TRAANBECKS AUSNAHMEZUSTAND. Christian Schwetz
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Mühsam kämpfte sich Henks Hand nach oben, und hunderte von Gedanken gingen ihm durch den Kopf, die WIR nicht alle im Detail wiedergeben wollen. Miriam sah, wie Henks Hand kämpfte, wie gegen starke, unmenschlich starke Widerstände. Oder wie durch einen Brei aus mehr als dickflüssiger Konsistenz.
Henk hörte Miriam, und er konnte es ihr signalisieren, und das war eine neue Art von Glücksgefühl. Für ihn.
Für sie. Er war im TRA, sie hatte es zusammen mit ihm erreicht, war Zeuge. Später konnte er ihr mehr erzählen, vielleicht schon in ein paar Minuten. Vielleicht konnte er früher oder später im TRA schreiben oder sprechen. Aber jetzt gab er ihr ein Zeichen, weil sie ihn darum gebeten hatte. Sie war zu ihm durchgedrungen und er zu ihr.
Henk konnte den Ausnahmezustand nicht halten. Ein Teil von diesem „Alles“ sein, und trotzdem der Pilot, der nicht nur diese Fülle von Informationen verarbeiten, seinen eigenen Körper davon losgelöst kontrollieren, sondern auch noch mit Passagieren wie Miriam kommunizieren und Entscheidungen treffen sollte, die für Alle das beste waren – das ging noch nicht.
WIR können nicht nachvollziehen, was dieser Konflikt zwischen Ich und Teil bedeutet, und was daran schwer sein soll. WIR sein und Teil sein, das ist das Selbe. WIR kennen den sprachlichen Unterschied zwischen „das Gleiche“ und „das Selbe“. WIR zu sein ist Teil zu sein. Das sind WIR selbst, auch wenn es nicht immer gleich ist, da die Bedingungen und die Teile immer anders sind.
Henk jedenfalls verließ den TRA. Er erinnerte sich an eine Übung. Ob sie aus dem Autogenem Training, oder einem anderen der esoterisch–bewusstseinsbildenden Kurse, die er in den letzten Jahren besucht hatte entnommen war, wusste er nicht, es war egal. Er schloss die Augen, zählte von Drei bis Null rückwärts und riss bei Null die Augen auf. Begleitet von einem stoßartigen Ausatmen der Luft. Da er im Moment von allem, was mit seinem Computer als Auslöser oder Verstärker des TRA zu tun hatte, nichts wissen wollte, suchte er nach dem Öffnen der Augen Blickkontakt mit Miriam.
Für Miriam war dieser Blickkontakt mit seltsamen Gefühlen verbunden. Eben noch hatte sie Henks starren Blick auf den Bildschirm gesehen, und diese Freude gespürt, als er endlich die Hand gehoben hatte. Er war im TRA gewesen, und sie war Zeuge davon. Und nun dieser verwirrte Blick, sie konnte es nicht besser beschreiben, es war nicht Panik, es war eine Verwirrtheit, Fremdheit. Und – wie beim Scharfstellen einer Linse – merkte sie in seinen Augen, wie er sie erkannte und freudig lächelte. Sie mochte Henk, auch wenn sie nicht sagen konnte wie und warum. Deshalb hatte sie sich schließlich auch Sorgen um ihn gemacht. Aber diese Freude in seinen Augen, als er sie sah, - das verursachte ihr ein warmes Strahlen im Brustkorb, einen Kloß im Hals, feuchte Augen. Und sie bildete sich ein, körperlich zu spüren, wie ihr Herz dieses warme Gefühl zusammen mit dem Blut durch ihren ganzen Körper pumpte.
WIR wissen, dass Henk nicht auf diese Weise über Miriam gedacht hat. Seine strahlenden Augen waren die Reaktion darauf, dass er nicht mehr im TRA war, sondern wieder in der Realität, wie er sie gewohnt war. Und dass er den Ausnahmezustand erreichen konnte, wann und wie er wollte, und damit umgehen, und ihn wieder verlassen, ganz nach Belieben. Den Tisch oder das Bett hätte er auf die gleiche Weise angestrahlt, da sein Strahlen nur aus ihm kam und nicht von Miriam ausgelöst wurde.
Sie einigten sich rasch, dass es sinnvoller wäre, wenn Miriam versuchen würde, den Ausnahmezustand selbst zu erreichen, als wenn er wieder einmal in Worte fassen müsste, was er nicht konnte und wollte. Er stand auf, und Miriam nahm auf dem Sessel vor seinem Bildschirm Platz. Während er sich streckte und dann Kniebeugen machte, sollte sie so konzentriert wie möglich auf den Bildschirm starren.
