Du hast es mir versprochen!. Wilma Burk

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Du hast es mir versprochen! - Wilma Burk

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kennen. Sie fühlte sich wohl in seinen Armen, begann auch ihrem eigenen Körper zu lauschen und nachzugeben.

      So widersprach sie nicht, als er bald die Hochzeit plante, auch nicht, als er, ohne viel zu fragen, den Mai 1974 dazu bestimmte. Genau ein Jahr war es her, dass sie ihm mit ihrem Fahrrad ins Auto gefahren war.

      *

      Georg wohnte längst nicht mehr im Haus seiner Eltern. Er hatte sich dicht bei der Strickwarenfabrik ein eigenes Appartement gemietet. Da nun feststand, dass sie heiraten würden, wollte er Vera seinen Eltern vorstellen.

      Eines Abends holte er sie dazu ab. Aufgeregt saß Vera neben ihm im Auto. Er amüsierte sich darüber. „Komm, sie beißen nicht“, spottete er. Er konnte aber nicht verhindern, dass Vera sich befangen fühlte, als sie das imposante Haus der Eltern betrat. Unübersehbar drückte es in jedem Winkel Wohlhabenheit aus.

      Die natürliche Art von Georgs Mutter jedoch machte es ihr leicht, ein wenig ihre Scheu zu verlieren. So, als würden sie sich bereits kennen, kam die kleine pummelige Frau auf Vera zu. Dabei hielt sie sich so gerade wie Veras eigene Mutter, aber sie wirkte nicht so ernst und reserviert. Mit einem Lächeln, das die feinen Falten um ihren Mund vertiefte, begrüßte sie Vera. Freundlich neigte sie sich ihr zu, wobei ihre grauen Locken über ihren braunen Augen wippten, und erfasste mit einem fürsorglichen Griff ihren Arm. „Kommen Sie, mein Mann wartet im Salon“, sagte sie und zog Vera an der Treppe vorbei auf eine Tür zu.

      Als sie den Raum betraten, sah Vera am Fenster einen schwerer Sessel stehen, den eine Wolke von Zigarrenrauch umgab. Ein groß gewachsener Mann erhob sich daraus. Schwer stemmten kräftige Arme seine breiten Schultern empor, bis sich die Uhrenkette auf seinem sich wölbenden Bauch zwischen Westenknopf und -tasche spannte. „So, so! Also Sie wollen meinen Sohn bändigen.“ Seine buschigen weißen Augenbrauen unter dem sonst dünnen Haar hoben sich einen Augenblick. Er musterte sie. Vera wollte am liebsten im Boden versinken. Sie kam sich vor, als werde sie taxiert. Dann aber kniff er zwinkernd die Augen zusammen, seine Augenbrauen senkten sich wieder und er sagte: „Ich denke, das wird Ihnen gelingen. Es wird auch Zeit!“ Ehe er seinen Zigarrenstummel in den Aschenbecher zurücklegte, zog er noch einmal genießerisch daran. „Ich habe Hunger. Gibt es endlich etwas zu essen?“, forderte er. Es klang, als wäre er gewöhnt, dass gemacht wurde, was er wollte.

      Mochte jetzt, in den siebziger Jahren, auch der Rausch des Wirtschaftswunders vorüber sein, mochte mancher Betrieb um seine Existenz kämpfen und die Arbeitslosigkeit zunehmen, in diesem Hause war nichts davon zu spüren. Sie saßen bei Tisch zusammen und ließen sich von einer diskreten Bedienung das Essen auftragen. Für Vera war es neu, dass eine Hausfrau bei ihren Gästen sitzen bleiben konnte und nichts tun musste. Georgs Mutter war leise und umsichtig, doch Vater und Sohn beherrschten das Gespräch. Zuerst hatte der Vater viele Fragen an Vera. Sie kam sich vor, wie auf einem Prüfstand. Doch als er wohl genug erfahren hatte, sprachen Vater und Sohn nur noch vom Geschäft. Heimisch wurde Vera hier nicht. Ob sie dieses Gefühl der Fremdheit den Eltern gegenüber jemals loswerden konnte? Alles schien sich hier nur um die Firma zu drehen.

      Später lernte Vera auch die Fabrik kennen. Sie stand mit Georg vor einem alten roten Backsteinbau auf einem ziemlich großen Grundstück. „Früher, als nach dem Krieg der wirtschaftliche Aufschwung begann und Vater das hier alles gekauft hatte, gab es zu der Zeit in zwei Etagen noch einen alter Buchbinder mit seiner Buchbinderei. Bald aber hatte Vater ihn rausgesetzt. Er brauchte den Platz für mehr Strickmaschinen, weil nach der Fresswelle der Nachkriegszeit die nun satten Menschen wieder mehr Geld für Kleidung ausgaben. Da war es aufwärts gegangen, und Vater hatte daraus etwas gemacht“, erklärte Georg und lächelte stolz.

