Flirrendes Licht. Dieter Pflanz

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Flirrendes Licht - Dieter Pflanz

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style="font-size:15px;">      Sei schon spannend gewesen -, meinte er, wirklich. Bis dahin nie mit Krankenhäusern zu tun gehabt. Wochenlange Untersuchungen im ersten kleinen Krankenhaus, bis sie schließlich den Bauch aufgeschnitten, um nachzusehen. Und gleich wieder zugeklappt! „Wie in den bekannten Stammtischgesprächen: - aufgeschnitten und gleich wieder zugeklappt! Hoffnungslos. - Weil‘s aber ein sehr seltenes Gewächs war - ein Leiomyosarkom - wurde ich ins nächste größere Haus weitergereicht.“

      Er schloss die Augen.

      Da zuerst einmal Chemotherapien, um den Tumor zu schrumpfen. In Abständen, von Wochen. Dann weitergereicht in die Medizinische Hochschule nach Hannover.

      „Da warst du sehr lange, hast mir unentwegt geschrieben“, sagte sie.

      Eines Tages habe alles zueinander gepasst: keine schweren Unfälle, die vorgezogen werden mussten, die eingeplanten Operateure frei - den Bauch zum zweiten Mal aufgeschnitten. Riesenschnitt. „Und dann haben sie plötzlich gesehen, dass der Tumor überhaupt nicht dort saß, wo die ersten Operateure meinten: nicht in der Bauchspeicheldrüse, sondern darunter, in der Vena cava. Der Großen Hohlvene.“

      „Du hast wirklich Glück gehabt.“

      „Die muss ich richtig glücklich gemacht haben -. Obwohl natürlich nichts von all dem mitgekriegt. Junge Leute, in den Dreißigern. Kurz danach musst du angerufen haben! Wenn das wirklich Bauchspeicheldrüse gewesen wäre, wär ich schon lange nicht mehr da.“

      „Der war völlig aufgeregt, stammelte am Telefon, freute sich wie ein Kind, schrie in den Hörer. Und da bin ich sofort gekommen … mit seiner Genehmigung.“

      Die Ärzte tagelang aus dem Häuschen, ständig Sätze wie: ‚Mein Gott, haben Sie ein Glück gehabt!‘ Und da erst habe er begriffen, was für eine gefährliche Operation es gewesen sei.

      „Du hast unheimliches Glück gehabt!“

      „Heute weiß ich das. Nur die ganze Zeit in den Krankenhäusern, es waren Wochen, Monate, hatte ich nie das Gefühl, todkrank zu sein. Oft gedacht: Was reden die bloß alle -. Natürlich nie etwas laut gesagt, nur still vor mich hingedacht. Wenn man wirklich stirbt, müsste man das eigentlich merken ... und ich spürte nichts. Bis auf die dicken Beine, mit denen ich ständig herumlief, um die fremde Krankenhauswelt zu erkunden.“

      Gefühle könnten täuschen - , meinte sie, kenne sie von sich selbst zur genüge.

      „Sicher, wusste ich auch damals schon, habe ich ständig in Erwägung gezogen, sozusagen als Gegenprobe. Doch ständig überwog in mir das Gefühl, welchen Unsinn da die Ärzte redeten.“

      Sie lachte. „Du hast dich weggedacht ... wie du das immer gemacht hast -. In heile Welten hinein.“

      „Mädchen, ich hatte recht!“ protestierte er. „Und dann der letzte Tag ... hab ich das dir schon erzählt?“

      Wisse sie nicht, aber bestimmt habe er es ihr geschrieben. „Erzähl!“

      Schon nach vier, fünf Tagen sei er aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die hätten freie Betten gebraucht, ihn rausgeschmissen. Mit Riesenwunde von Scham- bis Brustbein. Vorher natürlich gefragt, ob er sich schon stark genug fühle. Und eine Stunde vor der Abfahrt sei dann der Onkologe gekommen -.

      Er lächelte, seine Zungenspitze benetzte die Lippen.

