Du hast es mir versprochen!. Wilma Burk

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Du hast es mir versprochen! - Wilma Burk

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Achim? Hatte er darum nie geheiratet? Eine Scheu hielt sie zurück, ihn zu fragen, was damals gewesen war. Nie ist irgendwann darüber gesprochen worden. Was allerdings kein Wunder war, denn dabei ging es sicher um Gefühle, und wann konnte ihre Mutter schon über Gefühle reden? Hatte sie jemals ein Wort darüber verloren, was sie empfunden oder sogar gelitten hatte, als der Vater sie verließ? Nein, bei aller Verbundenheit, die Vera für sie inzwischen empfand, solche Gespräche wie mit Onkel Achim konnte sie mit ihr nicht führen.

      Doch nun wollte sie wissen, was Onkel Achim angedeutet hatte. Gleich als sie nach Hause kam, drängte sie ihre Mutter, ihr davon zu erzählen. Zuerst wollte sie mit der Sprache nicht heraus. „Das ist so lange her. Das war gleich nach dem Krieg gewesen, als die ersten Männer aus der Gefangenschaft heimkehrten.“

      „Ja, und? Was war da?“ Vera ließ nicht locker.

      „Wenn er es dir nicht gesagt hat, wieso willst du das dann wissen?“, wand sich die Mutter unwillig.

      Warum tat sie das? „Weil er etwas angedeutet hat, was du wissen musst“, erklärte Vera und fragte drängend: „War er unglücklich verliebt? Kanntest du die Frau, um die es ging?“

      Die Mutter blickte Vera unsicher an.

      „Nun sag schon, kanntest du sie?“

      „Es war keine Frau, es war ein Mann.“ Widerwillig antwortete die Mutter.

      „Wie – ein Mann?“ Vera war sprachlos. „Er ist ... ist er homo...?“ Sie konnte es kaum aussprechen.

      „Ja! nach dem Krieg jedenfalls.“

      „Aber kann denn ein Mann einen anderen Mann wirklich lieben?“ Gehört hatte Vera schon davon, aber viel darüber nachgedacht noch nie. Wie sehr wurde so etwas verachtet. Niemand ging offen damit um. War es nicht sogar strafbar? Und Onkel Achim ... ausgerechnet Onkel Achim?

      Die Mutter sah ihr wohl all ihre Gedanken an. „Sei jetzt nicht überheblich. Ehe du ein Urteil fällst, solltest du gründlich darüber nachdenken. Ja, ein Mann kann einen andern Mann genauso lieben wie sonst nur eine Frau und Achim hat das getan. Es war schlimm für ihn, als er begreifen musste, dass sich sein Traum von einer gemeinsamen Zukunft nicht erfüllen konnte, dass der andere ihn hintergangen hatte. Ich habe mir damals sehr große Sorgen um ihn gemacht. Er wurde krank darum, hat sehr gelitten, denn das ist doppelt schwer, wenn man sich von der Gesellschaft nicht anerkannt fühlt und seinen Schmerz verstecken muss, weil ihn niemand verstehen würde.“

      „Und du hast ihn verstanden?“

      „Ja, ich habe ihn verstanden und zu ihm gehalten, auch als sich alle in der Familie darüber empörten und es abartig nannten. Die Menschen sind ja so schnell dabei zu verurteilen, vielleicht sogar, um ihre eigenen seltsamen Vorlieben zu verstecken.“

      „Armer Onkel Achim. Das muss schlimm für ihn gewesen sein.“ nachdenklich sah Vera ihre Mutter an. Sie wirkte manchmal so kalt, doch welche warmen Tiefen verbargen sich in dieser Frau. Sie stand zu dem, was sie sagte, und zu den Menschen unbeirrt, die ihr etwas bedeuteten. Nicht nur Zuneigung, auch Achtung empfand Vera in diesem Moment für ihre Mutter.

      Vera war, als würde sie ihre Mutter jetzt erst richtig kennen und verstehen lernen. Es gab zwar keine großen Gesten der Zuneigung zwischen ihnen, aber sie fühlte sich ihr tief verbunden.

      Nach der Erfahrung in dem Motorradverein, ging Vera jeder Möglichkeit, sich zu verlieben, aus dem Weg. Marita dagegen hatte bald einen neuen Freund, der kein Motorrad besaß. Sie lachte und war wieder so verliebt und glücklich wie in jeder neuen Liebe.