      Nachdenklich sah Vera ihn an. Wie selbstbewusst er mit breiten Schritten auf das Tor zuging. ‚Er hat einen alten Buchbinder einfach rausgesetzt’, ging ihr im Kopf herum. Wenn die Söllners etwas wollten, dann wurde wohl nicht lange gefackelt? Was im Wege stand, wurde weggeräumt. Bis jetzt war Georg bemüht, alles in ihrem Sinne zu tun, und sie war froh, über nichts lange nachdenken zu müssen. Doch wie würde es sein, wenn sie einmal etwas anderes wollte als er? Sie fröstelte, verschränkte die Arme am Körper und sah sich um. Bewegten sich die Zweige der Bäume am Straßenrand vor dem Tor? Wehte ein kühler Wind?

      Er stutzte. „Ist dir kalt? – Komm her!“ Er nahm sie fest in seine Arme und lachte. „So groß hast du es dir nicht vorgestellt. Das hast du nicht erwartet, nicht wahr? Warte, wenn du erst siehst, wie es drinnen aussieht, dann wird dir warm werden.“ Damit zog er sie durch das breite Tor des Grundstücks zum Aufgang die Stufen hoch und vorbei am Pförtner, der achtungsvoll den Juniorchef grüßte und zugleich Vera neugierig musterte.

      Stolz führte er sie durch die Hallen mit den ratternden Strickmaschinen. Unverhohlen neugierige Blicke folgten ihr von den hier arbeitenden Menschen. Was dachten sie? Von Etage zu Etage fuhren Vera und Georg hoch mit einem stöhnenden und ächzenden Aufzug, bis sie oben unter dem Dach waren. Hier durchquerten sie kurz das Vorzimmer vor seinem Büro. Freundlich sah Frau Borgmann, seine Sekretärin, Vera entgegen. Einen Moment blieb Georg bei ihr stehen. Ein vertraulicher schneller Gruß, dann erklärte er wie beiläufig, dass Vera seine Braut sei, und schon zog er sie weiter. Vera konnte ihr gerade noch lächelnd zunicken. Georg konnte es wohl nicht erwarten, ihr sein Büro zu zeigen. Er öffnete die Tür und sah sie erwartungsvoll an, als sie eintraten. Beeindruckt verhielt Vera ihren Schritt. Durch eine Glasfront über die ganze Außenwand des Raumes sah sie hinaus auf die Dächer der Stadt. Die Sonne schien herein. Ein breiter Schreibtisch stand davor und dahinter ein hoher Chefsessel. Georg ging um den Schreibtisch herum und ließ sich in den Sessel fallen. „Na, was sagst du?“ Stolz sah er sie fragend an, wartete nicht ihre Antwort ab und redete gleich weiter: „So wünsche ich mir einmal unser Wohnzimmer, mit einem Blick durch so eine Glaswand in einen Garten. Später bauen wir uns bestimmt ein eigenes Haus. Vater will sich jetzt zur Ruhe setzen. Bald übernehme ich alles, dann werde ich die Fabrik vergrößern und anbauen. Denn Söllner-Strickwaren sind heute schon ein Begriff und ich werde dafür sorgen, dass dies bis in den letzten Winkel des Landes und darüber hinaus bekannt wird. Mach dich auf ein spannendes Leben mit mir gefasst.“

      Vera setzte sich in einen der tiefen, weichen Klubsessel der Couchgarnitur, die in einer Ecke des Raumes stand. Sie sah Georg wie eine Silhouette vor dem riesigen Fenster hinter seinem Schreibtisch in dem Bürosessel mit der hohen Lehne sitzen. Es überwältigte sie. „Ja, es ist alles größer, als ich es erwartet habe“, gab sie zu. Zum ersten Mal wurde ihr bang. Das würde ja ein ganz anderes Leben werden, als sie es bisher geführt hatte. Fühlte er sich so sicher, alles was er plante, erreichen zu können, jetzt in dieser Zeit, wo so mancher Betrieb um seine Existenz kämpfen musste? Sie hatte doch Augen und Ohren, um das in der Firma zu erkennen, in dessen kaufmännischem Büro sie tätig war. Und bei ihm spürte sie nur, dass er viel für die Zukunft plante und alles kaum erwarten konnte. Oh, ja, er musste schon sehr genau wissen, was er wollte.

      *

      Der Winter ging vorüber, ein Winter, in dem Georg oft auf Geschäftsreisen war. Dann fuhr Vera manchmal abends zu Marita. Sabine war nun bald ein Jahr alt. Sie bekam ihre ersten Zähne, brabbelte die ersten Worte und begann vergnügt auf dem Boden herumzukriechen. Wenn Christian zu Hause war, fläzte er sich auf die Couch, während Marita nervös in der Küche wirtschaftete oder der lebhaften Sabine hinterher war. „Kannst du nicht auch mal auf die Kleine aufpassen!“, fuhr sie ihn mitunter an.

      Nein, nach dem großen Glück sah das hier nicht aus. Marita war bereits wieder in ihrem Beruf als Verkäuferin tätig, während Christians Mutter Sabine betreute.

      „Tut es dir nicht Leid, die Kleine schon so zeitig einem andern zu überlassen?“, wunderte sich Vera.

      „Wie stellst du dir das vor? Das Geld reicht bei uns vorn und hinten nicht. Was Christian nach Hause bringt, kannst du vergessen. Der wird es nie zu etwas bringen. Würde mich nicht wundern, wenn er zu denen gehört, die zuerst arbeitslos

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