TRAANBECKS AUSNAHMEZUSTAND. Christian Schwetz
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Bevor Miriam ihn direkt ansprechen musste, hob er nach einigen Minuten im TRA die linke Hand. Seine Rechte kämpfte sich zur Maus vor. Zitternd und mit flackernden Augen öffnete er eine neue Datei und schrieb:
„schreiben = ende des eins seins“.
„Was ist los, bist du jetzt noch im TRA oder nicht?“ wollte Fjodor wissen.
„Henk, hörst du uns?“, setzte Miriam nach.
Henks Finger sausten über die Tasten.
„ja, bin im ausnahmezustand, ja, kann euch hören. ist mir schwergefallen, mich aus einheit mit daten zu lösen. war gerne gleicher unter gleichen, wenn auch unterschiede zwischen zeichen und menschen bestehen. jetzt auf alle informationen zugreifen zu können, aber das selbständig zu bestimmen / zu entscheiden, zerstört diese geborgenheit der all- oder ursuppe. habt ihr gemerkt, dass ich inzwischen nicht mehr in die tastatur tippe, sondern den punkten nur befehle, sich zu buchstaben zu formieren? ich kann…“
Miriam und Fjodor sahen, dass er die Wahrheit sprach. Es waren gar nicht mehr seine Finger, die die Worte am Bildschirm erscheinen ließen.
„Cool!“ hauchte Fjodor. „ich habe nicht wirklich geglaubt, dass es diesen Traanbeck-Zustand gibt.“
Miriam drängte Henk, aus dem TRA zurückzukommen und sie an den Computer zu lassen. Sie wollte so bald wie möglich ihren zweiten Versuch unternehmen, TRA zu erreichen. Aber es gelang ihr wieder nicht. Als nächster war Fjodor an der Reihe.
Fjodor saß da und starrte auf den Bildschirm. Er wusste, dass er seinen Geist frei machen sollte.
WIR können sein Reflektieren über sein Denken nicht nachempfinden, obwohl Fjodors Metadenken Teil von uns ist. WIR sind, was WIR sind, ohne darüber nachdenken zu müssen, dass WIR potenzierte Essenz aus Gedanken sind.
WIR zitieren Fjodors Denkströme:
‚An was soll ich denken? Ich soll gar nicht denken. Ich soll sein. Teil dieses Ganzen sein. Ich und die weiße Fläche. Diese schwarzen Punkte und Striche vor mir. Nicht auf die Worte achten. Nicht lesen, nur da sein. Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Die Augen brennen. Das Kreuz tut mir weh. Mir geht es wie dem Jesus, mir tut das Kreuz so weh. Nein, nicht an dieses Lied von Wolfgang Ambros denken. Jetzt hab ich das Lied im Kopf. Wenn ich das Lied denke, spüre ich das Kreuz nicht mehr. Wenn ich denke, dass ich das Kreuz nicht mehr spüre, tut es wieder weh. Ich soll gar nicht denken. Ich soll mich konzentrieren. Leere. Leer sein. Alles akzeptieren. In mich aufnehmen.’
Fjodor bemerkte das strahlende Blau der unteren Bildschirmleiste, unterhalb des grau – weiß – schwarz des Word Dokuments.
‚Blau, blau, blau, wie der Enzian, nein, nicht singen. Ich sein. Ich bin da. Ich und du, Müllers Kuh, nein, nicht denken ...’
„Scheiße“, schrie Fjodor, und schob die Tastatur mit einem Ruck von sich. Er drehte sich zur Seite und sah die enttäuschten Gesichter von Miriam und Henk.
„Scheiße, es geht nicht. Es tut sich nichts, ich komm nicht in deinen Zustand. Ich denke nur Scheiße.“
„Na ja, vielleicht wenn du es nochmals versuchst?“, schlug Henk zaghaft vor.
„Warum soll er es noch mal versuchen? Bei mir hat es auch nicht geklappt. Vielleicht kannst halt doch nur du das“, mischte sich Miriam ein.
