Der Fluch von Azincourt Buch 2. Peter Urban
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Es war eine dunkle und hoffnungslose Zeit gewesen: An allen Fronten häuften sich die Rückschläge und Niederlagen der christlichen Fürsten gegen den Islam. Der zweite Kreuzzug ins Heilige Land war gänzlich gescheitert, nachdem zuerst die deutschen Kreuzfahrer in Anatolien in einen Hinterhalt geraten und vollständig aufgerieben worden waren und dann die Franzosen direkt nach ihrer Landung von einem ähnlichen Schicksal ereilt wurden, so dass drei Jahre später nur ein jämmerlicher und demoralisierter Haufen Jerusalem erreichte. Als auch noch der Versuch Damaskus zurückzuerobern in einem gewaltigen Blutbad endete, verließen die letzten Überlebenden gedemütigt und erschüttert Outremer und überließen die dort ansässigen Christen und Ritterorden ihrem Schicksal. Als Folge griffen die Truppen von Saladin gnadenlos sämtliche verbliebenen Stützpunkte und Trutzburgen der Europäer im Heiligen Land an: Einer seiner Feldherren - Schirukh von Homs - nahm Kairo ein und besetzte ganz Ägypten. Die verzweifelten Bitten um Hilfe gegen die Sarazenen, die der Patriarch von Jerusalem, Amalrich de Nesle und der Erzbischof von Cäsarea an die europäischen Herrscher richteten, stießen nach dieser letzten Demütigung lediglich auf taube Ohren. Der misslungene, zweite Kreuzzug hatte einen riesigen Blutzoll auf Seiten der europäischen Adelsfamilien gefordert. Die Ränge ihrer Vasallen und Kriegsleute waren erbärmlich ausgedünnt. Niemand konnte oder wollte noch zu einem weiteren Kreuzzug gegen die Sarazenen aufrufen Vier Jahre später landete zwar Graf Tankred von Lecce mit einer Gruppe Gefolgsleute in Outremer und der Konflikt mit den Sarazenen flammte vor Alexandria erneut auf, doch es musste erst zur katastrophalen Niederlage von Hattin und zum Fall von Jerusalem im Jahr 1187 kommen, um endlich die Lethargie der christlichen Herrscher Europas zu durchbrechen und Phillip II. von Frankreich, Friedrich Barbarossa den Stauffer und Richard Coeur de Lion von England zusammenzubringen, um ein mehr als dreihundertfünfzigtausend Mann starkes Kreuzfahrerheer aufzustellen und über das Mittelmeer zu schicken, damit endlich Saladin Einhalt geboten werden konnte.
Abgesehen von der Demütigung des zweiten Kreuzzuges erklärte sich das Desinteresse am Schicksal von Outremer allerdings zum Teil auch mit der Situation auf der iberischen Halbinsel: Der dortige Kampf gegen die Sarazenen war ein genauso heiliger Krieg, wie der Konflikt auf der anderen Seite des Mittelmeers, doch in diesem Fall häuften sich nicht die Niederlagen, sondern die Erfolge. Die Christen profitierten davon, dass die maurischen Fürsten untereinander ziemlich zerstritten waren und wenn es ihnen recht und billig schien, zeitweise sogar ganz schamlos mit ihren Feinden zusammenarbeiteten, nur um einem ihrer eigenen Glaubensbrüder ein Bein zu stellen.
Hier auf der iberischen Halbinsel war es einfacher und billiger den ständigen Aufrufen irgendwelcher Päpste im fernen Rom zu folgen, die den Heiligen Krieg forderten. Man konnte sich sozusagen vor der eigenen Haustür Gottes Gnade, Sündenerlass und seiner Seele Seligkeit erkämpfen und gleichzeitig auch noch finanziell ein gutes Geschäft machen. Traditionell bestanden enge wirtschaftliche und persönliche Verbindungen zwischen den Christen und den Muselmanen und der Kampf gegen die Araber hielt die christlichen Könige nicht davon ab, Handel mit ihnen zu treiben und gleichzeitig auch noch untereinander Krieg zu führen. Nicht einmal die allerchristlichsten Heerführer, wie zum Beispiel der Baske Don Rodrigo Diaz de Bivar, den man auch „El Cid“ nannte, scheuten davor zurück aus Gründen eigener Machtpolitik oder schlichtweg um des Goldes Willen Verträge mit den Königen der Taifas abzuschließen, um zeitweilig auf Seite der Muselmanen zu kämpfen und bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar Privatfehden zu regeln.
Alles in allem: Die iberische Halbinsel und die Reconquista erwiesen sich als weitaus ertragreicher und interessanter, als der mühsame und höllisch kostspielige Krieg im Heiligen Land selbst.
