Flirrendes Licht. Dieter Pflanz

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Flirrendes Licht - Dieter Pflanz

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besten Jahren, dem plötzlich alles genommen wird: sein Beruf, das bisherige Leben, die ganzen täglichen Abläufe. Und er war mit Leib und Seele Soldat. So etwas muss doch auf die Eier gehen, auf die Prostata.“

      „Genau weiß das keiner -.“ Er zog die Nase kraus. „Prostata ist bei Männern inzwischen die häufigste Krebsart, bei Frauen Brust, und all diese Männer sind keine plötzlich entlassenen Soldaten.“

      Egal - wenn es auch nicht wirklich egal sei. Doch seine Hunde seien gut: Irische Terrier! „Die sollen ganz tollkühn sein, unglaublich mutig. Gradezu irre mutig, sollen es sogar mit Löwen aufnehmen. Ich weiß zwar nicht, woher man das weiß, da es hier keine Löwen gibt, aber vielleicht haben die Engländer früher diese Hunde mit in ihre Kolonien genommen -. Unglaublich tollkühn, tapfer ... der Kalle soll mich verteidigen bis aufs Blut!“ Sie machte Kunstpause. „Bisher weiß ich aber eigentlich nur, dass er immerfort gestreichelt werden will - .“

      Jetzt lachte sie, dass ihr Tränen über die Wangen liefen.

      „Der ist noch sehr jung ... kein Jahr alt, sagtest du.“

      „Sicher. Er ist wahnsinnig anhänglich, und ich hänge auch an ihm. Wahnsinnig.“ Doch sie wolle alles richtig machen. Da sie wenig Ahnung von Hunden gehabt habe, sei sie mit ihm in die Welpenschule gegangen, danach in die Grundausbildung, jetzt in noch etwas anderes ganz Wichtiges. Die Frau von der Hundeschule habe bei ihnen auch früher irgendetwas ganz Anderes gemacht, sehr sympathische Frau, sie möge sie. Sehr belesen in Hundedingen. Und diese Frau sage ihr oft, wenn sie sie beide beobachte, den Hund, sie, ihr gemeinsames Verhalten, den Umgang miteinander: „Der nimmt sie nicht ernst! - Und das ist korrekt. Das wirklich Schlimme ist nur, dass es mich im Stillen freut, wenn er nicht richtig gehorcht - . Natürlich spreche ich dann streng zu ihm, schimpfe, wenn er nicht macht, was er soll, doch in Wirklichkeit freue ich mich. Ganz tief im Inneren freue ich mich dann - wenigstens ein bisschen.“

      Sie lachten.

      „Du merkst an meinen Reden über Hunde gleich meine psychiatrische Vergangenheit“, sagte sie lächelnd, „psychoanalytische, psychologische Vergangenheit, habe wirklich einiges gelernt. Und jetzt endlich weiter!“

      Die Räder des Autos knirschten auf Steinen. Rechts, links auf den leicht erhöhten Wegerändern nur Gras.

      „Das war das mit Kalle. Und als Mann darf er auch neben mir auf dem Sofa liegen, wenn ich lese. Weil das Thema Männer der Ausgang unseres Gesprächs war. Ab und zu auch in meinem Bett - aber unten auf dem Fußende, und nur auf. Obendrauf auf dem Bett.“

      „Wusste ich doch -“, sagte Helmut traurig, „fremde Männer.“

      „Du siehst gut aus, sogar die Haare sind wieder gewachsen!“ Sie wuschelte ihm mit der rechten Hand übern Kopf.

      „Mir geht‘s auch gut ... du siehst, ich bin den ganzen langen Weg gelaufen, zwar langsam, aber immerhin.“

      „Du hättest dich vom Taxi gleich bis oben bringen lassen sollen! Oder mich dich vom Bahnhof abholen lassen“, sagte sie streng. „Ich habe eine ganze Stunde gebraucht, um dich endlich zu finden. Um die verschiedenen Wege zu mir abzufahren.“

      Nein, er könne sich nicht einfach einfliegen lassen. Er müsse das Land zuerst langsam sehen, um anzukommen. Die Erde unter den Füßen spüren, den Wald riechenı, die Äpfel, Brombeeren. Sie riechen. Besonders nach dieser langen Zeit. Deshalb als erstes den Weg zu Fuß gehen wollen, den sie früher immer gegangen seien.

      „Diesen Weg sind wir aber selten gegangen, Helmut -.“ Sie hielt wieder an, lächelte.