      „Junger Mann Mitte Dreißig, in Jeans, T-Shirt, gar nicht wie ein Arzt. Wirkte irgendwie intellektuell, bestimmt Habilitierter oder kurz davor. Der fing so an, ohne Einleitung: ‚Darüber müssen wir uns klar sein: mit einundneunzigkommasechsprozentiger Wahrscheinlichkeit kommt diese Krankheit zurück!‘ Warum das so sei, darüber stritten die Leute, einige meinten, es seien die zurückgebliebenen Krebszellen im Blut, andere glaubten eher an Prädestination des Körpers für Krebserkrankung. Doch ich sei jetzt einundsechzig, habe ein Leben gehabt. Meine Chance sei das Messer! Sobald irgendwo neue Tochtergeschwülste auftauchten, sofort herausschneiden!“

      „Das hat er wirklich gesagt?“

      Helmut nickte „Und ganz zum Schluss hat er gegrinst und gesagt: ‚Doch vielleicht haben Sie auch Glück ... und gehören zu den zehn Prozent, bei denen der Krebs nicht wiederkommt.‘ Das so ungefähr der letzte Satz, bevor er ging, und ich nach Hause fahren durfte.“

      „Die müssen natürlich dafür sorgen, dass die Patienten auch später noch funktionieren, die Nachsorgen exakt einhalten“, meinte sie nachdenklich.

      „Sicher … ich bin dem auch nicht böse. Und bei mir hat er es wirklich prima hingekriegt: die einundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit sitzt mir seitdem wie eingeschossen im Gehirn.“

      Sie lachten.

      3

      Und jetzt müssten sie wirklich weiter, sonst verderbe der Kuchen noch. Seitdem sie nichts mehr zu tun habe, backe sie selbst Kuchen. „Früher habe ich den von meinen Sekretärinnen besorgen lassen - . Und wenn ich mal eine Party hatte, haben mir Frauen aus unserer Kantine geholfen. Heute: alles selbst!“ Und nach einer Pause: „Hätte ich mir damals auch nicht vorstellen können - .“

      Sie lachten.

      Als der Wagen aus der tief eingefahrenen Wiese nach rechts in einen breiteren Weg einbog, lagen voraus plötzlich zwei Häuser. Anscheinend nicht groß, versteckt hinter Büschen, Bäumen. Helmut versuchte, sich zu erinnern, doch alles wirkte fremd. Er zuckte mit den Schultern, sagte: „Überhaupt keine Ahnung, wo wir sind - . Haben wir hier wirklich mal gelebt?“

      Freya nickte, zu ihrer Zeit seien hier aber Wiesen, Ackerland gewesen. Später dann das Aufmarschgebiet der Panzer, Truppentransporter, Geschütze. Wenige hundert Meter weiter, den Berg hinunter, den sie eben gekommen seien, habe der Truppenübungsplatz der Russen begonnen. Einer der größten im Land, dreißig, vierzig Kilometer weit nach Norden offen. „Die konnten hier mit allem schießen: in Panzergefechten, mit schweren Geschützen, Raketenwerfern. In dem langgestreckten großen See unten, dem Großen Seutel, sollen sie ständig mit Amphibienfahrzeugen geübt haben, hat man mir erzählt. War hier natürlich totales Sperrgebiet.“

      „Ist das etwa unser Haus dahinten?“

      „Nein“, sagte sie mit ironischem Unterton, „nur die Vorwerke - .“

      „Hat es die damals schon gegeben? Keine Erinnerung, nicht die geringste.“

      Die habe es gegeben, bewohnt von vielen Flüchtlingen. Die Kinder dort seien aber weitaus jünger als sie gewesen. Jetzt seien es Ferienhäuser. Unten im Dorf werde erzählt, Stasileute hätten sie sich nach dem Abzug der Russen unter den Nagel gerissen. „Auf solche Gerüchte darf man aber nichts geben - ich selbst laufe bei denen auch unter Stasiprofiteur. Die fallen immer vom Hocker, wenn ich ihnen erzähle, dass das Haus von meinen Urgroßeltern vor über hundert Jahren gebaut worden ist, unser Opa hier bereits als Kind seine Ferien verbracht hat und wir als Familie in den Kriegs-, Nachkriegsjahren darin gelebt haben! Ich sei hier zur Schule gegangen - . Zum Glück gibt es noch ein paar alte Leute im Dorf, die mich von früher her kennen, meine Angaben bestätigen können.“ Was wichtig sei, da durch den wirtschaftlichen Niedergang sich regelrechter Verfolgungswahn breitmache: die alten Parteibonsen, raffgierige Wessis, Stasileute.

      Sie schaute nach vorn, ihr Mund verkniffen. „Und da hinten kommt jetzt wirklich das Haus ... unser Haus.“

      „Auch

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