Wasser, Fische und Agenten. Claus Beese
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»Da geht’s lang!«, jubelte meine bessere Hälfte und deutete auf ein schmales Stück Wasser zwischen Schleppern und Fähranleger.
Tatsächlich, da hinten war ja auch das Geeste-Sperrwerk. Da mussten wir durch. Ich glaube nicht nur wir, sondern auch alle anderen Hafennutzer waren froh, als wir verschwunden waren. Völlig ruhig lag der kleine Fluss vor uns, und wir schipperten stromauf. Fassungslos starrte ich auf die teilweise verrotteten Helgen einer Werft, die an diesem schmalen Flüsschen lag. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass ich mal im Fernsehen gesehen hatte, wie sie hier einen großen Frachter vom Stapel gelassen hatten. Meine Güte, wie hatten sie den bloß um die Flussbiegungen gekriegt? Der Bach hatte hier gewaltig enge Kurven. Egal, da vorne war Rotlicht. Was war denn das schon wieder? Aha, eine Schleuse. Kein Problem, wir waren ja jetzt geübt. Mist, es tat sich nichts. Und wo sollte man hier festmachen? Weit und breit war kein Anleger in Sicht.
Einige Boote lagen bereits vor der Schleuse und ich traute mich bis auf Rufweite heran.
»Mittagspause«, erklärte mir ein Skipper lakonisch und bot mir an, längsseits zu gehen.
Dankbar nahmen wir an. Ein kleines Päuschen würde auch uns gut tun. Natürlich hatten wir geübt, und so eine relativ kleine Schleuse wie diese sollte eigentlich kein Problem darstellen, ....wenn denn Platz genug gewesen wäre. Während der Wartezeit erschienen immer mehr Boote, die den Weg zur Elbe über die Geeste in geschütztem Revier nehmen wollten. Und wie sich das so für gesittete und zivilisierte Westeuropäer gehört, setzte ein Gewimmel von Booten und ein regelrechter Run auf das offene Schleusentor ein, noch bevor der Wärter die Schotten ganz geöffnet hatte. Irgendwie hatte ich das Kommen sehen und zeitig die Leinen losgemacht. Und urplötzlich befanden wir uns mitten drin in einem perfekten Tohuwabohu, das seinesgleichen suchte.
Irgendwie schafften wir die Schleuse und genossen anschließend das ruhige Dahintuckern auf der Geeste. Der sich daran anschließende Kanal des Elbe-Weser-Schifffahrtsweges zog sich endlos hin und meine Crew aalte sich in der Sonne. Warum auch nicht? Der Steuermann kannte zwar nicht den Weg, aber verfahren konnte er sich hier nicht. Der Weg war sozusagen idiotensicher.
Eine absolute Besonderheit für alle Freizeitskipper ist die Otterndorfer Schleuse. Das Becken der Schleuse liegt hinter dem Deich, also im Binnenland. Passiert man das seewärtige Schleusentor, führt der Weg durch einen Tunnel unter dem Seedeich hindurch und man muss schon aufpassen. Der Wasserstand lässt einem manchmal nicht allzuviel Spielraum in dem engen Loch.
Wir waren begeistert, als das Tageslicht uns am Ende des Tunnels wieder begrüßte, unser Boot noch schwamm und wir bei dem Manöver auch niemand anderen versenkt hatten. Voller Tatendrang fuhren wir am Yachthafen von Otterndorf vorbei, was sollten wir da auch? Unser Ziel hieß Rendsburg. Und nichts konnte uns stoppen!
Wir umfuhren Kap Jakob, wie die Einheimischen hier die Landzunge an der Hafeneinfahrt zu nennen pflegen, und als wir im Prickenweg durch das Otterndorfer Watt zur Elbe waren, öffnete sich vor uns der Blick auf - eine schier endlose Wasserfläche.
»Ist das die Nordsee?«, wollte unser Nachwuchs staunend wissen.
»Nee, die Elbe!«, murmelte ich tonlos.
»Und wer hat das andere Ufer geklaut?« Mein treues Eheweib sprach das aus, was auch mich beschäftigte.
»Ich glaub‘, du holst mal besser die Karten!«, murmelte ich, überwältigt von so viel Wasser.