Auch die Ritter von Santiago kehrten dem Camino kaum fünf Jahre nach ihrer Gründung und Bestätigung durch eine Bulle von Papst Alexander den Rücken, um sich eifrig an dem widerwärtigen Spiel um Gold und Macht zu beteiligen. Doch selbst die grauenhaftesten Blutvergießen auf beiden Seiten vermochte die traditionelle Toleranz zwischen Mauren, Christen und Juden nicht zu zerstören. Spanien war einfach schon zu lange ein Land, in dem drei Religionen zusammenlebten, insbesondere in jenen Gebieten, in denen die maurische Herrschaft immer noch unangefochten war.
Inmitten der Kämpfe setzte sich ein reger intellektueller Austausch fort und zahllose Gelehrte aus dem nördlichen und östlichen Europa zogen auch weiterhin unbekümmert über die Pyrenäen, um in Granada, Cordoba oder Toledo ungehindert durch die Zwänge der römischen Kirche zusammen mit muslimischen, jüdischen und mozarabischen Gelehrten das kulturelle Erbe des antiken Griechenlands und des Islam zu studieren.
Mehr als eine halbe Million Schriftrollen und Manuskripte eröffneten eine völlige neue und faszinierende Welt für diese gelehrten Männer, die zuhause oftmals mit schwierigsten Hindernissen und bigotten Beschränkungen kämpfen mussten, um nicht im Kerker oder gar auf dem Scheiterhaufen zu landen. Die Spannbreite der Übersetzungen reichte von landwirtschaftlichen Handbüchern bis hin zur Astronomie Mathematik und Philosophie. Sogar religiöse islamische und jüdische Schriften wurden plötzliche jedem, der das Lateinische lesen konnte zugänglich und die gut organisierte Übersetzungsschule in Toledo sorgte dafür, dass das gesamte Medizinwissen der Araber den europäischen Naturwissenschaftlern ohne irgendwelche Einschränkungen oder Auflagen zur Verfügung stand. Diese Zusammenarbeit eröffnete ungeahnte, wunderbare Möglichkeiten und sogar eine Gruppe von Ordensritter von Santiago, die in ständigem Kontakt mit Mauren und auch mit Juden standen, legte plötzlich von einem Tag auf den anderen das Schwert nieder. Doch in ihrem Fall war es nicht nur die unermessliche Schatzkammer des Wissens in die sie geblickt hatten und von der sie verzaubert worden waren...
Es begab sich zu der Zeit, als bei Navas de Tolosa, einem kleinen Ort im Norden der Provinz Jaén, am Südhang der Sierra Morena ein riesiges Heer von zweihundertfünfzigtausend maurischen Kriegern aufmarschierte, um sich wieder einmal christlichen Herrschern entgegenzustellen.
Irgendein Erzbischof hatte es geschafft, die üblicherweise verfeindeten Könige von Kastilien, Léon, Navarra und Aragón zusammenzubringen und sie hatten einen Pakt unterschrieben, der sie dazu verpflichtete Seite an Seite zu kämpfen. Die Almohaden-Krieger wurden von Kalif Muhammad an-Nasir angeführt, der seine übliche Verachtung für die verfeindeten Könige, die nun erstaunlicherweise Freundschaft und Bündnis proklamierten nicht verbarg, als er die erbärmlich kleine Schar erblickte, die der Ordensgründer von Santiago, König Alfonso VIII. von Kastilien zusammen mit seinen neuen, königlichen Freunden in die Sierra Morena geführt hatte.
Muhammad an-Nasir befahl seinem riesigen Heer einen Lobgesang zu Ehren Allahs anzustimmen, der ihnen an diesem Tag einen leichten Sieg über ihre Feinde schenken würde, doch genau in diesem Augenblick löste sich aus dem erbärmlich kleinen Haufen auf der anderen Seite des Feldes eine Gestalt. Sie trug über dem Kettenhemd einen Waffenrock, der dem Almohaden-Anführer selbst über diese Entfernung deutlich zeigte, dass sich ein Kirchenfürst der Christen seinen Linien näherte.
Muhammad an-Nasir brach in schallendes Gelächter aus, als der Erzbischof von Santiago de Compostella Pedro Muñoz, die Streitaxt hoch erhoben, alleine auf die Übermacht der Wüstenkrieger zu galoppierte. Auch in den Reihen der Christen hörte man Lachen und ungläubige Ausrufe. Doch plötzlich, als Muñoz die halbe Strecke zurückgelegt hatte und sein Pferd aus dem Galopp anhielt, geboten Alfonso von Kastilien und die drei anderen Könige ihren Vasallen und Waffenleuten zu schweigen.
Die Almohaden-Krieger brüllten dem Erzbischof Beleidigungen entgegen, versuchten ihn zu provozieren, oder schimpften ihn einen Feigling, doch der Mann reagierte nicht. Er senkte nur ganz langsam seine Waffe. Dann sprach er laut, und für beide Seiten gut hörbar ein einziges Wort in der Sprache der Mauren. Die Christen verstanden ihn nicht, doch Muhammad an-Nasir und viele seiner Männer erbleichten. Einige wendeten sogar ihre Pferde, um sich durch die Schlachtreihen zurück hinter die Linien zu drängeln.
Wie