„Welche Drogen nimmst du, die wir nicht nehmen?“, kam es von Fjodor. Keiner wusste, ob das ernst gemeint oder als Scherz gedacht war.
„Ich nehme keine Drogen. Im Gegensatz zu dir rauche ich auch nicht. Und ich sauf’ nicht so viel. Aber Miriam raucht auch nicht, soviel ich weiß.“
„Willst du andeuten, dass ich saufen könnt, wenn ich schon nicht rauch’?“, fuhr Miriam Henk an.
„Was soll’s, ich hab vorgestern nur drei Bier mit ihm getrunken. Seither nichts. Am Alk kann’s also nicht liegen“, versuchte Fjodor zu beschwichtigen, und auf die sachliche Ebene zurückzukommen.
„Dann ist er eben sonst eigenartig“, giftete Miriam weiter.
„Hast du eigentlich beim ersten Mal auch dasselbe Gewand angehabt wie heute? Heute hast du jedenfalls dasselbe an wie gestern. Vielleicht ist da ja was Chemisches in der Wäsche oder so?“
Henk war es peinlich zuzugeben, dass er tatsächlich seit Tagen weder Hose noch T-Shirt gewechselt hatte.
„Aber die Unterhose und die Socken sind frisch“, betonte er.
„Gut, dann darfst du die anbehalten. Aber der Rest kommt runter. Los, zieh dich aus!“, befahl Miriam.
„Heh, spinnst du? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass das was mit meiner Wäsche zu tun hat. So was Bescheuertes habe ich ja überhaupt noch nie gehört.“
„Miriam hat Recht. Los, zieh dich aus. Als Wissenschafter müssen wir einfach alles empirisch untersuchen. Wenn du ohne das Zeug immer noch deinen TRA erreichst, wissen wir wenigstens, dass es nicht an diesem hässlichen T-Shirt liegt.“
„Ihr spinnt ja beide. Ich denk doch nicht daran, mich auszuziehen“, wehrte sich Henk.
„Ach, wir durften dir helfen, dich im Ausnahmezustand besser zu Recht zu finden, aber jetzt brauchst du uns nicht mehr. Ob wir auch den TRA erreichen, ist dir also egal?“
Das neckische Glitzern in den Augen Miriam nahm den Vorwürfen die Schärfe. Henk war sich nicht sicher, ob sie mit ihm schimpfen oder flirten wollte.
„Na gut“, brummte er, zog das T-Shirt aus, setzte sich an den Computer und erreichte TRA.
Henk zog die Jean aus, setzte sich an den Computer und erreichte TRA. Die Socken und die Unterhose waren andere als an den Tagen davor, und wären objektiv kein Thema der Untersuchung gewesen. Doch Henk musste die Socken ausziehen, setzte sich an den Computer und erreichte TRA. Dann forderte Fjodor, er solle die Unterhose ausziehen. Henk wollte nicht.
Im Gegensatz zu Henk und Fjodor hatte Miriam die Halskette mit dem kleinen Kristall um Henks Hals gleich nach dem Ausziehen des T-Shirts bemerkt. Sie wusste selbst nicht, ob sie wollte, dass Henk die Unterhose auszog oder nicht. Die Halskette war eine Möglichkeit, diese Entscheidung noch etwas hinauszuzögern.
„Gut. Lass deine Unterhose noch mal an. Wir können zuerst einen Versuch mit deiner Halskette machen. Nimm die zuerst runter und versuch es nochmals.“
„Oh, ach ja. Na gut“ Henk hatte gar nicht an die Kette gedacht, die er auf einem Weihnachtsmarkt von Karin, einer alten Freundin aus Tagen an der Wirtschaftsuni, bekommen hatte. Es lag nicht an seiner Beziehung zu Karin, dass er die Kette seit Monaten nicht heruntergenommen hatte. Er fühlte sich einfach gut mit der Kette, auch wenn er kaum je daran dachte, dass er sie trug.
Henk nahm die Kette ab und trug sie zum Esstisch. Dann setzte er sich an den Computer, und versuchte TRA zu erreichen.
Es ging nicht.
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