STURM ÜBER THEDRA. Michael Stuhr

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STURM ÜBER THEDRA - Michael Stuhr

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Bauholz und Werkzeuge, Saatgut und Zuchtschafe, Hunde und Katzen, Fünftausend kleine Kupfermünzen mit dem Bildnis des Kaisers darauf, und - weil Geld Ärger nach sich zieht - ein Richter und ein Steuereintreiber. - Keiner der Männer betrat je den Boden Thedras und keines der drei Schiffe kehrte je zurück.

      Jetzt endlich zeigte sich der entscheidende Fehler in der Rechnung der Herrschenden. Statt brav zu verhungern und zu erfrieren, wie der Plan es vorsah, hatten die Verbannten eine starke Kolonie gegründet. - Viel stärker, als die Kapitäne der Gefangenenschiffe es sich hätten träumen lassen. Die Gruppe, die alljährlich am Strand die Gefangenenschiffe erwartete, zählte nur etwa einhundert Personen. Hätten die Mannschaften der Landungsboote sich genauer umgesehen, hätten sie festgestellt, dass es sich dabei vornehmlich um Kinder und Greise handelte. Der Großteil der Verbannten, Männer wie Frauen, lag dagegen versteckt in den Klippen bereit und wartete auf die entscheidende Chance. Sie waren bestens gerüstet, sich das Schiff eines unvorsichtigen Kapitäns anzueignen. Lange schon lag nahe am Strand, jedoch vom Wasser aus nicht zu sehen, in jeder Felsspalte ein leichtes Boot bereit. Mit alledem hatte der kaiserliche Kommandeur nicht gerechnet und ließ in seinem Leichtsinn alle Beiboote zugleich mit Mannschaften besetzen, um etwaigen Widerstand am Ufer sofort brechen zu können.

      Als die Kaiserlichen ihre Landungsboote ausbrachten, hatten die Thedraner gewartet, bis die Feinde sich halbwegs zwischen den Schiffen und dem Land befanden. Dann waren sie aus ihren Verstecken hervorgebrochen und mit den blitzschnell zu Wasser gebrachten leichten Booten waren sie mitten zwischen die kaiserlichen Invasoren gefahren. Entsetzt hatten die Matrosen versucht, zurück zu den Schiffen zu fliehen, doch die Thedraner waren wie ein Sturmwind über sie und die Soldaten hergefallen. So schnell waren sie gewesen, dass sie während des Kampfes die kaiserlichen Boote, deren Mannschaften verzweifelt ruderten, mehrfach umrundeten. Stählerne Bogen hielten die thedranischen Schützen in ihren Händen und stählerne Pfeile hielten grausame Ernte unter den Männern des Kaisers. In weniger als drei Sonnenhöhen war die Invasionstruppe des Kaisers vernichtet worden, und die Jagd auf die Schiffe hatte begonnen.

      Recht anschaulich wird der Hergang in einem Heldenlied aus alter Zeit berichtet:

      Hochschäumend in roter See

      des Kaisers Blut im Wasser vor Thedra

      kühn stürzend in brausende Gischt

      das Volk der Verfemten.

      Singend des Magiers silberner Bogen

      versengend des Magiers eiserner Pfeil

      verbrennend die Segel der fliehenden Schiffe

      mit magischem Feuer.

      Niederfahrend die stählernen Klingen

      Gnade gewährend durch raschen Tod

      Aganez Gift bringt rasche Erlösung

      den Männern des Kaisers.

      Vergangen die Brände, gewonnen die Schiffe

      des Kaisers Blut netzt Rumpf und Deck

      nicht länger an kalten Fels gekettet

      Volk von Thedra.

      In diesem Heldenlied wird erstmals der Name von Aganez erwähnt, einem Magischen Mediziner, der sich den Regeln seiner Zunft widersetzt hatte. Um einem bedrängten Volk zu helfen hatte er sein Wissen dazu benutzt, Waffen zu machen, und dafür war er hier an das Ende der Welt verbannt worden. - So kam es, dass in Thedra fast von der ersten Stunde an ein Magier gewirkt hatte. Ein Ausgestoßener zwar - aber immerhin ein Magier - und ein sehr kämpferischer zudem. Einer der wenigen Menschen auf dem Kontinent, der sich auf die Herstellung von federndem Stahl verstand und der sich auch nicht scheute, Schwerter und Bögen daraus zu schmieden, die allen anderen Waffen weit überlegen waren. Die Besatzungen der kaiserlichen Schiffe und Boote hatten nicht die geringste Chance gehabt, sich den wütenden Thedranern zu widersetzen, und das war allein Aganez´ Verdienst gewesen.