      „Dass du das kannst, so von einem zum andern.“ Vera war es rätselhaft. Zugleich bewunderte sie aber die leichte Lebenslust von Marita. Fast wünschte sie für sich selbst, nur etwas davon zu haben.

      „Das Leben kann so schön sein, wenn du es nicht zu ernst nimmst“, antwortete Marita fröhlich.

      *

      1972 waren Marita und Vera zweiundzwanzig Jahre alt. Vera war fleißig im Beruf. An Anerkennung im Büro mangelte es ihr nicht. Stolz war sie darauf. „Das kannst du auch sein!“, lobte sie sogar die Mutter.

      Marita hatte erneut eine große Leidenschaft und Liebe, einen Christian. Sie schwärmte von ihm, wie sie es von noch keinem vorher getan hatte.

      Irritiert sah Vera sie an. „Na, wie lange wird das dauern?“, fragte sie misstrauisch.

      „Ewig!“, erwiderte Marita. „Wir ziehen zusammen?“

      „Du machst was?“ Vera war sprachlos.

      „Ja, du hast richtig gehört, wir ziehen zusammen. Es wird Zeit, von zu Hause wegzugehen und auf eigenen Füßen zu stehen. Wer um die zwanzig bleibt heute noch bei den Eltern. Du solltest das auch tun. Bist lange genug mit deiner Mutter zusammen.“

      „Wie stellst du dir das vor? Bei dir bleiben Mutter und Vater zusammen zurück, aber meine Mutter bleibt dann allein. Das kann ich ihr nicht antun.“

      „Es ist aber der natürliche Verlauf im Leben, dass Kinder einmal weggehen. Wenn du heiratest, dann ...“

      „... dann ist das etwas anderes.“

      „Wieso? So oder so bleibt sie allein.“

      „Der Grund dafür ist ein anderer. Wenn ich jetzt gehe, sieht es so aus, als wollte ich von ihr weg. Das muss sie kränken. Doch wenn ich ...“

      „Wenn du heiratest, ist sie sogar noch glücklich darüber, allein zu bleiben. Das ist verrückt!“, lachte Marita. Dann aber sagte sie ernst: „Pass nur auf, dass du überhaupt noch von ihr loskommst!“

      „Ach, was!“ Darüber machte sich Vera keine Gedanken. Wer weiß, ob sie jemals heiraten würde, wenn sie weiter so vor jedem Annäherungsversuch eines Mannes zurückwich.

      „Willst du etwa eine alte Jungfer werden?“, fragte Onkel Achim bereits mit Augenzwinkern.

      Eigentlich nicht, nein, die Sehnsucht, sich anlehnen zu können, geliebt zu werden, war groß, wenn sie dabei auch nicht mehr an Bernd dachte. Den hatte sie aus ihren Gefühlen gestrichen.

      *

      Marita zog nicht nur zu ihrem Christian, nein, gleich im darauf folgenden Jahr heiratete sie ihn. Vera war Trauzeugin. Was für ein aufregender Tag. Die kleine und zierliche Marita stolperte fast über ihr langes weißes Kleid, während der etwas schlaksige Christian mit seinem dunklen Beatleskopf, aufgeregt an seinen Manschetten zupfte. Er wusste offenbar nicht, wie er ihr helfen sollte. Resolut raffte Marita ihren Rock zusammen. Dabei bemerkte Vera zum ersten Mal ihr sich rundendes Bäuchlein.

      „Bist du schwanger?“, fragte sie überrascht.

      Marita lachte: „Was glaubst du, warum ich heirate!“

      Ungläubig sah Vera ihr hinterher und beneidete sie fast um ihre Sorglosigkeit. Wie locker sie mit Christian über die Tanzfläche glitt. Alles, was Marita machte, wirkte so leicht. Immer wusste sie einen Ausweg, nie war sie darum verlegen. Nun heiratete sie eben, weil ein Kind kam.

      *

      Auch das Leben von Vera sollte sich bald ändern. Noch immer radelte sie gerne mit ihrem Fahrrad umher. Wenn es wärmer wurde, fuhr sie sogar bis

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