Flirrendes Licht. Dieter Pflanz

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Flirrendes Licht - Dieter Pflanz

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Und - ganzganz wichtig! - mit jedem Wissen kommen auch Gefühle einher!“

      Seine Schwester sah ihn lange an, überlegte, wiegte den Kopf.

      „Doch … Frey! Nicht ständig, nicht immer, aber sie kommen oder gehen mit jeder Erinnerung. Verborgen, im Hintergrund, irgendwie zurück. Ich spreche lieber von Wissen. Jedes gelernte Wissen ist - irgendwie im Dunklen zurück! - auch mit Gefühlen verbunden worden: die plötzlich und manchmal sehr heftig hochsteigen können. In jedem von uns, in allen.“

      Sie zog ein zweifelndes Gesicht.

      „Nein, Helmut, so generell, wie du sie machst, stimmen die Aussagen nicht. Ich glaube es wenigstens nicht. Bei unseren gemeinsamen Erinnerungen aus der Kindheit könnte es stimmen, da unsere Erlebnisse fast immer auch mit vielen Gefühlen einherkamen. Damals schon, mit unglaublich überschießenden Gefühlen: Freude, Lachen, Wut, Zärtlichkeit, Liebe, auch Neid, Eifersucht, Hass. Und so weiter. Bei denen würde ich zustimmen, dass sie als Gefühlserinnerungen sofort wieder wach werden, in uns hochsteigen, wenn der andere mit Worten Brücken zurückschlägt.“ Das wolle sie zugestehen, habe dafür aber andere Erklärungen. Das das Wesen von Kindheit, jeder Kindheit, sei wohl allgemein: dieser unglaubliche Gefühlswirrwar, der auch gleichzeitig ungemein intensiv empfunden werde. Und genau der mache später die sentimentalen Erinnerungen aus zurück an die frühen Jahre: weil man als Erwachsener eben solch intensiven Gefühle verlernt habe.

      „Oder sie einem ausgetrieben worden sind -. Von der Gesellschaft.“

      Sicher, Freya lachte, doch das sei nun mal der Weg des Erwachsenwerdens. Jede Gesellschaft müsse Strukturen aufbauen, die zum Funktionieren führten: zu ihrem Erfolg. Und da gehe es nicht, dass die Leute von einem warmen Gefühlserlebnis ins nächste taumelten. Es bedürfe hoher Disziplin, pünktlich zur Arbeit zu gehen, wenn abends das Feiern schön lustig lang gewesen sei. „Man darf sich dann nicht allein von Gefühlen steuern lassen -!“

      „Gefühle werden den armen Erwachsenen nur noch beim Sex zugestanden -. Als Ersatz. Wobei mir scheint, dass viele Gefühlsempfindungen der Kinder weitaus stärker sind - und wohl auch schöner - als später die in ihrem ach so dollen Liebesleben.“

      Sie lachten.

      Das komme auf den Einzelnen an -. „Manche haben nur wenige Erinnerungen an die Kindheit ... viele erleben ihre stärksten Gefühle im Liebesleben ... andere wiederum kennen überhaupt kaum Gefühlserlebnisse“, meinte sie. „Ich für mich möchte auch sagen, dass ich meine stärksten Gefühle in der Kindheit hatte ... und zwar - mal ganz genau! - in der Nähe zu dir. Nicht unbedingt mit dir, aber nahe zu dir. - Wir beide waren immer wahnsinnig sachkonzentriert: auf Dinge, Probleme außerhalb unserer Person gerichtet!“ Ständig mit Bauen, Arbeiten, Basteln beschäftigt. An irgendwelchen Dingen, aber sehr konkreten, die sich anfassen ließen, von gewichtiger Substanz gewesen seien. Sie hätten ständig zusammen gearbeitet, und die Ergebnisse - oder anvisierten, geplanten Ergebnisse - seien immer sehr sehr konkret gewesen. Und dieses sachliche Handeln - im Wortsinn: handeln, Hand - habe bei ihr die stärksten Gefühle ausgelöst. Auch noch zurück, in der Erinnerung.

      Ja, meinte Helmut, das gleiche behaupte er doch auch. „Ich benenne sie nur anders - diese Phänomene. Ich muss dir das endlich mal schreiben, damit du es richtig verstehst.“

      4

      „Nein!“ schrie sie. „Sprechen! Jetzt bist du bei mir: sprich!“

      Er sei ein furchtbarer Redner, sprechen falle ihm äußerst schwer.