Die Boote, die mit uns in der Schleuse gewesen waren, wandten sich nun über Steuerbord die Elbe aufwärts, wobei zwei Boote die Mahnung des Schleusenwärters voll in den Wind schlugen, den Prickenweg nur ja bis zum Ende zu befahren. Sie versuchten eine sehr frühzeitige Kursänderung und fanden sich prompt auf dem Otterndorfer Watt wieder. Da ablaufendes Wasser war, würden sie jetzt lange Zeit darüber nachdenken können, warum man den Ratschlägen eines Schleusenmeisters folgen sollte.
»Na, denn!«, murmelte ich und gab Gas.
Ich folgte erst einmal den anderen Booten im Kielwasser und orientierte mich anhand der Karten und des Kompasses. Die Elbe hatte hier starke Strömung und der Perkins hatte ordentlich zu tun, das Boot auf eine akzeptable Geschwindigkeit zu bringen. Doch was war das schon gegen die Fahrt, mit der die Großschifffahrt hier lang rauschte. Ständig wurden wir von Seeschiffen aller Art überholt und mussten oft genug die Nase in die mächtigen Wellenkämme stecken, die von achtern auf uns zurollten.
»Ein gutes Schiff«, hatte unser Stegwart gesagt und jetzt wusste ich, was er meinte.
Obwohl es uns hin und wieder recht ordentlich schüttelte, blieb das Topplicht dort, wo es hingehörte. Nämlich oben. Der Motor brummte zuverlässig und ganz langsam hörte ich auf zu schwitzen. Der schwierige Teil sollte allerdings noch kommen, denn querab von Brunsbüttel mussten wir die Elbe queren. Es war ein Verkehr wie auf der Autobahn, und ich legte den Gashebel auf den Tisch, um eine halbwegs passable Lücke in dem Gewusel zu nutzen. Wir kamen gerade zurecht. Eben ging das Schleusentor auf, es war kein anderes Schiff in der Kammer. Die übrigen Skipper hatten das Öffnen der Kammer nicht mitbekommen und kreisten auf ihrer Warteposition etwas oberhalb des Vorhafens.
»Du musst auf ein weißes Licht warten!«, sagte mein holdes Weib, aber ich hatte es schon erspäht.
Konnte ich denn ahnen, dass es auch noch blinken sollte? Nein, konnte ich nicht! Also, rein in die gute Stube! Oha, komfortabel, komfortabel. So eine schöne Schleuse, mit Schwimmstegen zum Festmachen, hatte ich noch nicht gesehen. Mein Weib schickte sich an, von Bord zu springen, um die Leinen zu belegen, als uns der Draht aus der Mütze flog. Aus allen Lautsprechern der Schleusenüberwachung brüllte uns irgendwer irgendwas zu und meine Frau zog es vor, statt eines Satzes nach vorn einen nach hinten zu machen. Flugs verschwand sie unter der Persenning. Halb taub von dem Gebrüll rieten wir, was man von uns wollte. Wir erhielten einen Vortrag über feste und blinkende Lichter und warteten im Übrigen darauf, dass man uns nun mit Mann und Maus versenken würde.
Plötzlich war es mucksmäuschenstill. Entweder hatte der Schleusenwärter sein Mikrophon verschluckt oder die Lautsprecher hatten den Dienst quittiert.
»Eins, zwei, eins, zwei!«, machte ich eine Hörprobe und war froh, dass meine Ohren noch funktionierten. Über uns tauchte einer in Uniform und mit schicker Mütze auf. Ich breitete entschuldigend die Arme aus.
»Sorry! Tut mir ehrlich leid, wenn ich was falsch gemacht habe. Ist unser erster Törn durch den Kanal. Soll auch nicht wieder vorkommen.«
Der Lamettaknilch winkte ab.
»Fahren Sie ganz nach vorne und machen Sie fest. Es kommt gleich ein Vermessungsschiff, das die Kammer nach Ablagerungen absucht. Es wird dicht auffahren, aber Sie können da vorn liegenbleiben.«
Ich war erleichtert. Irgendwie hätte ich auch überhaupt keine Lust gehabt, die nette, freundliche Schleusenkammer nochmals zu verlassen. Wir waren ja froh, dass wir drin waren. Nun hofften wir nur noch, dass der Steuermann des Arbeitsbootes Augen im Kopf hatte und man uns nicht für eine Ablagerung hielt.
Der Rumpf des Schiffes kam uns gefährlich nah, aber es wurde dort mit solcher Vorsicht navigiert, dass unsere DODI nicht einmal an den Leinen zerrte. Schließlich war man fertig, und die Schleuse wurde wieder freigegeben. Wie ein Schwarm Heuschrecken fielen die wartenden Boote