      „Nicht - ? War das nicht der Schulweg?“

      „Nein. Unseren Schulweg zeige ich dir gleich. Den Weg eben sind wir hinuntergelaufen, wenn wir Pilze suchen wollten oder Bucheckern. Da unten am See gab es große Buchen. Dieses eine Jahr, wo es so wahnsinnig viele Bucheckern gab - Siebenundvierzig. Oder Sechsundvierzig. Wir hatten uns aus Kaninchendraht Siebe konstruiert, Sammelsiebe für die Bucheckern, und sind jeden Tag losgezogen. Für zehn Kilo Bucheckern gab es ein Liter Öl. Mutti hat sich immer wahnsinnig gefreut, wenn wir die Eimer voll Bucheckern brachten.“

      „Ja -“, sagte er langsam, „ich weiß noch, wie die feuchte Buchenerde roch. Hab ich irgendwie noch immer in der Nase. Doch diese Rahmen waren gut, mit dem aufgenagelten Kaninchendraht, wir haben richtige Sammelrekorde aufgestellt!“

      Sie sahen sich an, ihre Blicke gingen hindurch, weit weg.

      Doch Kilo -? Komme ihm ein bisschen viel vor. Nicht Pfund? Ein Liter Öl für zehn Pfund.

      „Ich meine Kilo ... egal - .“ Plötzlich fasste sie ihn seitlich im Haar, küsste ihn, rieb die Stirn gegen seine Stirn. „Du siehst wieder gut aus.“ In ihren Augen standen Tränen. „Du hast fürchterlich ausgesehen, als ich dich im Krankenhaus wiedersah.“

      „Doll dürfte ich nicht ausgesehen haben … zwei schwere Bauchoperationen, plus Chemotherapien. Du hättest nicht kommen sollen. Immer erst warten, bis der Held wieder Held geworden ist -.“

      „Du sahst fürchterlich aus. Ich habe die ganze Zeit geheult, im Zug. Auf der Rückfahrt.“

      „Könnte es sein, dass du in letzter Zeit zu viel heultst, Frey -?“ sagte er, grinste.

      Sie schloss die Augen. „Ja. - Doch ich musste kommen. Als ich da im Krankenhaus anrief, um mich zu erkundigen, wie die Operation verlaufen war, bekam ich gleich den Arzt an den Apparat, der dich operiert hatte. Den verantwortlichen Oberarzt, Chefarzt, und der war ganz high. Wirklich high. Er schrie direkt, lachte ins Telefon - ‚Ihr Bruder ist geheilt!, geheilt!‘ schrie er immer wieder. Der war über seinen eigenen Erfolg total high, ein noch junger Arzt von der Stimme. Und da musste ich sofort kommen!“

      Helmut lachte. Die Ärzte da habe er wirklich high gemacht - die seien richtig glücklich gewesen, tagelang. Doch er selbst habe keine Erinnerung an ihren Besuch: nur Schemenhaftes, aber nicht vor Augen, sondern dem Ohr: dass da irgendwas gewesen war. Irgendwer gewesen war. Und wahnsinnige Müdigkeit ständig die Augen geschlossen habe. „Ich hab es dir geschrieben: dass ich an deinen Besuch überhaupt keine Erinnerung habe.“

      „Ich musste kommen! Und du sahst fürchterlich aus: an all den Drähten, Schläuchen, ganz bleich, keine Bewegung, nur Zucken in den Augen. Unter den Augenlidern.“

      Da sei er noch halb in Narkose gewesen. Acht Stunden Operation, ursprünglich habe sie über elf dauern sollen, mit zehn Liter gebunkertem Blut - . Doch jetzt gehe es ihm nicht schlecht, wie sie sehe. Er grinste.

      „Hinterher habe ich nur noch geheult.“

      „Du warst zu früh.“

      „Vorher wolltest du mich nicht sehen!“ sagte sie heftig. „Ich wollte vor der Operation kommen, aber du hast mich abgewimmelt.“

      Er hob nicht wissend die Schultern.

      „Das vergesse ich nie! Ich wollte dich vorher besuchen - und da hast du mich ganz brutal abgewimmelt.“

      „Ich erinnere mich wirklich nicht.“

      „Weißt du, was du gesagt hast?!: ‚Wenn du kommst, verliere ich die Ruhe zum Sterben‘. Wörtlich, am Telefon. - Das vergesse ich dir nie!“ sagte sie, schlug ihm mit den Faust gegen die Brust.

      Er hielt ihre Hand fest, grinste. „Nicht! Der Hund beißt mich ... der

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