      „Quatsch, du redest klar, sehr verständlich. Weiter!“

      Wenn er rede, habe er immer das Gefühl, dass die Wörter mit ihm machten, was sie wollten, - doch wenn er schreibe, mache er mit den Wörtern, was er wolle. Um genau zu sein, brauche er deshalb das Schreiben. - Das habe mit seiner Hyperventilation zu tun. „Wirklich schlimm ... mein ganzes Leben. Wenn ich vor Menschen reden musste, geriet ich sofort unter Hyperventilation, so dass ich kaum weiterreden konnte. - Wie ich es heute sehe, war es wohl die Hyperventilation.“

      Er rede hier nicht vor Menschenmassen, sondern vor ihr: Freya. Einzelperson!

      „Habe ich auch schon bemerkt -,“ er grinste, „dass du einzelartig bist. Deshalb fällt mir das Reden auch schon leichter, vor dir. Aber nur ein bisschen.“

      „Du redest wie ein Buch.“

      „Ich habe aber schon richtige Stiche in der Brust“, jammerte er.

      Sie sah ihn forschend an. „Stiche -?“

       Vorne, quer rüber. „Richtigen Druck auf der Brust ... wie in dem Märchen! Eiserner Gustav oder wie das hieß.“

      „Gustav -? Du meinst den Eisernen Heinrich, den Froschkönig.“

      „Ja, den Eisernen Heinrich. Heinrich, der Wagen bricht ... nein, nein, der Wagen nicht ... nur ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen -. Oder wie ging das?“

      „Junge -“, sie lachte, trommelte leicht mit den Fingern auf den Tisch, „an dich muss ich mich aber auch wirklich erst wieder gewöhnen.“

      Er habe wirklich Stiche, sagte er mit immer noch jämmerlicher Stimme. Von seiner Hyperventilation her oder der jetzt aufgehörten, oder weil er zu wenig trinke. Der Madeira sei ihm zu süß.

      „Willst du etwas Richtiges?“

      „Etwas mehr Wässriges. Im Ernst, Frey: ich rede zuviel, bin ich gar nicht mehr gewöhnt.“

      Nicht zuviel! rief sie über die Schulter, sie brauche das, seine Stimme, sein Sprechen. Als sie zurückkam, hatte sie mehrere Flaschen, Gebäcktütchen im Arm. „Nachher essen wir noch richtig!“

      Helmut drehte an der Mineralwasserflasche, bis sie sich schließlich zischend öffnete, goss ihr zwei Finger hoch ins Glas, dann sich. Sie schwenkten das Wasser, um die Süße des Madeira zu tilgen, tranken. Er füllte die Gläser wieder.

      „Willst du verdünnen?“ fragte sie, hatte Gin in der Hand.

      „Mein Lieblingstropfen: Gin ... aber früher. - Verdammt: ein ganz Kleinbisschen!“

      Sie gab einen winzigen Schuss ins Glas, sich selbst einen größeren. Müsse man wenigstens schmecken können … die Kräuter, Gewürze - all das Gesunde.

      „Pass mal auf, Frey -“, sagte er, nahm einen Schluck, der eine Spur anders als Wasser schmeckte, „was ich vorhin mit dem Ganzen sagen wollte. - Übrigens toll, wie schnell ich wieder bei meinem Problem gelandet bin!“ Er lachte, schüttete sich mehr Gin ins Glas. Die Gefühle -: sein Thema! Seit Jahrzehnten! Er habe immer behauptet, Menschen würden in ihrem Leben - in ihrem Handeln, Sein, etcetera - fast allein durch Gefühle gesteuert - und nicht über Vernunft, Verstand und so weiter, wie das die bürgerlichen Gesellschaften vor sich behaupteten. In ihren Tempeln der reinen Lehre. Vernunft, Verstand trete fast nicht auf, höchstens minimal, in Spuren, und wenn - als Steuerung - dann beide zusammen, wahrscheinlich auch nur in Form von Gefühlserregung. „Über das Empfinden von Gefühlssignalen! Du verstehst? - Soweit bin ich aber noch nicht ... in meinen Überlegungen. Bei Vernunft, Verstand.“

      Er sah sie an, ohne sie zu sehen, sah in sich hinein.

      Das

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