Das Alter Ego der Protagonisten. Hans Müller-Jüngst
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Das AE von Paulo und die Reise nach China
Bevor Paulo das Ferganatal verlässt, möchte er etwas über die Seidenherstellung erfahren und quartiert sich bei Freunden von Udima und Kamil in Margilan ein. Sie arbeiten in der „Margilan Silk Factory“ und wohnen mit ihren Kindern Jelena und Ilja in Margilan, ihre Namen sind Fjodora und Boris. Beide sprechen Englisch, von daher ist die Verständigung kein Problem, auch mit Ilja geht es ganz gut, Jelena spricht noch kein Englisch. Paulo freundet sich gleich mit den Kindern an, und Fjodora fährt mit ihm zu einem Mann, der Maulbeerbäume gepflanzt hat und Seidenspinnerraupen mit deren Blättern füttert, sie fressen die Blätter, bis sie nicht mehr können. Die darauf folgende Kokonbildung ist das Wichtige, denn auf den Kokons sitzt der Seidenfaden. Die Kokons werden durch Kochen abgetötet und der Seidenfaden wird aufgehaspelt. In Vorträgen erzählt der Züchter von den verschiedenen Stadien der Kokonentwicklung, und worauf es dabei ankommt. Am Ende lernt Paulo die verschiedenen Webstühle kennen und geht zum Weben mit Fjodora zu Rafiks Frau Nadeschda in den Unterricht. Fjodora stellt schließlich für sich ein Seidenkleid her, das wunderschön ist und wohl von keinem industriell gefertigten Kleid übertroffen werden kann.
„Du magst den Grundstoff Seide wohl sehr?“
„Ja, Seide ist sehr filigran und gleichzeitig sehr fest, gute Seide hat einen ihr eigenen Glanz.“
Nach seinem Aufenthalt in Margilan fährt Paulo nach Asaka und hilft Galina und ihrem Freund beim Einrichten ihrer Wohnung. Er ist wieder mit Udima und Kamil zusammen, und Kamil kauft sich bei Kudrat einen neuen Wagen. Das neue Auto ist ein Zeichen des Aufstiegs für Udima und Kamil. Für Paulo ist die Zeit gekommen, das Ferganatal zu verlassen, und er verabschiedet sich sehr schweren Herzens von allen Bekannten. Er reist nach Osch an die Grenze zu Kirgistan und fährt von dort mit dem Bus zum Irkeschtam-Pass über das Alai-Gebirge. Er lernt im Bus einen Händler aus Osch kennen und kann bei dessen Bruder in Kashgar übernachten, Kashgar ist Paulso erste Station in China. Der Bruder zeigt den beiden die Stadt, der Busbegleiter Paulos kauft einen ganzen LKW Teppiche und lässt sie nach Osch bringen. Paulo steigt in Johns Cafe ab und lernt dort zwei chinesische Mädchen und einen chinesischen Jungen kennen, die alle drei Studenten in Peking sind und in ihrem Urlaub einen Teil der Taklamakan-Wüste zu Fuß mit Kamelen durchqueren wollen. Ihre Namen sind Seiran, Ailin und Tian und sie können Paulo auf Anhieb gut leiden und nehmen ihn mit. Der Marsch durch die Wüste ist unglaublich anstrengend, birgt für jeden aber auch ein Stück Selbsterfahrung. Paulo und Ailin verlieben sich und schlafen in ihrem Zelt miteinander. Als sie wieder in Kashgar sind, kommt unweigerlich der Abschied und es gibt eine herzzerreißende Abschiedsszene am Bus. Paulo macht sich auf ins Ili-Tal, das im Nordwesten Cjinas, schon an der Grenze zu Kasachstan, liegt. Dort nimmt er in Yining, einer trostlosen und nichtssagenden Stadt, ein Hotel. Er läuft durch die Stadt und lernt zwei amerikanische Studenten kennen, ihre Vornamen sind Ronald und David.
