootes in der Sonne. Man brauchte auch keine riesigen Segeltücher, um sie abzudecken. Und die Wellen hatten keine Chance, die Scheiben aus dem Rahmen zu schlagen, wenn es mal ungemütlich wurde. Und wenn man das verwitterte Gelcoat richtig aufarbeiten und durchpolieren würde, wäre auch der äußere Eindruck nicht unbedingt der schlechteste. Aber fünfundvierzig Scheine? Nee, nicht mit mir!
»Na?«, grinste ich Mecki an, der gerade die Halle betreten hatte, als ich aus dem Boot kletterte. »Noch nicht verkauft? Wohl doch zu viel, he?«
Mecki blieb vordergründig freundlich und holte dabei hinterrücks zum vernichtenden Schlag aus.
»Wie viel würden Sie denn dafür bezahlen wollen?« fragte er harmlos und ich nannte ihm die Summe, die ich mir so vorstellte.
Mecki wurde blass, verdrehte die Augen und brach röchelnd zusammen. Er tat mir leid, und ich begann sofort, ihn wiederzubeleben.
»Ich weiß zwar nicht, wie ich das meinem Chef beibringen soll, aber zu dem Preis können Sie es auch haben!«, erteilte er mir mit matter Stimme den Zuschlag.