      Schon kurz nachdem die Verbannten in kühnem Handstreich die drei Schiffe erbeutet hatten, verloren sie eines davon gleich wieder an die Finder. Der Verlust der Fracht traf die junge Kolonie damals so hart, dass deren Bewohner den Findern ewige Rache geschworen hatten. So waren denn die Thedraner darangegangen Schiffe zu bauen, die so schnell und unangreifbar waren, dass niemand sie ernsthaft bedrohen konnte.

      War Thedra ehedem ein Ort gewesen, an dem die Verbannten des ganzen Kontinents in Trostlosigkeit und Kälte lebten und einer des anderen Sprache nicht verstand, so wurde es nun zu einem Schmelztiegel des Wissens aller Völker.

      Schiffbauer aus Sordos, Seidensegelmacher aus Numis, Kupferschmiede aus Eraji und Löwenbootfahrer von der südlichen Küste, sie alle gaben ihr Wissen und ihr ganzes Können; und innerhalb von Jahresfrist verließ die `Turmalin', das erste aller Fliegenden Schiffe, den Hafen von Thedra.

      Heimlich war sie in einem abgelegenen Hafenbecken, dem heutigen Schwalbenhafen, gebaut worden, und heimlich fuhr sie ihren ersten Einsatz. Die `Turmalin' hatte etwas ganz Besonderes an Bord gehabt. Etwas, das, wie die Fliegenden Schiffe selbst, den Machtanspruch der Dramilen brechen sollte. - Auf dem Vorderdeck war ein Bogen aus blinkendem Stahl montiert, und in einer stabilen Kiste warteten gläserne Hohlpfeile darauf, auf vorwitzige Angreifer verschossen zu werden. Gefüllt waren diese Pfeile mit einem unscheinbaren, grauen Pulver, mit der furchtbarsten Waffe des Zeitalters. - Mit Aganez' Feuer!

      Hatte Aganez sich bislang standhaft geweigert, die Schiffe der Thedraner mit Stahlfeuerbögen auszurüsten, so hatte er dieses leichte, schnelle Langboot selbst damit ausgestattet. Mehr noch: Er selbst hatte an Deck vor dem Mastbaum gestanden und hätte notfalls den ersten Schuß auf ein Finderschiff getan.

      Die Turmalin war das schnellste Schiff gewesen, das je ein Meer befahren hatte. Schon mäßiger Wind griff derart stark in das riesige Segel, dass sich der Bootskörper nahezu zur Gänze aus dem Wasser hob. Es erforderte die volle Konzentration und die ganze Kraft der kleinen Mannschaft, das dahinrasende Schiff nicht aus dem Wind fallen und kentern zu lassen.

      Ganze drei Tage hatte die Fahrt in den einsamen Gewässern des Nordmeeres gedauert. In der ganzen Zeit war an Bord an Schlaf nicht zu denken gewesen, aber das Boot hatte sich als seefest und unglaublich schnell erwiesen.

      Sofort nach diesem Erfolg waren die Handwerker daran gegangen, weitere Schiffe dieser Klasse zu bauen. So kam es, dass im nächsten Frühjahr fünf Fliegende Schiffe den Hafen von Thedra verließen, jedes von ihnen um ein Vielfaches schneller als der schnellste Dramilenkreuzer und jedes von ihnen mit einem Stahlfeuerbogen ausgerüstet.

      Schon von Anfang an hatte Aganez sein gesamtes Wissen aufgeboten, um die Mannschaften mit einem Schweigegebot zu belegen und sie hypnotisch entsprechend zu konditionieren.

      Zu groß, zu wertvoll war der Vorsprung des Wissens und des Könnens, den die Thedraner sich erarbeitet hatten, um durch unbedachte Äußerungen in Hafenkneipen gefährdet werden zu dürfen. Keinem Mitglied der Mannschaft wäre es möglich gewesen, auch nur das Geringste über Konstruktion oder Bewaffnung des Schiffes zu verraten. Sollte man versuchen, einem Matrosen die Geheimnisse auf der Folter abzupressen, würde er schon vor dem ersten verräterischen Wort an Atemstillstand sterben, dafür hatte Aganez gesorgt.

      Ebenso klar waren die Anweisungen an die Kapitäne gewesen: Kein Schiff und kein Mensch durften näher als zweihundert Mannslängen an die Schiffe heran. Wer innerhalb dieser Sperrzone angetroffen wurde, dessen Leben war verwirkt; er konnte getötet, oder als Sklave nach Thedra gebracht werden, ganz wie es dem Kapitän beliebte.

      Durch

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