„Warum bist Du denn in diese gottverlassene Gegend von China gereist?“
„Ich habe eben auch den Teil des Landes kennenlernen gewollt, der abseits aller Touristenwege liegt!“ die drei fassen den aberwitzigen Entschluss, mit einem Schlauchboot den Ili hinabzufahren. Es gibt in Yining tatsächlich ein Geschäft, in dem es Schlauchboote zu kaufen gibt, und die drei schlagen zu. Sie nehmen einen Bus und fahren stromaufwärts bis sie meinen, weit genug von Yining entfernt zu sein und beginnen eine Fahrt mit ihrem Schlauchboot, wie sie vor ihnen wohl kaum jemand sonst unternommen hat. Sie lassen sich auf dem Ili treiben und ändern hin und wieder mit einem Stechpaddel ihre Richtung. Der Strom uzieht langsam seine Bahn und die drei sind auf ihrem Schlauchboot zusammengeschweißt. Sie angeln und Paulo ist dabei zuerst erfolgreich, sie nehmen ihren Fang aus und grillen ihn am abendlichen Lagerfeuer. Sehr anspruchsvoll ist niemand von ihnen, was das Essen anbelangt, der Fisch ist aber frisch und schmeckt ihnen. Sie gehen auch im Fluss schwimmen und nehmen sich eine Abkühlung, das Wasser ist im Oberlauf des Ili noch recht sauber. Immer wenn sie am Feuer sitzen, kommen sie ins Schwärmen,jeder starrt in die Flammen und träumt. Diese Erfahrung hat Paulo schon sooft gemacht, zu Hause und auch in der Taklamakan-Wüste. Die Flammen üben eine magische Anziehungskraft auf den Betrachter aus, es gibt sehr unterschiedliche Farben in dem Feuer zu sehen, es gibt spratzende Flammen, Funkenflug und loderndes Feuer. Man fängt zu erzählen an, und es geht auch an die Themen, die ins Philosophische gehen, die zum Beispiel die extrem untergeordnete Stellung des Menschen im Kosmos betreffen. Sie vergessen bald das Drumherum und schlafen tief und fest in ihren Schlafsäcken, bis sie eines Tages Besuch auf einer Insel bekommen, an der sie angelegt haben. Es handelt sich um einige Jugendliche, die aus dem Ort am Flussufer herübergeschwommen sind, weil sie das Feuer von Ronald, David und Paulo gesehen haben. Zwei von den Jugendlichen können Englisch und müssen für die anderen übersetzen, was die drei Schlauchbootfahrer sagen. Als sie erzählen, dass sie mit ihrem Schlauchboot den Ili hinunterfahren, und die beiden Englischsprechenden das übersetzt haben, schauen sich die Jugendlichen ungläubig an. Schließlich laden sie Ronald, David und Paulo in ihr Dorf ein, und alle fahren sie mit dem Schlauchboot über den Fluss. Das Boot ist natürlich hoffnungslos überladen, schafft die Überfahrt aber.
„Ist denn überhaupt schon einmal ein Tourist in dem Dorf gewesen, zu dem Ihr übergesetzt seid?“
„Das kann ich nicht sagen, ich glaube aber nicht.“
Im Dorf werden auf einem riesigen Grill zwei Lämmer zubereitet, und die drei Schlauchbootfahrer sind eingeladen, sich zu beteiligen und zu essen und zu trinken. Obwohl man sich nicht versteht, ist die Stimmung ausgezeichnet, man lacht und ist ausgelassen, das Wichtige übersetzen die beiden englischsprachigen Jugendlichen. Die Schnapsflasche kreist und alle sind nach kurzer Zeit stockbetrunken Ronald, David und Paulo breiten in der Nähe des Schlauchbootes ihre Schlafsäcke aus und schlafen. Am Morgen holen die Jugendlichen die drei zum Frühstück ab und stellen sie den Eltern vor. Und wieder ist es die ganz besondere Gastfreundschaft, in deren Genuss sie kommen. Sie gehen noch einmal in den Dorfladen und stocken ihre Vorräte auf, danach setzen sie sich wieder in ihr Schlauchboot, um den Ili weiter hinunterzutreiben. Paulo angelt drei schöne Fische aus dem Boot, um sie am Abend zuzubereiten. Sie legen an Flussinseln an und wollen an diesem Abend ihre Ruhe haben, Bier und zu essen haben sie ausreichend. Kurz vor Yining legen sie noch einmal an und versorgen sich wieder in einem Dorfladen mit dem Nötigsten, bevor sie sich anziehen und in die Stadt gehen. Wie kommen sie von Yining wieder weg, das war die große Frage.
„Eure abenteuerliche Schlauchboottour bleibt doch sicher unvergessen!“
„Das kannst Du wohl sagen, Ronald, David und ich werden auf jeden Fall miteinander in Kontakt bleiben!“ Nach einigem Hin und Her nehmen sie den Sleeper-Bus nach Korla, der ungefähr 24 Stunden für die Fahrt den Ili hoch und über den Tienshan brauchen wird. In drei Reihen stehen in dem Bus Doppeldeckerbetten, in denen man während der Fahrt schlafen kann, sehr bequem. Die beiden Amerikaner wollen von Korla aus nach Kashgar fahren, Paulo will nach Turpan, weiter die Seidenstraße entlang. Korla gilt als Boomtown in China, was an den dort entdeckten Ölvorkommen liegt. Sie schlafen im „Lou Lan Hotel“, das seinen Namen der Stadt „Lou Lan“ verdankt, die Sven Hedin um 1900 in der Takalmakan-Wüste wiederentdeckt hat. Am nächsten Morgen ist die Zeit des Abschieds gekommen und Paulo bringt seine Freunde zum Bus. Dann ist er wieder allein und zieht sich zum Kladdeschreiben ins Hotel zurück. Paulo nimmt von Korla den Nachtbus nach Turpan und fährt in die riesige Senke, die in ihrer Ost-West Ausdehnung ungefähr 250 Kilometer und von Nord nach Süd 75 Kilometer misst. In ihrem mittleren Teil liegt sie 155 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit der tiefste Teil Chinas und der nach dem Toten Meer zweittiefste Teil der Welt. Das Tal ist trotz seiner Trockenheit sehr fruchtbar, weil seine Bewohner ein sehr ausgeklügeltes Bewässerungssystem angelegt haben, das sogenannte „Karez“-System. Darunter versteht