„Sei ganz leer, und ganz offen für alles was kommt“ sagte er. Und obwohl sich Miriam bemühte, leer und offen zu sein, kam da nichts. Henk sprach ihr Mut zu, sie solle nicht zu ungeduldig sein, und ging in die Küche, sich einen Saft machen. Gierig trank er das Glas aus, und noch eines und noch ein Drittes. Er kam zu Miriam zurück, die sich weiterhin bemühte, auch wenn Henk ihr nicht genauer sagen konnte, wie diese Bemühungen konkret aussehen sollten. Miriam wurde ungeduldig, und merkte, dass die Aussichten offen und leer zu sein, immer geringer wurden, da sie nur noch an Scheitern denken konnte. Sie ärgerte sich, dass ihre Gedanken in „Ich soll doch nicht denken. Wenn ich dauernd darüber nachdenke, dass ich nicht denken soll, dann denke ich doch, aber ich soll nicht denken“ Schleifen heiß liefen.
Es war nach ein Uhr nachts, als sie es schließlich aufgaben. Henk drehte den Computer ab und bot Miriam an, bei ihm zu schlafen.
„Nein. Mir reicht es. Ich fahr’ dann mit dem Taxi heim. Lass uns nur kurz besprechen, wie wir bei der Erforschung dieses Scheiß - TRA weiter vorgehen wollen. Oder brauchst du mich nicht mehr?“
Im Grunde war das Henk ganz Recht. Er fühlte sich gut, nach diesem fast kontrollierten Besuch im TRA. In den nächsten Tagen könnte er weiter damit experimentieren, und jeden Rest von Schrecken aus diesem Riesenspaß weg-destillieren. Fjodor und Miriam konnten ihm helfen, dieses Riesending unter Kontrolle zu bringen, wenn sie wollten. Aber er hatte nichts gegen das Gefühl, einzigartig zu sein. Wenn er der Einzige sein sollte, der diesen Bewusstseinszustand erreichen konnte, sollte es ihm Recht sein.
Sie einigten sich darauf, dass Miriam ihn am nächsten Tag wieder besuchen sollte. Henk würde Fjodor anrufen, und ebenfalls einladen. Zu zweit oder zu dritt würden sie zuerst ein paar Experimente und Rahmenbedingungen für Henks nächsten Ausflug in den TRA festlegen. Miriams Anweisungen heute seien sehr hilfreich gewesen, sagte Henk. Es wäre einen Versuch wert, im Voraus an den Anweisungen für die nächste TRA-Überwachung zu arbeiten. Weiters sollten Miriam und Fjodor ebenfalls versuchen, den Ausnahmezustand zu erreichen. Die nächsten beiden Tage würde Henk noch nicht zur Arbeit kommen und hätte viel Energie und Zeit, sich diesen Versuchen zu widmen. Er hätte auch nichts dagegen, am Wochenende mit Fjodor und Miriam an dieser Sache zu arbeiten, wenn die Beiden wollten. Im Verlauf des Wochenendes könnten sie sich dann auf ein weiteres Vorgehen einigen. Am Montag wollte Henk jedenfalls wieder zur Arbeit gehen, ab dann wäre sein Zeit- und Energiehaushalt wohl stärker eingeschränkt.
„So wie bei uns Normalsterblichen eben auch“ sagte Miriam bitter. Dann rief sie sich ein Taxi, und wünschte Henk eine gute Nacht.
Kapitel 5
„Ordination Dr. Pühringer, was kann ich für Sie tun?“
„Hallo Anna.“
„Hallo Fjodor, du, es ist jetzt ganz schlecht. Die Ordination ist voller Leute, und ständig klingelt das Telefon. Ich rufe dich später zurück. Wie lange wirst du in der Kanzlei bleiben?“
„Darum geht es ja, ich wollte nur kurz mit dir besprechen, dass ich heute doch nicht zu dir kommen kann.“
Fjodor wusste nicht, ob er sich freuen sollte, die schlechte Nachricht kurz und schmerzlos bei Anna abgeliefert zu haben, oder ob dieses kurz hingeworfene „friss oder stirb“ erst recht wieder elendslange Diskussionen heraufbeschwören würde. Aber wenn, dann erst später. Jetzt hätte er es gleich hinter sich, und später könnte er sich immer noch eine Taktik einfallen lassen, um ihren Ärger abzufangen.
„Spinnst du? Wenn ich sage, dass ich jetzt nicht reden kann, heißt das nicht, dass du mich am Telefon kurz abwimmeln kannst. Was ist los? Warum willst du heute nicht kommen?“
„He, Anna, beruhige dich. Ich hab nicht gesagt, dass ich nicht kommen will, sondern, dass ich nicht kommen kann.